Erst im April erschien das letzte - insgesamt dritte - Album des ex-kalifornischen Ex-Hobos Seasick Steve, das den bemerkenswerten Titel "I Started Out With Nothing And I've Still Got Most Left Of It" trug. Kurz davor, Ende 2008, war das vorherige Werk "Doghouse Music" des kauzigen Bluesmans gechartet. Und weil in Britannien eine völlig aus dem Ruder gelaufene Seasick-Steve-Mania herrscht, schießt Steve in einer bemerkenswerten Geschwindigkeit nun noch schnell "Man From Another Time" hinterher. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Delta Blues der tiefsten, urigsten Sorte ist diesmal das Thema von Steven Gene Wold, der 2004, mit über 60 Jahren, sein Debütalbum herausbrachte und nun in die Massenproduktion eingetreten ist. Der alte Haudegen, der gerne Storys über sein wildes Wandervogelleben streut, war eigentlich schon länger sesshaft, hatte in Seattle ein Studio und dazu eine nette norwegische Frau samt drei Söhnen. Durch die Alben "Cheap" (2004), vor allem aber Nummer zwei, "Doghouse Music", brachen plötzlich Begeisterungsstürme im UK aus, da vor allem schicke Londoner DJs den alten grauen Zausel als "Letzten seiner Art" feierten und in die Indie-Charts hievten. MOBO-Award, Brit-Award, mehrere Top-Ten-Platzierungen in England folgten.
Der ungewöhnliche Erfolg lässt sich womöglich auf die Begeisterung der Briten für Originelles und Originale erklären - Seasick Steve jedenfalls singt von seiner Zeit als Wanderarbeiter, Tagelöhner, Knastbruder. Von harten Zeiten, denen laut eigener Aussage, nur von außen eine gewisse Romantik anheftet. Bei ihm ging es damals ums nackte Überleben. Aber vermutlich ist es auch diese Authentizität, die die Briten reizt.
"Man From Another Time" nennt Steve folgerichtig sein Album, und gerade hier zeigt er sich als echter Blues-Historiker: Nur mit ein paar schrägen Saiteninstrumenten (Gitarre, Didley-Bo, dreisaitige Trance-Wonder-Gitarre, Akustische, Bottleneck) und seiner Stimme bewaffnet, beschwört er mit seinen Eigenkompositionen eine längst vergessene Zeit der blühenden Baumwollfelder, klappernden Pferdewagen und der leise rasselnden Fußketten herauf. Analoger geht es nicht. Exakt das ist es scheinbar, was die Massen, zumindest die britischen, wünschen, und tatsächlich geriert sich Steves Album als noch erdiger, noch rauer, noch primitiver als seine letzten Werke, denen er hin und wieder knackig-frische, jugendliche Riffs versetzte.
In den USA herrscht derweil übrigens erstaunte Ungläubigkeit über die englische Vorliebe für den seekranken Steve, denn dort ist man immer noch der Meinung, dass weiße Menschen, wenn sie nicht gerade Captain Beefheart heißen, keinen Blues spielen können. Für uns alte Europäer reicht Seasick Steves zugereistes Können allemal, um einen kleinen Workshop in Sachen Uralt-Blues zu absolvieren. Kernig, urig, männlich.