Früher, als man noch ungestraft über deutschen Indie-Pop im eitlen, halb garen Studentenduktus schreiben konnte, hätte man vermutlich von einem Paradigmenwechsel gesprochen. Denn wo die herrlich verkopften Bands der klassischen Hamburger Schule die Abgrenzung, den Widerstand und die Differenz lehrten, regiert in der zweiten Generation, vor allem im Kosmos des Labels Grand Hotel Van Cleef, die große Verbrüderungsgeste. Während Kettcar den Schulterschluss üben und Gemeinschaftssinn spenden, hält Labelkollege Thees Uhlmann mit Tomte gewissermaßen die Schulter zum Ausweinen hin. Dass er jetzt "Heureka" schreit, lässt auf veränderte Ein- oder Ansichten kaum schließen. Thees Uhlmann bleibt der melancholische Kumpeltyp des deutschen Pop und Tomte sein Vehikel. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Seit Wundergitarrist Dennis Becker zur Band hinzugestoßen ist, zählen Tomte mancherorts auch musikalisch etwas. Die Johnny-Marr-Vergleiche waren zwar schon beim 2003er-Album "Hinter all diesen Fenstern" überhöht. Doch in den freundlichen Heimatgrüßen "Wie siehts aus in Hamburg" oder der stillen Schwermut "& ich wander" entfaltet die Band wieder einen wohligen, ausgewogenen Jangle, der die Songs erfolgreich trägt.
Indes, immer da, wo der leidliche Dichter sich und seine Nabelschau in den Vordergrund rückt, stehen Tomte auf dünnem Eis. Im pathetischen Titeltrack hantiert Uhlmann unbeholfen mit Existenzphilosophie und wirren Smiths-Versatzstücken. "Ich habe Angst vor dem Tod / Und ich fühl' mich wie ein Monolith / Ich werde immer noch für dich sterben / Aber bitte nehm' mich mit", schwadroniert er seltsam unterwürfig an einen nicht näher bestimmbaren Adressaten.
In "Wie ein Planet" und dem musikalisch allerdings reizvollen "Der letzte große Wal" verhebt sich Uhlmann an seinen unhandlichen Metaphern. Darüber hinaus geht es viel um Freundschaft, Loyalität, Beziehungskram und die magischen Kräfte der ganz besonderen Nacht, ehe es zum Ende hin richtig ärgerlich wird. "Nichts ist so schön auf der Welt, wie betrunken traurige Musik zu hören", nölt der traurige Onkel Thees selbstgefällig, um schließlich hymnische Emo-Gitarren über zähe Minuten hinweg losbrechen zu lassen. Das ist dann im Kern nichts als eine wenig originelle, über die Maßen wehleidige Indie-Folklore für sensible Seelen. Vielleicht aber auch nur der ungefilterte, ehrliche Expressionismus eines schlichten Gemüts.