Wie immer ist auch hier fast alles eine Frage des Timings und des Kontexts. Als 2002 The Walkmen mit ihrem Debüt in der allgegenwärtigen Garage-Revival-Welle mitschwammen, wurden die durchaus einschlägigen Wurzeln der Band nur zu leicht übergangen. So war ein Teil der vermeintlichen Newcomer bei den aufgelösten Jonathan Fire Eaters bereits für einen flüchtigen Moment als Zukunft des Indie-Rock gehandelt worden. Immerhin: Vor dem Hintergrund der oft beklagten Gleichförmigkeit des immer noch dominanten Retro-Genres haben die Walkmen einen völlig unverwechselbaren, am ehesten noch mit den atmosphärischen Stilübungen von Interpol verwandten Sound entwickelt. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Den variieren die New Yorker über nunmehr fünf Alben allenfalls in Nuancen. Auch bei "You And I" ist auf den ersten Blick alles beim Alten. Langeweile oder Abnutzungserscheinungen hört man erstaunlicherweise dennoch nicht. Was vor allem daran liegen mag, dass die Band ihre scheppernden Klangmauern mit einer dem Genre eher fremden Hingabe und Leidenschaft stützt.
Dem Pathos eines Roy Orbison und dem Überschwang der Ronettes nicht unähnlich sind die Walkmen gewissermaßen die Spectorianer unter den Neo-Postpunk-Bands. So verbirgt sich hinter turmhohen Gitarrenwänden, schwungvoller Orgel-Grandezza und unterkühltem Wave-Schick im Kern ein unverhohlener Romantizismus. Dies wird nirgendwo deutlicher als in der von Sehnsucht zerrissenen Schmachtballade "Red Moon", die mit feierlichen Bläsern schon fast in die nähere Umgebung der Western-Dramen von Lucky Jim stößt.
Doch auch aus so grandiosen Noise-Gewittern wie "In The New Year" und "The Blue Route" bricht sich ein Temperament Bahn, das trotz aller vordergründigen Einförmigkeit eine ganz erstaunliche Spannung erzeugt. "Dónde está la Playa" fragen die Walkmen gleich zu Beginn in blendendem Touristenspanisch. Doch das ist natürlich eine falsche Fährte. In den zerklüfteten Soundbrocken der New Yorker verbirgt sich kein sonniger Sandstrand. Allenfalls eine diffuse Sehnsucht danach.