Beim Montreux Jazz Festival waren sie früher oder später fast alle. Von Van Morrison über Curtis Mayfield bis zum Wu Tang Clan füllt der Katalog der DVD-Reihe "Live At Montreux" inzwischen eine ganze Flyerseite mit Künstlern, die dem Genre Jazz zumeist eher im weitesten Sinne verbunden waren. Dass nun ein Schweizer Konzert der Engländer Talk Talk aus dem Jahr 1986 in ebendieser, stets minimalistisch ausgestatteten Reihe erscheint, besitzt allerdings doch einige Aussagekraft. So dokumentiert der Mitschnitt einen Gig der Band zwischen den Alben "It's My Life" und "The Colour Of Spring" - mithin also am Scheideweg zwischen Synthie-Act und schrittweiser Weiterentwicklung zur Avantgarde-Sensation. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Dabei hatten Talk Talk bereits auf der Durchbruchsplatte "It's My Life" einige der vertracktesten und bewegendsten Popsongs der 80-er zu bieten - die Brian-Wilson-Replik "Does Caroline Know" etwa oder die bebende Utopie "Tomorrow Started". Im organischen Gewand einer präzise aufspielenden Backing-Band entfalteten sich die in Montreux ebenso mitreißend wie die Hit-Singles "Such A Shame", "Dum Dum Girl" oder "Life's What You Make It".
Vor grässlichenn Keith-Haring-Installationen im Bühnenhintergrund und inmitten noch viel schlimmerer Kleidermoden der Live-Band wirkt Sänger Mark Hollis bei all dem doch ein wenig entfremdet. Was durchaus zukunftsweisend für den weiteren Werdegang der immer obskurer agierenden Formation erscheint: Den Blick durch eine riesige ovale Sonnenbrille gen Boden gerichtet ringt sich der leidende Dandy Hollis noch einige Glanzlichter der 80er-Jahre ab, zuletzt den schier unfassbaren Schwanengesang "Renée". Dass sich der scheue Künstler drei erratische Avantgarde-Platten später musikalisch quasi in Luft auflösen würde, war da gleichwohl noch nicht abzusehen.