Gary Lightbody ist kein Rockstar. Trotz Auftritten im Vorprogramm von U2, mehrfachen Platinauszeichnungen in Großbritannien für die letzten Alben seiner Band Snow Patrol, Riesen(-Radio-)Hits und TV-Serien-Airplay mit den Singles "Run" und "Chasing Cars": Wer den Frontmann der Schotten auf der großen Stadionbühne sieht, kann sich eines leicht ungelenken Eindrucks nicht erwehren. Dass Lightbody eher gezwungenermaßen den Rockstar gibt, diesen Schluss lässt auch sein neues All-Star-Projekt Tired Pony zu, bei dem Lightbody nach eigener Aussage seiner Liebe zu Alternative-Country à la Wilco, Lambchop und Calexico frönt. Und einzig vielleicht das Line-up, deren prominentestes Mitglied R.E.M.-Gitarrist Peter Buck ist, zeigt, in welcher Liga Snow Patrol mittlerweile spielen. ~ Stefan Weber (teleschau) aufklappen »
Denn Lightbody und seine Mitstreiter - neben Buck unter anderem auch R.E.M.-Tourgitarrist Scott McCaughey, Produzent Jacknife Lee (U2, Bloc Party) und Belle-And-Sebastian-Schlagzeuger Richard Colburn - agieren auf "The Place We Ran From" betont zurückhaltend. Keine großen Gesten, keine ganz großen Melodiebögen, keine Emotionen, die drohen, in hohles Stadionrock-Pathos umzukippen. Stattdessen gibt's intime Songs, die in Folk und Country wurzeln, aber mit größtmöglicher Liebe zu detailreicher Instrumentierung sorgsam ausgearbeitet werden.
Trotz einer bis zu 15-köpfigen Besetzung (inklusive Background-Chor) und einer wahren Armada an Klangerzeugern (Pedal-Steel-Gitarre, Melodica, Vibraphon, verschiedene Orgeln und gar singende Säge und Schreibmaschine): Lightbodys leidenschaftliches Songwriting bleibt bei Tired Pony gut erkennbar. Am ohrenfälligsten wird dies bei "Get On The Road", das sich von der akustischen Miniatur zur elektrisch verstärkten Hymne aufbaut, und bei der der Sänger mit US-Schauspielerin und She-And-Him-Musikerin Zooey Deschanel duettiert. Lightbody tritt aber auch im rechten Moment zur Seite: Beim anheimelnden, langsam vor sich hintuckernden Banjo-Folk von "I Am A Landslide" singt Songwriter-Kollege Iain Archer. Editors-Sänger Tom Smith verleiht hingegen dem kargen Düster-Country von "The Good Book" eine wunderbar sonor-wehklagende Note.
Angenehm unauffällig sind im Übrigen auch Peter Bucks Beiträge: Klar, er spielt Gitarre, gar die Melodie führende Mandoline (wie einst bei "Losing My Religion"), in Lightbody findet der unprätentiöse R.E.M.-Mann aber den perfekten musikalischen Partner. Denn über dem (ungewollten) Rockstar-Dasein, das zeigt "The Place We Ran From", vergessen beide glücklicherweise nicht, was wirklich zählt. Nämlich immer weiter Musik zu machen, die zählt.