An sich eine gute Idee, dem Wort "Popzirkus" einmal eine ganz andere Dimension zu verleihen: Take That (ohne Robbie Williams) setzten bei ihrer "Circus"-Tournee auf artistische Finessen und optische Opulenz. Als Erinnerung an die aufwendige Produktion veröffentlichen sie nun eine DVD, die tatsächlich alle Sinne anspricht. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Gleich das wundervolle Intro, das an Fellinis "La Strada" samt dazugehöriger Musik erinnert und bei dem unzählige nostalgisch anmutende Zirkus- und Zauberkünstler auftreten, versöhnt den Zuschauer mit der Tatsache, dass Take That an sich kalter Kaffee sind. Nein, falsch. Kalter Kaffee waren, denn seit 2006 feiert das Quartett wieder große Erfolge, verkauft Tourneen innerhalb von 30 Minuten aus und erntet sogar Musikpreise. Und das alles ohne Robbie.
Dessen Ausstieg bot aber auch zu einem gewissen Grad die Chance, sich endgültig als erwachsene, dennoch spielfreudige Musiker zu etablieren. Gut, man glaubt sich bei "The Circus" fast in einer Fußball-WM-Eröffnung, einer Olympia-Gala oder einem gigantischen Cirque-du-Soleil-Spektakel wiederzufinden, denn bunt und extrem teuer wirkt das Drumherum der Show. Und ganz Popstars lassen die Herren Gary Barlow, Mark Owen, Howard Donald und Jason Orange ihr Publikum auch eine Weile zappeln, bevor sie die mittige Rundbühne betreten, auf der sie natürlich vorher schon unter den Artisten agierten. Ehrliche Umarmungen, eine von Anfang an mitreißende Gänsehautstimmung und ein gehöriges Maß an Musikalität, mit der früher einzig Gary Barlow aufwarten konnte - so überzeugt man selbst böswillige Kritiker.
Zwar können es Jason und Howard nicht immer lassen, die Einlagen der vielen blauweißen oder anders bunten Tänzer, Artisten und Aktionskünstler mit alten Boygroup-Pantomimen zu komplettieren, auch die Choreografien des Vierers sind - nun ja - affig. Andererseits aber überrascht Mark fast durchgehend als überzeugende Leadstimme mit Gary als Terzbruder.
Schnell wird auch wieder klar, was den Erfolg von Take That ausmacht: Die Musik ist fröhlich, bunt, positiv und will einfach zum Tanzen anregen. Oder zum Im-Radio-Auflegen. Natürlich leisteten sich die Jungs auch Zwischengimmicks wie Elefanten-Roboter-Bühnen, Kostümwechsel, hübsche Revuetänzerinnen, eine Raubtierkäfig-Bühne, Zirkusmusikanten und dazu eine komplette Band mit Bläsern. Aber bei aller Show, die Vier beweisen auch musikalische Klasse: Sie singen ganz offensichtlich live, spielen ein paar Instrumente samt sämtlicher Atemlosigkeiten und Unzulänglichkeiten selbst und verbreiten einfach gute Laune.
So ist "The Circus" sicher auch für Nicht-Fans sehenswert. Und jeder, der sich vor 15 Jahren bei Take-That-Konzerten die Seele aus dem Leib gekreischt hat, wird sich sowieso. Vielleicht auch darüber, nicht völlig falsch gelegen zu haben mit dem damaligen Musikgeschmack. Denn was das Quartett hier abliefert, ist ernsthaft. Und ziemlich gut.