Wer hat heutzutage noch den Nerv und das Know-how, eine Bigband zu führen? In Zeiten, in denen sich schon egomane Rocktrios auf keinen Probentermin, ach, noch nicht einmal auf einen Bandnamen einigen können. Tom Gaebel schafft das. Der gescheite, talentierte und studierte Sänger, Komponist und Bigband-Leader bringt nun gemeinsam mit seiner Großkapelle "Don't Wanna Dance" heraus - bereits sein drittes wunderbares Album. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Gaebel erspielte sich am Anfang seiner Karriere eine riesige Fangemeinde, indem er mit Frank-Sinatra-Liedern den Robbie Williams mimte. Die Sinatra-Schublade verfolgt ihn aber heutzutage, wo er seine eigenen Songs schreibt, immer noch. Zwar steckt er immer wieder ältere und modernere Songs in elegante Crooner-Cocktailanzüge, aber das Hauptaugenmerk sollte darauf ruhen, dass Gaebel Lieder komponiert, die sich als Realbook-Klassiker des neuen Jahrtausends etablieren könnten. "Crazy" vom neuen Album ist so ein Song.
Natürlich ist der Mann nicht immer gleich stark. Auf "Don't Wanna Dance" möchte er in einigen Liedern an Motown-Zeiten erinnern, an mühelose Melodien und fulminante Arrangements. Folgerichtig klingt die Eigenkomposition "So Easy" erstaunlich nach Sixties, das ebenfalls aus der eigenen Feder geflossene "Almost There" schwer nach einer Kreuzung zwischen langsamen Supremes und Gibb-Brüdern, "Cruisin'" wie Bill Withers oder "Floating Away" und "Up And Alive" nach 70er-Radioschnulzen oder wie Smokey Robinson nach einer Weißwäsche. Zwar arbeitete Gaebel sorgfältig, aber diese Beispiele sind eindeutig die schwächeren Songs des Albums. So richtig stark hingegen ist das oben erwähnte, mitreißende "Crazy". Er singt über das Gefühl verrückt zu werden: "Ich meine, jeder kennt das Gefühl, wenn man nackt auf die Straße rennen möchte und dabei 'Ich wollt ich wär' ein Huhn' singt", meint Gaebel in seinen überaus lustigen Blogeinträgen auf seiner Myspace-Seite. Auch Gaebels Sinatra-eske Lieder wie "People Are People" oder "Easy Life" sind fantastisch, ebenso das schleichende, an "Fever" und "Pink Panther"-Zeiten erinnernde "Fool For Your Love".
Und natürlich glänzt Gaebel auch wieder mit originellen Covertracks: Mit dem ultrafett arrangierten "Am I The Same Guy" von Eugene Booker Record (Gründer der Chi-Lites), das auch noch mit weiblichen Stimmen verdickt wurde, mit "Satisfaction" der Rolling Stones als lässigen Jive und mit "My Baby Just Care For Me" im rasanten Cha-Cha-Cha-Rhythmus. Dass die Produzentenwahl auf den Jazz- und Salsa-versierten Fanta-4-Keyboarder und Joy Denalane- / Freundeskreis-Produzenten Lillo Scrimali fiel, ist ein Glücksfall! Scrimali pustet dem nostalgischen Sound auch noch den letzten Staub des Moderns aus den Ritzen.