Ein vergnügter Van Morrison ist keine Selbstverständlichkeit - schon gar nicht auf der Bühne, über die er gewöhnlicherweise herrscht wie ein einst Louis XVI über Frankreich. Allein und absolut - ein Sonnenkönig. Aber wer will's ihm verdenken bei seiner göttlichen, bei seiner gesegneten Stimme, die - für ein paar Stunden zumindest - zum Wegweiser in eine andere Ebene der Existenz wird. Widerstand zwecklos. Live-Shows des in Belfast geborenen Iren sind immer ein Trip ins Sinnliche. "We have transcended" proklamiert seine Majestät am Ende des ersten Songs eines unbeschreiblichen Live-Konzerts, das er im Herbst 2008 in Los Angeles gab. "Astral Weeks Live At The Hollywood Bowl" führte er dort vor einem trotz allen Enthusiasmus ehrfürchtigen Publikum auf, ziemlich genau 40 Jahre, nachdem Van Morrison, der herrliche Dickkopf, die (Musik-)Welt mit einem komplexen Album überraschte, das einige Zeit brauchte, bis seine Genialität akzeptiert wurde. ~ Andreas Fischer (teleschau) aufklappen »
"Astral Weeks" blieb bei seiner Veröffentlichung 1968 unverstanden - Kritiker rätselten, Fans hielten sich beim Kauf zurück. Ein Jahr zuvor hatte der ehemalige Them-Frontmann mit seinem äußerst erfolgreichen Solo-Debüt ("Van Morrison") noch für allgemeine Verzückung gesorgt. Inzwischen gilt Kritikern das Album als eine der besten Platten aller Zeiten. In der Tat, "Astral Weeks" hat alles, was einen Meilenstein ausmacht. Van Morrison ging, damals 23-jährig, neue Wege, er experimentierte mit Songstrukturen und scherte sich nicht um gängige Konventionen, und ja, er transzendierte: Jazz, Pop, Folk und sein ganz eigener Soul erreichten eine neue Ebene, die schon lange nicht mehr als verstörend empfunden wird.
Zwei Tage dauerten 1968 die Aufnahmesessions, viele der damaligen Musiker aus der New Yorker Jazz-Szene standen 2008 wieder mit ihm auf der Bühne. Und Van Morrison genoss es hörbar - er war vergnüglich an diesen beiden Novembertagen in Hollywood. Klar, er gibt auch hier den Ton an, dem alle anderen gefälligst zu folgen haben. Die Musiker sowieso, aber eben auch die Zuschauer und jetzt -hörer. Aber man sollte sich drauf einlassen, nicht nur weil Van Morrison Improvisationen erlaubt. Die beginnen damit, dass die acht Songs des Studioalbums in modifizierter Reihenfolge dargeboten werden - vom Opener "Astral Weeks/I Believe I Have Transcended" bis "Madame George", mit dem Albumhit " The Way Young Lovers Do" als Mittelpunkt.
Mit opulenter Instrumentierung lässt Van Morrison - scheinbar - die Zügel locker, erlaubt sich und seiner Band eine ausgelassene Entdeckungsreise. Das ist nicht ganz ohne Risiko, aber ist es genau diese Unbekümmertheit, die "Astral Weeks Live At The Hollywood Bowl" zu einem bemerkenswerten Meisterwerk machen: Die alten Songs bleiben frisch und lebendig. Natürlich steckt dahinter dann doch etwas Kalkül, denn, bei allem Staunen, über allem steht "The Voice", die Stimme, die Van Morrison nach Belieben einsetzt. Eine Stimme, die im Laufe der Jahre reifer geworden ist und dabei auf wundersame Weise kein Jota ihres jugendlichen Esprits verloren hat. Sie ist der Ankerpunkt, hierher kommt jeder zurück. Weil es unmöglich ist, sich ihr zu entziehen. Van Morrison weiß das und gönnt dem Publikum am Ende der Show noch zwei Bonusstücke inklusive dem von Herzen kommenden, dem vergnügten Lächeln, das auch das Albumcover ziert. Und das wirkt dann doch ganz selbstverständlich.