Wo sich andere Bands für ein Live-Album viel Zeit lassen, fackeln die Synthie-Rocker Unheilig nicht lange: Nach "Gastspiel" (2005) und "Goldene Zeiten" (2006) gibt's nun mit der Doppel-CD "Puppenspiel Live - Vorhang auf!" bereits den dritten Mitschnitt auf einem Silberling. Diese Veröffentlichungsdichte könnten Kritiker als kalkuliertes Konsumangebot für einen stetig wachsenden Fankreis anprangern: Jedes Live-Album verkürzt die Zeit auf neues Material und wirft zusätzlich Geld ab. Objektiv betrachtet beweisen diese Veröffentlichungen jedoch aber auch, dass Unheilig einfach eine starke Live-Präsenz besitzen. ~ Daniel Dreßler (teleschau) aufklappen »
Unter der Vielzahl der Bands, die sich im Zuge der Neuen Deutschen Härte formierten, konnten Unheilig schon 1999 mit ihrer ersten Single "Sage ja!" in der schwarzen Szene Fuß fassen. Das lag auch daran, dass zu Beginn neben Sänger "Der Graf" auch der Australier Grant Stevens am musikalischen Antlitz feilte. Eine kuriose Besetzung: Stevens ist seines Zeichens viel beschäftigter Komponist, der sich eigentlich mit TV-Werbespots und Arbeiten für Jürgen Marcus, Percy Sledge und Peter Hofmann seine Sporen verdiente. Der ganz große Erfolg kam aber erst, als das Stevens Unheilig verließ und "Der Graf" das Projekt alleine weiterführte. Das zuletzt veröffentlichte Album "Puppenspiel" schaffte es sogar bis auf Platz 13 in die Charts.
Von extrem elektronischen Stampfern über martialische Rocksongs bis hin zu gefühlvollen Balladen reicht die Palette. Und auch wenn die Musik sehr szeneaffin ist, die Texte sind es nicht. Davon zeugt beispielsweise "An Deiner Seite", das der Graf für einen Freund schrieb, der an einer unheilbaren Krankheit litt. Ohne falsches Pathos und mit einem guten Gefühl für die Möglichkeiten, die der deutschen Sprache innewohnen, kreierte der Musiker eine zu Herzen gehende Ballade. Sie ist nur eine der vielen Höhepunkte auf "Puppenspiel Live - Vorhang auf!", das auch als DVD erscheinen wird. Sowohl diese als auch die Doppel-CD belegen, dass "Der Graf" nicht nur im Studio, sondern auch auf der Bühne stimmlich überzeugen kann. Ein Umstand, der besonders in diesem Genre nicht alltäglich ist: Viele Gothic-Bands kommen über den Nimbus einer soliden Studio-Combo nicht hinaus. Dementsprechend groß ist oft die Enttäuschung, solche Gruppen on stage zu beobachten. Unheilig sind in dieser Beziehung eine erfrischende Ausnahme.