Eigentlich sollte der Rezensent künstlerische Produkte, unabhängig vom Potenzial und der Person des Erschaffers, gut oder schlecht finden. Bei Yoko Ono kommt man aber um zwei, die Kritik beeinflussende Faktoren nicht herum: Zum einen, dass die Witwe von Beatle John Lennon bereits 76 Jahre alt ist, ihr neues Album "Between My Head And The Sky" aber wahnsinnig modern klingt. Und dann natürlich die Tatsache, dass die Künstlerin eben Yoko Ono heißt. ~ Kati Hofacker (teleschau) aufklappen »
Denn klar ist: Sie war nie besonders beliebt, vor allem nicht bei Beatles-Fans. Die böse böse Ehefrau von John Lennon soll sich an seinem Ruhm entlang gehangelt haben, die Beatles auseinander gebracht haben, angebliche Aktionen für den Weltfrieden nur für die eigene Prominenz missbraucht haben, so oder so ähnlich behaupten es viele. Andererseits ist festzuhalten: Sie war eine bekannte Künstlerin der Fluxus-Bewegung, lange bevor sie Lennon heiratete. Sie hatte es nicht leicht, vor allem seit ihre Tochter Kyoko 1971 vom Kindsvater Anthony Cox entführt wurde - und erst 1998 wieder auftauchte. Nach der Ermordung ihres Ehemanns wurde sie zur jungen Witwe, und das auch noch mit einem fünfjährigen Sohn, Sean Lennon.
Wahrscheinlich ist dieser Widerstreit in der Wahrnehmung Onos nicht aufzulösen. Musikalischer Fakt allerdings ist, dass Ono immer wieder Alben produzierte, die irgendwo zwischen kunstfertiger Attitüde und Kakofonie, Egotrip und Eso-Klängen, Rock und Avantgarde oszillierten. So auch das vorliegende, "Between My Head And The Sky". Gemeinsam mit Sohn Sean als Produzent ging sie mit japanischen Avantgarde-Pop-Musikern und New Yorker Session-Koryphäen ins Studio, um ihre Ideen einzuspielen. Sie schrieb eine Flut von Liedern, trotzdem wirkt das Ergebnis stark improvisiert, fließend, frei assoziiert.
Da gibt es Songs, die die Doors nicht schöner spielen könnten ("Calling", "Between My Head And The Sky"), immer wieder krasse Rock-Gitarren-Bretter, viele elektronischen Elemente aus der Nostalgie-Synthie-Welle ("The Sun Is Down"), Jazz-Reminiszenzen ("Memory Of Footsteps"), und regelrecht idyllisch-lyrische Balladen ("Healing", "Feel The Sand", "I'm Going Away Smiling" mit traumhaftem Cello). Diese werden eigentlich nur noch durch Yokos abgehackte, exaltierte Sprech-Lyrik mit dem herben Akzent oder das eine oder andere elektronische Störgeräusch vom Kitsch ferngehalten.
Dann wieder singt Ono seltsame Mischungen aus Ska, Japanpop und Krach ("Hashire, Hashire", "Waitung For The D Train"). Singt? Nun ja: Ono meckert und keckert, brüllt, deklamiert, erzählt, radebrecht und gurgelt, krächzt, stöhnt und schreit. Trotzdem sind gerade ihre sanften Tracks dank der verrückten Einfälle, die sie immer wieder einfügt, richtig gut gelungen. Zudem scheint Ono tief von dem überzeugt zu sein, was sie macht. Und diese Ernsthaftigkeit und bemerkenswerte Energie sollte man zumindest respektieren. Egal, wie man zu ihr als Person steht.