An "Absolutely Everybody" (2000) kann sich wohl tatsächlich noch absolut jeder erinnern. Denn obwohl Vanessa Amorosi danach hierzulande noch ein paar erfolgreiche Singles veröffentlichte, überstrahlen Goldstatus und Radiotauglichkeit des penetrant gut gelaunten Songs alles, was darauf folgte. Amorosi ging auf Tauchstation, ihre nächsten Alben erschienen nur noch im Heimatland Australien. Jetzt meldet sich die mittlerweile 28-Jährige zurück. Ihr Album allerdings ist mit "Hazardous" nicht ganz richtig betitelt: Allzu große Risiken geht die Sängerin mit der charmant knarzigen Stimme nicht ein. Denn erst einmal steht Selbstbefreiung auf dem Plan. ~ Sabine Metzger (teleschau) aufklappen »
Zu Beginn ihrer Karriere wurde der unerfahrene Teenager Amorosi von Mark Holden unter die Fittiche genommen - sozusagen dem australischen Dieter Bohlen. Der Produzent und "Australian Idol"-Juror brachte ihr den gewünschten Erfolg, verfälschte aber auch ihre Musik: Die ziemlich düstere Textzeile "Everyone you see, everyone you know is gonna die" etwa machte er kurzerhand zu "Everyone you see, everyone you know is gonna shine". Immerhin wurde "Shine" auch in Deutschland ein Charterfolg. Trotzdem trennte sich die Sängerin mittlerweile von Holden - sie hat an allen Songs auf "Hazardous" zumindest mitgeschrieben.
Und, klar, als Opener muss jetzt erst einmal die Selbstbefreiungshymne her: "This Is Who I Am" klingt ziemlich nach Kelly Clarkson, also nicht wirklich neu. Immerhin wird der Song mit einem witzigen Gitarrenriff immer wieder aufgelockert, und Amorosis Stimme kann selbst in dem ziemlich dicht produzierten Song ohne Probleme glänzen.
Überhaupt sind ihre strapazierfähigen Stimmbänder ihr größter Vorteil. Beim lüsternen "Off On My Kiss" etwa bewegt sich nicht nur der Text unter der Gürtellinie, auch Amorosis Stimme begibt sich in erstaunliche Tiefen; in "Sleep With That" scheint sie dem Hörer fast echten Zorn entgegenzuschleudern.
Mit ihrer Performance verleiht Amorosi selbst Standardkompositionen oft noch zusätzliche Qualität - für den Großteil der hier versammelten Songs ist das leider auch bitter nötig. Die meisten Stücke bewegen sich im sicheren Bereich der Radiotauglichkeit zwischen Katy Perry und der bereits erwähnten Kelly Clarkson. Nur gelegentlich blitzt einmal ein wenig schräger Charme durch: etwa die mutig verschrobenen Lyrics in "Aliens and U.F.O.s" oder die Idee, "Baby's On Ice", einen Song über die Drogenabhängigkeit eines Freundes ("Ice" steht dabei für Crystal Meth), mit einem kleinen "Ice, Ice, Baby" aufzulockern.
Ob Vanessa Amorosi mit "Hazardous" das Etikett "One Hit Wonder" tatsächlich abschütteln kann, ist nicht sicher. Zu wünschen wäre es der sympathischen Sängerin. Zu wünschen wäre es aber auch, dass sie beim nächsten Album, so es denn erscheinen sollte, ein paar mehr Wagnisse eingeht. Leisten könnte sie es sich bestimmt.