Das endgültige Ende der eigenen Adoleszenz erkennt man vornehmlich am Altern der anderen. Die Sportfreunde Stiller etwa. Vor 12, 13 Jahren ungestüme Indierocker aus München, sangen Textzeilen wie "Ungestüme Jugendliche müssen mal raus.". Open-Air-Heroen in Indierock-Shirts, die sich durch die Festivals der Region spielten und eher windschief darüber sangen, dass sie keine Lobby in ihrem Fußballverein hätten. Dann Ende der 90er-Jahre der Sprung in die Bundesliga und in die VW-Busse endorphinberauschter Abiturienten, schließlich mit "Ich Roque" und "'54, '74, '90, 2006" der Sprung an die Spitze, in den neuen deutschen Pop-Mainstream. Klar, dass da nicht immer alle mitgingen. Auch klar, dass bei fünf Alben manche Songs eher redundant erschienen. Trotzdem kann man den Sportfreunden Stiller mindestens zugutehalten, dass man über sie diskutieren kann. Ihr "MTV Unplugged in New York", das natürlich nicht in der amerikanischen Metropole, sondern nur in einer entsprechenden Kulisse der Münchener Bavaria Filmstudios aufgezeichnet wurde, ist da nur ein logischer Schritt. ~ Jochen Overbeck (teleschau) aufklappen »
It's Königsklasse, kann man schon so sagen. Immerhin dürfte wie bei jedem Anfangs- bis Mittdreißiger auch bei den Sportfreunden die Sendereihe des amerikanischen Musiksenders maßgeblich zur musikalischen Sozialisation beigetragen haben. Und immerhin ist es noch etwas Besonderes für eine deutsche Band, so ein Konzert aufzuzeichnen zu können. Und schließlich dürfte es gerade bei den bisweilen eher rustikal-brachialen Sportfreunde-Songs gar nicht so einfach sein, spannende Arrangements ohne Strom zu zaubern.
Knapp gesagt: Die Sportfreunde spielen sich stolze 26 Songs lang durch ein ebenso abwechslungsreiches wie beeindruckendes Set, das seine Kraft verblüffend oft aus lustig knurrigen Bläsersätzen, feierlichen Streichern und perkussiver Unterstützung holt. Das "Heimatlied", immer noch das beste Beispiel für Frontmann Peter Bruggers Texttalent, mag da ebenso als Beispiel dienen wie die geschickt angereihten Früh-Erfolge "Fast wie von selbst", "Fahrt ins Grüne" und "Wellenreiten '54". Wo wir bei den alten Erfolgen sind: Clever gemacht ist ohne Frage auch "Wunderbaren Jahren", was man anfangs gar nicht als Unplugged-Track identifiziert, weil irgendein Blasinstrument doch eher wie ein dezent angescratchter Plattenspieler klingt. Gegen Ende steigt ohnehin die Diversifizierung, was auch an den Special Guests liegt: Meret Becker ist neben einer singenden Säge relevantes Überraschungsmoment auf "(Tu nur das) was dein Herz dir sagt", bei der Subways-Coverversion "Rock'n'Roll Queen" spielen konsequenterweise die Subways mit, die so gleich auch noch ein bisschen Deutsch lernen konnten.
Und dann darf noch der große Mann des deutschen Schlager-Chansons ran: Udo Jürgens dazu zu bringen, mit einem "Ich war noch niemals in New York" zu singen, dürfte nicht so einfach sein. Und zeigt vor allem eines: nämlich die Präsenz der Band in einem kulturellen Mainstream jenseits der Rockdiskotheken, aber auch jenseits der "Bundesvision"- und Rock-am-Ring-Zielgruppe. Und das ist nicht hoch genug einzuschätzen.