100 Meilen von Memphis entfernt ist Sheryl Crow geboren. Wer selbst einmal im Süden der USA unterwegs war, der weiß, dass diese Region ohne Musik nicht vorstellbar ist. Klischee hin, Klischee her - über den endlosen Feldern glaubt man, den ewigen Widerhall der Baumwollarbeiter zu hören. In jeder kleinen Bar spielt dagegen sehr real ein bodenständiger Musikus auf verdammt hohem Niveau, der den Groove mit der Muttermilch aufgezogen zu haben scheint. Sheryl Crow erweist mit "100 Miles From Memphis" der alten Heimat ihre Referenz. Mit Keith Richards und Justin Timberlake begrüßt die 48-jährige Sängerin und Songschreiberin zudem äußerst prominente Gäste. ~ Eric Leimann (teleschau) aufklappen »
Sheryl Crow tauchte 1994 am Popfirmament auf - mit der auch heute noch sehr hörenswerten Single "All I Wanna Do". Damals schon stellte die Sängerin, die früher Musiklehrerin und Backgroundstimme bei Michael Jackson war, eine eher seltene Spezies Popstar dar. Gut aussehend und sexy in der Vermarktung, aber auch mit Musikstudium in der Tasche, der Fähigkeit Songs zu schreiben und einen Haufen Instrumente selbst zu spielen. Bis heute steht Sheryl Crow für einen Sound, den Amerika "Adult Oriented Pop" nennt. "Just Good Ol' Music", würde der Zigarren rauchende Grandpa auf der Südstaatenveranda es nennen - und genau dieses Ziel verfolgt Crow auch mit ihrem neuen Album.
Der Sound von "100 Miles From Memphis" zitiert die rhythmischen Groove-Gitarren des Stax-Labels, es lässt Soulbläser zum Schwof blasen und versucht in allen Songs eine lässige Leichtigkeit zu erzeugen. Ein Otis Redding-artiger Soulstampfer zu Beginn ("Our Love Is Fading"), danach der Reggae-Beat von "Eye To Eye" mit äußerst feinen Rhythmusgitarren (unter anderem von Keith Richards). Stück drei führt uns zurück in die 90er-Jahre: "Sign Your Name", eine Coverversion von Terence Trent D'Arby.
Alles klingt sehr clever und aufgeräumt - musikalisch anspruchsvoll, aber eben auch ein bisschen abgehangen. Letztendlich also eine Geschmacksfrage, ob man sich mit diesem Sound anfreunden kann. Eine Graswurzelaufnahme, eine American-Recordings-artige Platte ist "100 Miles From Memphis" sicher nicht, trotz des bodenständigen Themas. Trotzdem macht die clevere Pop-Ästhetik auf einigen Songs richtigen Spaß. So auf der Single "Summer Day", einem Lied übers Grillen und Abhängen mit Freunden im sommerlichen Freien. Wirklich bewegend die beiden Balladen "Stop" und "Sideways", bei denen Crow mal wieder zeigt, dass ihre Stimme den Spagat schafft, gleichzeitig glockenhell und rauchig zu klingen.
Sheryl Crow hat in den letzten Jahren viel erlebt: die medienträchtige Beziehung zu Radprofi Lance Armstrong, eine Brustkrebs-OP (beides 2006) und die Adoption ihres kleinen Sohnes (2007). Ihre letzten vier Alben belegten sämtlich Platz zwei der US-Album-Charts - von einem Comeback zu sprechen, verbietet sich daher. Sheryl Crow ist einfach eine Vollblutmusikerin, die weiter ihr Ding macht. Auf "100 Miles From Memphis" tut sie das auf ziemlich hohem Niveau.