Es ist Solanges Nachname, der ihr das Leben schwer macht. Beyoncé hat mit ihrer Karriere mächtig vorgelegt, im selben Business Fuß zu fassen, fällt der kleinen Schwester dementsprechend schwer. Dabei mangelt es Solange Knowles nicht an Talent: Mit 16 veröffentlichte die heute 22-Jährige ihr Debütalbum, danach schrieb sie Songs für Destiny's Child und Beyoncé, probierte sich an der Schauspielerei und modelte für die Klamottenlinie ihrer Mutter. Zwischendurch brachte sie ihren Sohn Daniel Julez zur Welt, Hochzeit und Scheidung inklusive. Nun also wieder Anlauf nehmen und ein zweites Mal den Sprung in die Riege der Weltstars versuchen, diesmal mit "Sol-Angel and the Hadley St. Dreams" unterm Arm. ~ Gregor Jossé (teleschau) aufklappen »
Während sich für den Erstling noch Columbia Records gewinnen ließ, erscheint der Nachfolger beim Semi-Major Geffen Records. Was nicht bedeutet, dass es "Hadley St. Dreams" an Prominenz mangelt: Unter anderem steuerten Cee-Lo, eine Hälfte des Erfolgsduos Gnarls Barkley, die Neptunes und Thievery Corporation Tracks bei. Was übrigens nicht dem einflussreichen Vater der Knowles-Schwestern zuzuschreiben ist, der als Manager von Destiny's Child und Beyoncé mit einem Anruf vermutlich jeden namhaften Produzenten einspannen könnte, sondern - beteuert Solange - an ihrem eigenen, unerbittlichen Engagement.
"I'm not her and never will be", singt die kleine Schwester, die keine sein will, im elegischen Opener der Platte. Und behält Recht: Musikalisch geht "Sol-Angel and the Hadley St. Dreams" als elektronisches Update des Souls der Sechziger durch. Und gesanglich verquirlt Solange selbstbewusst die Oldie-Einflüsse mit moderner R&B-Ästhetik.
Ganz so zückersüß und unschuldig wie sich die Single "Sandcastle Disco" ins Ohr wurmt, ist der Rest der Platte nicht. Mit "I Decided - Pt. 1", zum Beispiel, liefern die Neptunes astreinen Elektroblues, vergoldet durch Solanges eingängiges Liebesgeständnis. Je weiter sich "Hadley St. Dreams" vom stilistischen Einzugsbereich der großen Schwester entfernt, desto besser wird das Album. Glanzmomente sind das herrlich atmosphärische "I Told You So" sowie die traumhaft schwerelose "Cosmic Journey", begleitet von Bilal.
Leider hält die Platte dieses Niveau nicht dauerhaft. Besonders zu Beginn plätschert "Sol-Angel and the Hadley St. Dreams" unsäglich seicht dahin. Der handwerklich makellose Weichspül-R&B ohne Profil trübt hier und da den Hörgenuss. Für die Riege der Weltstars reicht's wohl noch nicht, aber auf dem besten Weg ist Solange ganz bestimmt.