Ry Cooder gilt nicht nur als musikalisches Chamäleon, sondern - mit dem Buena Vista Social Club - auch als der erfolgreichste World-Music-Produzent der Welt. Diesmal hat er sich auf "San Patricio" gemeinsam mit den Chieftains und Topstars wie Linda Ronstadt die Zusammenführung von mexikanischer und irischer Musik vorgenommen. Ein Unterfangen, basierend auf einer historischen Begebenheit, das deutlich organischer klingt, als man sich das auf dem Papier vorstellen mag. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Es ist eine faszinierende Geschichte: Das namensgebende Bataillon San Patricio war eine historische Militäreinheit von Iren, die sich im amerikanisch-mexikanischen Krieg 1846-48 auf die Seite der Mexikaner schlugen. Zwar kämpften sie zuerst auf US-Seite, später aber eben mit den Mexikanern, die sie als katholische Brüder empfanden.
Natürlich waren die Chieftains, eine der langlebigsten und erfolgreichsten Folk-Bands Irlands, Feuer und Flame für die Idee, diese beiden Kulturen nach 160 Jahre wieder zusammenzuführen. Gemeinsam mit Cooder konnten Chieftain-Chief Paddy Moloney Volksmusik- und Mariachi-Koryphäen wie Moya Brennan, Los Folkloristas, Lila Downs, Carlos Núñez und auch die große Linda Ronstadt gewinnen, auch Schauspieler Liam Neeson wollte dabei sein, er spricht den Text auf "March To Battle (Across The Rio Grande)".
Alle kamen, um die schwierige Gratwanderung, die Vermählung von irischer, überschäumender Lebenslust und mexikanischer melancholischer Todessehnsucht zu vollbringen. Da tanzt der Iguana zum Dudelsack, perlt die Vihuela zu irischen Flöten, weint die Gaita des galizischen Folk-Musikers Núñez dazu. Kurzum: Traditionelle Lieder des irischen und mexikanischen Kulturkreises begegnen sich auf Augenhöhe, Son Jarocho umarmt den Reel, Danzón küsst Slip Jig.
Dahinter steckt große Musikalität, aber auch eine Haltung: Cooder, ein großartiger Planer und Visionär im Bereich Musikethnologie, sieht Musik eben noch als rein persönlichen Ausdruck - im Gegenzug zur sonst vorherrschenden Kultur(losigkeit), des Missbrauchs von Musik als Selbstvermarktungszweck. "Das Schlimmste, was man einem traditionellen Musiker antun kann, ist, ihm Geld und Ruhm in Aussicht zu stellen", so Cooder. "Denn dann wird der Musiker wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass er andere Musik spielen muss als bisher, um reich zu werden. Als rauskam, dass mit Popmusik jede Menge Geld verdient werden kann, hat das viele Musiker dazu gebracht, anders über Musik nachzudenken und andere Musik zu machen als bisher. Manche nennen diese beiden Zustände Pre-Media und Post-Media."
Auf "San Patricio" findet sich der Hörer trotz der unzähligen E-Mails und Jets, die zwischen den Musikern hin- und hersausten, eindeutig in der "Pre-Media"-Ära. Analog, traditionell, sehnsuchtsvoll, voller Mut, Verzweiflung, Verrat, Todesangst und -sehnsucht, Lebenslust und Kampfgeist: Den Forschern ist ein wunderschönes Album gelungen!