"Ich merke, dass ich älter werde", erzählte neulich eine Freundin. "Ich mag plötzlich Sting!" Aber nicht nur die Freundin, auch der Ex-Police-Frontmann wird älter. Und so verpackt er sein Oeuvre diesmal in ein orchestrales Gewand, nennt es "Symphonicities" und betritt damit die Schwelle zur E-Musik und alterslosen Klassik. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Selbstverständlich darf man sich an dieser Stelle die Frage stellen, ob dieses Album wirklich nötig war. Nun, womöglich nicht. Alte Songs, neu vertont: Nicht das erste Mal, dass Sting ein solches Projekt anpackt. Aber bei Gordon Matthew Thomas Sumner hat man bereits länger den Eindruck, dass er seine Alben nicht mehr für die Gunst der Massen oder gar Geld produziert. Den Beweis bilden die beiden letzten Alben "Songs From The Labyrinth" mit Musik von John Dowland und die Kaminfeuer-Weihnachts-CD "If On A Winter's Night ..." mit irischem Instrumentarium.
Deshalb darf man davon ausgehen, dass Sting auch mit "Symphonicities" einfach seine eigenen musikalischen Gelüste befriedigte und den Hörer dabei Zaungast sein lässt. Und: Wer wünschte sich nicht, einmal mit dem grandiosen Royal Philharmonic Concert Orchestra zusammenzuarbeiten? Schließlich ist jenes schon seit Jahrzehnten dafür bekannt, keinerlei Scheuklappen zu tragen und offenen Herzens und Sinnes an Popmusik heranzugehen, ohne diese zu verschmalzen und verkitschen.
Sting selbst wollte die verborgenen Ecken und Facetten seiner Songs finden, wie er meinte, und er scheint fündig geworden zu sein. Nicht nur "End Of The Game" erscheint wie ein völlig neues Lied. Voller Kraft und Musical-Dramatik wirken die Titel oft wie Neukompositionen, bis Stings heiser-smoothe Vocals ins Spiel kommen. "Roxanne" reißt den Hörer kinoleinwandbreit mit, nutzt viele Holzbläser, die ein neues Thema nach Art einer Fuge kontrapunktieren, bevor Bongos, Streicher-Pizzicati und Stings sanfte Stimme das Stück eine Oktave tiefer angreifen als früher. "We Work The Black Seam" hingegen, fast nur mit den großen Blechbläsern intoniert, sorgt selbst bei 35 Grad Hitze für Gänsehaut. Und sogar an das groovende "She's Too Good For Me" wagt sich das Orchester heran, diesmal aber mit Gitarre im Gepäck - eine Wucht!
Tatsächlich schafft es Sting, seine Lieder mit vollem Symphonieorchester so klassisch und edel klingen zu lassen wie nie zuvor. Immer auf der Spur, dramatisch, mitreißend oder auch sparsam, stets exakt zwischen Klassik, Romantik, Soundtrack und sogar Barock. Aber nie nah am Kitsch. Nur ganz selten geht mit den Streichern mal der Gaul durch, wie am Ende von "When We Dance", Sting fängt aber auch diesen Ausbruch schnell wieder auf, lässt den Song mit einem souligen Gesangs-Solo enden. Tja, nicht nur Freundinnen werden alt. Doch wie alt muss man sein, um nicht nur Sting, sondern sogar Sting im symphonischen Gewand zu mögen? Uralt? Ganz jung? Sting-Freunde werden dieses Album lieben!
Sting auf Deutschland-Tournee
21.09., Berlin, O2 World
24.09., Köln, Lanxess Arena
19.10., Hamburg, O2 World
20.10., Frankfurt, Festhalle
23.10., Stuttgart, Schleyerhalle