Die Verwunderung hält nur eine Textzeile lang an: Wenn Richard Thompson im Opener "The Money Shuffle" zunächst behauptet, dass er Kätzchen und kleine Babys liebt, könnte man ihm fast beginnende Altersmilde unterstellen. Dabei gilt der 61-jährige Ex-Fairport-Convention-Kopf als zynischer und genau beobachtender Geschichtenerzähler, "I Want To See The Bright Lights Tonight" (1974, gemeinsam mit Ex-Ehefrau Linda) als Meisterwerk düsteren Folk-Rocks. Aber Entwarnung: Sein neues Album "Dream Attic" zeigt den Briten zwar als gereiften Musiker, der aber immer noch auf der Höhe der Zeit agiert. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Im bereits erwähnten Opener seines neuen Albums stellt sich nämlich ziemlich bald heraus, dass Thompson hier in die Rolle eines nach außen zwar sympathisch wirkenden, aber doch von Geldgier getriebenen Bankers schlüpft. Und um zu erkennen, dass er in "Here Comes Geordie" deutliche Seitenhiebe gegen das Gutmenschentum eines gewissen Gordon Sumner alias Sting austeilt ("Here comes Geordie in his private plane / Got to save the planet once again"), muss man dem britischen Songwriter auch nur genau zuhören.
Was sich auch musikalisch lohnt: Live an drei Abenden in der "American Music Hall" in San Francisco eingespielt, wirken Thompson und seine vierköpfige Band ungewöhnlich präsent. Dabei ist ihre Wandlungsfähigkeit enorm: Von Folk, der die keltischen Einflüsse nicht verleugnet ("Among The Gorse, Among The Grey") über Polka-Rock ("Haul Me Up") bis hin zu beatleskem Pop ("Big Sun Flling In The River") reicht das Spektrum auf "Dream Attic". Thompson reichert seine klassischen Folk- und Rock-Kompositionen zudem mit feinen, teilweise fast improvisiert wirkenden Mandolinen-, Flöten- und Saxofon-Klängen an. Wenn überhaupt, dann leidet das Album höchstens an manchen Stellen unter den Aufnahme-Bedingungen: Live eingespielt neigen manche der Songs zur Überlänge. Insgesamt aber: ein tolles Album, das man tunlichst nicht als "Alterswerk" bezeichnen sollte.