Gäbe es einen Grammy oder MTV Music Award in der Kategorie "Sympathischster Albumteaser bei Youtube" - Someone Still Loves You Boris Yeltsin hätten ihn längst gewonnen. "Let It Sway" kündigten die Amerikaner im Internet mit einem kleinen Filmchen an, das in Sachen Charme unschlagbar war: Ein nettes, leicht verwackeltes Jungmenschen-Tagebuch, in dem auch dauerkränkelnde Bandmitglieder und ein Auto fahrender Hund zu ihrem Recht kamen. Das passt gut zum Sound der Band aus Springfield, Missouri. Denn auch musikalisch ist Freundlichkeit das Maß aller Dinge. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
Natürlich sind Philip Dickey und seine Jungs immer noch keine Rockstars. Eher die Typen, die von finsteren Securities nicht auf ihre eigenen Konzerte gelassen werden, weil sie aussehen wie 17, obwohl sie vermutlich Mittzwanziger sind. Aber "Be Nice" ist ohnehin ein Credo der modernen Internet-Welt - und funktionierte auch im Indiepop schon häufig als Erfolgsrezept, etwa bei Belle & Sebastian und Nada Surf.
Das Problem, dass der Vierer immer hatte: Bei aller Freundlichkeit agierte er unter seinen eigenen Möglichkeiten, die Songs verloren sich zu oft in uninspiriert anmutendem Indiepop der Irgendwie-egal-Schule. Ein Problem, das nun gelöst wurde. "Let It Sway" entstand unter der Ägide von Chris Walla. Der Musiker (Death Cab For Cutie) und Produzent verpasste den Stücken der Band eine neue Knackigkeit, schob sie aber auch behutsam Richtung Vergangenheit. Da hört man also Powerpop und Indierock der Lemonheads-Schule raus, aber auch Britpop - etwa im herrlich krachigen "Banned (By The Man)", in dem Dickey einige Zeilen lang eine ziemlich perfekte Imitation von Charlatans-Frontmann Tim Burgess hinlegt.
Die andere Seite von SSLYBY: Das sind Stücke wie "Stuart Gets Lost Dans Le Metro", das nur scheinbar ziellos irrlichtert, Klavier und Gitarre weite Melodiebögen erlaubt, Bass und Schlagzeug aber nicht. Früher wäre die Band an so etwas gescheitert - dass sie es auf ihrem dritten Album mit Beiläufigkeit in das lautere Gesamtbild integrieren, spricht unbedingt für sie. Das mit dem Auto fahrenden Hund, der übrigens Loretta heißt, ebenfalls.