"Keiner fühlt sich in einer Zwangsjacke wohl"
Alice Cooper veröffentlicht eine Live-DVD und geht auf Deutschlandtournee
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"Keiner fühlt sich in einer Zwangsjacke wohl"
Alice Cooper veröffentlicht eine Live-DVD und geht auf Deutschlandtournee
11.11.2010 Rau ist die Stimme schon, die durchs Telefon hallt. Eine raue, aber sehr freundliche Stimme, der man die Vergangenheit nicht anhört. Auch auf Alice Cooper scheint das Rockstar-Phänomen zuzutreffen: Je älter sie werden, desto fitter fühlen sich die unverwüstlichen Haudegen. An die Rente denkt der 62-Jährige, eigentlich unendlich brave Familienvater aus Phoenix von daher noch nicht. Er freut sich tatsächlich darauf, während seiner anstehenden Deutschland-Tournee Weihnachtsgeschenke für seine Lieben einzukaufen. Wir hätten so schöne Märkte im Freien, sagt der Profigolfer, der auch nebenbei zwei Restaurants betreibt. Sollte Ihnen am Glühweinstand oder beim Elektromarkt also ein schwarzhaariger Herr bekannt vorkommen, vertrauen Sie ihrem Instinkt. Höchstwahrscheinlich ist es Alice Cooper beim Weihnachtseinkauf.
Lüften Sie mal ein Geheimnis: Fühlen Sie sich in einer Zwangsjacke gut?
Alice Cooper: Auch wenn ich das Ding seit 40 Jahren auf der Bühne trage, würde ich sie nicht vermissen. Keiner fühlt sich in einer Zwangsjacke wohl. Aber ich weiß immerhin, wie ich rauskomme, egal, wie fest sie sie zurren. Beim Anziehen sage ich den Jungs jedes Mal: "Schnürt sie ganz eng." Aber egal, wie sehr sie sich bemühen, ich komme raus. Es ist unmöglich, auf sie zu verzichten, sie passt zu Songs über einen Verrückten einfach perfekt. Das gehört dazu.
Wie auch das Make-up?
Cooper: Wenn ich die Schminke auftrage, stülpe ich mir ein anderes Gesicht über, hinter dem ich mich verstecken kann. Das Lustige ist, dass der fiktive Charakter Alice Cooper und ich nichts gemeinsam haben. Er ist ein arroganter Fiesling und ich bin komplett anders, seit 35 Jahren verheiratet, liebe meine drei Kinder und gehe jeden Sonntag in die Kirche. Wir haben nichts gemeinsam.
Aber wie passen diese zwei Leben über so lange Zeit zusammen?
Cooper: Alice Cooper ist eben ein wenig so wie Batman. Er ist ein Charakter, den ich mit viel Spaß spiele. Wenn du eine religiöse und belesene Frau bist, kannst du ja trotzdem eine richtig hirnlose Prostituierte spielen, die nichts mit dir zu tun hat.
Der Vergleich hätte auch von Alice stammen können. Waren Sie denn 1970, als Sie Ihr Alter Ego erfunden haben, ein junger Mann mit düsteren Gedanken und morbidem Geschmack?
Cooper: Nein. Die Nische war unbesetzt, deshalb. Es gab nur Rock'n'Roll-Helden wie die Stones oder die Beach Boys. David Bowie war der Styler, Paul McCartney war ... anders. Aber wenn man so viele Peter Pans hat, braucht man auch einen Captain Hook. Ich habe das Gemeine vermisst, den Dracula des Rock'n'Roll, und beschlossen, dass ich den mache. Bis heute spiele ich ihn gern, denn ich wollte immer lieber der Bösewicht als der Held sein. Sollte ich mal in einer Star-Wars-Inszenierung mitwirken, möchte ich die Rolle des Darth Vader.
Aber auch heute sehen Sie sich schon als Schauspieler, oder?
Cooper: Ja, ich bin Schauspieler, weil ich den Text der Songs zum Leben erwecken will. Die Rolle des Alice hat einen großen Platz eingenommen im Laufe der Jahre. Wobei ich finde, dass Horror und Humor zusammengehören. Jeder, der was Furcht Erregendes auf einer Bühne veranstaltet, sollte die amüsante Seite nicht vergessen. Die meisten Horrorfilme, die ich gesehen habe, sind eigentlich Komödien. Das merkt man auch bei einer Alice-Cooper-Show.
Sie werben für einen Elektromarkt. Ist das eine Schauspielübung oder wollten Sie damit Ihren Bekanntheitsgrad steigern?
Cooper: Ach, ich fand das eine lustige Idee mit der Bar im Weltraum und den Aliens. Das ist doch komisch! Ich stehe hinter meiner Theke und weiß nicht, wer reinkommt und was passiert. Wir drehten 15 verschiedene Clips, und ich sprach immer alles zunächst auf Englisch. Dann kam mein Deutsch-Coach, brachte mir die Worte bei und wir nahmen den Spot ein zweites Mal auf.
Ist eigentlich Ihre Tochter im November dabei, wenn Sie in Deutschland touren?
Cooper: Nein, nicht mehr. Calico, meine Älteste, stand zwölf Jahre lang mit mir auf der Bühne. Mittlerweile ist sie 28, hat fünf oder sechs Filme gedreht und verfolgt, völlig logisch, ihre eigene Karriere. Aber ihre beste Freundin Tiffany hat die sieben zu besetzenden Parts der Show übernommen.
Trotzdem ist es cool, dass Ihre Tochter Lust hatte, zusammen mit Ihrem Vater aufzutreten.
Cooper: Auf jeden Fall. Sie spielt meinen Erzfeind, quält als bösartige Krankenschwester Alice Cooper. Wir mussten uns immer so zusammenreißen, nicht zu lachen. Das war für uns oft schwierig, ernst zu bleiben. Zeitweise hatte ich zusätzlich meine jüngere Tochter und meine Frau mit dabei auf Tour, sie sind ja alle Schauspielerinnen, Performer und können tanzen. Das war toll mit meinen drei Mädchen, eine richtige Showbiz-Familie.
Dann müssen Sie die nächsten Wochen also alleine durchstehen ...
Cooper: Nach den Deutschland-Gigs ist sie ja vorbei, die Tour.
Sind Sie darüber froh?
Cooper: Naja, wenn man sechs Monate auf Tour ist ... Aber ich freue mich auf die Weihnachtseinkäufe in Deutschland. Ich werde für meine Frau und meine drei Kinder Geschenke kaufen, das mache ich wirklich gerne bei Euch. Außerdem mag ich die Weihnachtsmärkte im Freien.
Haben Sie schon mal überlegt, ob das Ihre letzte Tour durch Europa sein könnte?
Cooper: Keinesfalls. Niemals. Ich denke nicht an die Rente und fühle mich so gut wie nie.
Müssen Sie vorsichtiger sein und auf Ihre Gesundheit achten, wenn Sie unterwegs sind?
Cooper: Keine Spur. Aber ich trinke und rauche ja nicht, nehme auch keine Drogen. Körperlich ist alles dermaßen in Ordnung. Und ich habe ja den ganzen Tag frei, meine Energie lege ich auf den Abend. Wäre Sommer, würde ich noch zwischendrin Golf spielen, aber dafür ist es jetzt zu kalt.
Und nach zwei Stunden Show am Abend sind Sie nicht heiser am nächsten Tag?
Cooper: Nein, meine Stimme ist in der gleichen guten Verfassung wie der Rest. Ich bin gerade sehr zufrieden mit mir, auch mit meiner Arbeit. Am Ende der Gigs sind immer alle erschöpft, nur ich nicht.
Welches Vitamin nehmen Sie?
Cooper: Nichts, ich finde es ja auch merkwürdig, Aber vielleicht liegt es daran, dass ich früher im College und an der High School 1.500 und 3.000 Meter gerannt bin. Ich glaube, das hilft mir konditionell heute noch. Diese langen Strecken damals zahlen sich aus: Ich bin nie total erschöpft.
Obwohl Ihre Horrorshow mit Peitsche ordentlich Körpereinsatz fordert. Die aktuelle DVD "Live At Hammersmith 2009" zeigt, dass Sie immensen Aufwand betreiben.
Cooper: Wir wollen einen Fantasy-Look kreieren, der nur für uns steht. Ich kenne einen Typen, der die durchgeknalltesten Hosen herstellt, und wir denken uns immer wieder etwas Neues aus. Die Leute kaufen mein Album, und sie kommen zu den Konzerten. Es ist toll, nach 45 Jahren noch am Ruder zu sitzen.
Sollten Sie doch mal aufhören, Musik zu machen, könnten Sie sich hauptberuflich Ihren beiden Restaurants in Phoenix und auf Hawaii widmen. Was gibt es bei Ihnen eigentlich zu essen?
Cooper: In Phoenix bekommt man seit mittlerweile 13 Jahren ein richtig gutes Rock'n'Roll-Barbecue, und auf Hawaii servieren wir direkt am Strand frischen Fisch und asiatische Gerichte. Ich bin da mindestens zwei Mal im Jahr, einmal im Sommer und zu Weihnachten.
Aber bevor Sie die Kochmütze aufsetzen, wollten Sie noch ein neues Album herausbringen, stimmt's?
Cooper: Nicht nur eins: "Welcome To My Nightmare Part 2" mit meinem früheren Produzenten Bob Ezrin steht als Nächstes auf dem Plan. Und dann spukt mir noch der zweite Teil zu "Along Came A Spider" im Kopf herum.
Alice Cooper auf Deutschland-Tournee
04.11., Stuttgart, Porsche-Arena
05.11., Kempten, BigBox
06.11., München, Zenith
08.11., Berlin, Max-Schmeling-Halle
09.11., Leipzig, Arena
11.11., Frankfurt, Jahrhunderthalle
12.11., Dortmund, Westfalenhalle
13.11., Braunschweig, VW Halle
15.11., Bamberg, Jako-Arena ~ Claudia Nitsche (teleschau)
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