Mal ganz plakativ behauptet: Selig waren in den Neunzigern ein Rettungsanker für all diejenigen, die sich für Grönemeyer-Deutschrock ein bisschen zu jung fühlten. Sicher ist: Von 1994 bis 1997 sang Jan Plewka von den Momenten, die man nicht vergisst, und diese Momente mussten nicht unbedingt mit Liebe zusammenhängen. Das zeichnete die Band aus, die nun nach über zehn Jahren mit "Und endlich unendlich" ein Comeback wagt, auf das scheinbar alle gewartet, aber nicht gehofft haben. ~ Claudia Nitsche (teleschau) aufklappen »
Viele Radiostationen spielen schon seit Wochen die alten Selig-Hits, "Sie hat geschrien heut nacht" gehört dazu, "Ist es wichtig" und natürlich "Ohne dich". Plewkas durchdringendes Organ presste den Refrain seinerzeit so eindringlich aus seinem Brustkorb, das wohl jedem Hörer mindestens ein geliebter Mensch einfiel, den er nicht mehr hat. Und diese Einsätze im Äther beweisen jetzt: Selig-Texte kann man auch Jahre später noch mitsingen.
Sie durchliefen ihre Karriere im Schnelldurchlauf, bis sie sich ihr plötzlich entzogen. Zu schnell, zu viel, die Wenigsten bremsen dann. Diese Musiker taten es. Heute melden sie sich zurück, mit einem schönen Albumtitel, "Und endlich unendlich", der wie ein Versprechen klingt. Vielleicht bleiben sie dieses Mal ja für immer.
Sie beginnen ihr viertes Album verhalten, angenehm unaufdringlich. Ziemlich schnell stellt sich die Vertrautheit ein. Sie haben immer noch ihren ganz auf Plewkas Stimme abgestimmten Sound. Sie experimentieren kaum, treffen jeden Ton, denn Plewkas Stimme hat nichts von ihrer Einzigartigkeit eingebüßt. Er zieht alle Aufmerksamkeit auf sich, macht aber eben deswegen klar, wie schwierig es für diese Band ist, sich nicht selbst zu kopieren. Es gibt nicht unendlich viele Klangfarben, an seinem Timbre kann er nicht uferlos basteln. Doch - Kompliment - es gelingt ihm, die vergangenen Jahre sichtbar zu machen und immer nur für Sekunden an damals zu erinnern.
Selig wollen nicht verkniffen etwas Neues wagen. Sondern bleiben exzellente Momentbeobachter, bieten mit ihren langsamen Liedern wie "Der schönste aller Wege" und "Ich fall in deine Arme" sofortige Lieblingsstücke. Der Rest des Albums variiert das Tempo mehr als früher, es gibt keinen einzigen Ausfall, nicht einen schwachen Song. Da hört man die Freude daran, wieder das zu wollen, was man schon mal liebte.