Bei "Neon Beanbag" ist wieder alles da: der komplexe, treibende Beat, die warm ausströmenden Analogsynthies, ein wenig Gitarre und Laetitia Sadiers betörender Chansongesang. Die Erinnerung an eine Zeit, in der Easy Listening dasjenige war, das wie selbstverständlich klang und doch so schwer zu machen war. Mithin an eine Zeit, zu der Stereolab-Platten noch nicht das musikalische Pendant zu Ahoi-Brause-T-Shirts waren. Mit "Margerine Eclipse" (2004) zeigte sich das einst Pionierarbeit leistende Elektro-Pop-Ensemble um die Französin Sadier und den Engländer Tim Gane schon wieder hörbar auf dem Weg der Genesung - nach Jahren der selbstvergessenen Seifenblasenproduktion in Wolkenkuckucksheim. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
"Chemical Chords", das auf dem ehrwürdigen Pixies-Label 4AD erscheint, stimmt eingangs hoffnungsfroh, der Konsolidierungsprozess der Avantgarde-Veteranen könnte anhalten. Mancher wird sich erinnern: Stereolab ist mit "French Disco" eine der stilprägendsten und zugleich unwiderstehlichsten Singles der 90er-Jahre zu verdanken sowie das durch und durch meisterliche Album "Emperor Tomato Ketchup" (1996). Doch sowie der frühe, unperfekte Elan einer routinierten Klangmanier wich, war es um dem wundersamen Reiz der Band geschehen.
"Chemical Chords" pendelt nun irgendwo dazwischen: "Three Women" hält mit gefälligen Bläsern vage die Balance zwischen zuckrigem Vintage-Kitsch und jenem Mindestmaß an formaler Strenge und schroffer Kante, das man zuletzt so oft vermisste. Auch das Titelstück verströmt noch einen wohligen Hauch des genialischen "Cybele's Reverie". Doch mit zunehmender Dauer wandeln Stereolab ihr anfangs konzises Material zum Spielball ihrer erprobten, aber alleine nicht zielführenden Soundtüfteleien.
32 Stücke haben Stereolab zuletzt aufgenommen und die Hälfte davon auf das Album genommen - ein Drittel wäre womöglich die weisere Entscheidung gewesen. Mit der größtmöglichen Belanglosigkeit "Daisy Click Clack" verabschiedet sich die Band, die ihren Wohlklang einst mit linken Parolen konterkarierte, kurz vor Albumende Richtung Disneyland. "There are still things worth fighting for", sang Laetitia Sadier einst in "French Disco". So ganz vergessen hat sie das sicherlich nicht. Sie müsste nur wieder fester daran glauben.