Man schrieb das Jahr 1985: Menschen mit bretthart geföhnten Idiotenfrisuren und meterbreiten Schulterpolstern bevölkerten mit coolem Blick die Musikszene. Nur ein kleines Grüppchen wackerer Singer/Songwriter wehrte sich standhaft. Eine von ihnen: Suzanne Vega, die zuerst mit ihrem Debüt und dann mit dem Megahit "Luka" trotz des Themas (Kindesmisshandlung), der Abwesenheit von Haargel, Glamour, Synthies und Sex über Nacht zum Superstar wurde. "Close-Up Vol 1", eine akustische Neuinterpretation ihrer Lieder, schließt nahtlos an ihren Stärken von damals an. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Gleich vorweg: Der vollständige Albumtitel lautet "Close-Up Vol 1 - Love Songs". Der Hintergrund: Nachdem Vega dank dämlicher Verträge feststellte, dass die Bänder ihrer Song-Originalaufnahmen nicht mehr in ihrem Besitz waren, hat sie vor, ihre eigenen Lieder noch einmal akustisch aufzunehmen - sozusagen als persönlichen Katalog - gebündelt in vier CDs nach unterschiedlichen Themen. Zunächst also Liebe.
Eines der schönsten Liebeslieder aller Zeiten ist auch 2010 als Remake - rein subjektiv, ungerecht und parteiisch - unschlagbar: "Caramel", das so klingt, wie es heißt. Brauner Zucker schmilzt auf Bossa, ein Vanilleeis-Häubchen aus coolem Blues und die erdbeerduftige Jungmädchenstimme von Suzanne Vega harmonieren hier perfekt. Und klar: Es sind zwar bekannte Vega-Songs, die sie in akustischer Version wieder herausbringt, diese wirken aber in ihrem frischen Minikleid wie neu.
Es sind diese extrem leisen Töne, die Verletzlichkeit in den Texten und die traumwandlerische Schönheit, mit der Vega den Beschützerinstinkt weckt und das Rezensentenherz unweigerlich zur bedingungslosen Kapitulation zwingt. Glasklare Saitenklänge, minimalistische Instrumentierung mit oft nur einer Gitarre, sanfte Mehrstimmigkeit ("Small Blue Thing", "Songs In Red And Gray") und jene melancholisch-schwebende Stimmung, die zu Sommerabenden / Schneegestöber / Herbstlaub und taufrischen Nebelwiesen gleichermaßen passt, identifizieren Vega als fantastische Songwriterin.
So sparsam bleibt Frau Vega aber nicht durchgehend, hin und wieder setzt sie sich lautstärkemäßig besser durch wie etwa bei "(If You Where) In My Movie". Zudem bringt die Songwriterin astreinen Lagerfeuerfolk mit pfundweise Ricky-Lee-Jones-Nostalgie ("Gypsy"), lässige Nummern mit Zwinkerauge ("Stockings") oder neue Ideen früherer Hits, die wieder zu Radiolieblingen werden dürften ("Marlene On The Wall", "Headshots").
Alles in allem: Ein zauberhafter Silberling - auch für Besitzer der Originalsongs, die zwar auch damals nie überinstrumentiert waren, die hier aber intimer und zärtlicher wirken als je zuvor.