Die langsamste Band der Welt
Anajo erklären, warum sie so wenig Alben veröffentlichen
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Die langsamste Band der Welt
Anajo erklären, warum sie so wenig Alben veröffentlichen
19.12.2008 Dieser Mann trägt Badelatschen. Ein kurzer Blick auf den Kalender: Es ist Dezember, es ist kalt und zieht gewaltig, wenn die Tür im Berliner Club Lido offen ist. Der Mann mit den Flip Flops heißt Alaska Winter. Ob das eine Erklärung für sein leichtes Schuhwerk ist, bleibt ungeklärt. Er ist Manager und Produzent des Augsburger Poptrios Anajo. Der Rest der Band, Oliver Gottwald (Gesang und Gitarre), Michael Schmidt (Bass) und Ingolf Nössner (Drums), sitzt aufgeräumt im Backstage-Raum. Den Dezember verbrachten sie im Nightliner mit dem Poporchester der Universität Augsburg, zumindest mit Teilen davon. 13 Musikstudenten dürfen mit auf die Bühne, präsentieren Anajo-Songs im Orchestergewand. Wobei Profi-Jazzer Kai Fischer die Lieder nicht aufplusterte, sondern passende klassische Arrangements so andockte, dass das Trio nun swingt. Das Trio, das bei der Popkomm 2007 den Bayerischen Musiklöwen als beste Indie-Band erhielt, wird den Mitschnitt im Frühjahr veröffentlichen. Trotzdem sind sie, wenn man das so sagen darf, nicht die Schnellsten. Zwei Alben seit ihrer Gründung 1999. Das macht einen schlechteren Schnitt als Guns N' Roses. Die schafften, da kann man gerne nachrechnen, immerhin sechs in 23 Jahren. Wortgewandt und skurril - also genau so, wie sie ihre Texte gestalten - erklären Anajo, warum das so ist.
Es ist grau draußen, kalt und grau. Sind die Auftritte mit dem Poporchester Eure Gegenbewegung zu Bodennebel und Niederschlägen?
Oliver Gottwald: Wir sehen es als Abwechslung, aber nicht nur für den Dezember, sondern auch innerhalb unserer Bandgeschichte. Wir sind mit so vielen Leuten unterwegs, erleben eine schöne Gemeinschaft. Es ist wie Wandertag in der Schule und bereichert uns kreativ wie menschlich.
Michael Schmidt: Jetzt kommt die kritische Journalistenfrage: Uh, stimmt da was innerhalb der Band nicht?
Ich hatte eher den Gedanken, dass es sicher nett ist, mit 13 Leuten unterwegs zu sein, die alle tun, was Ihr sagt.
Schmidt: Sie tun schon, was wir ihnen sagen, man darf die Leine man nicht zu lang lassen. Nach einem Konzert hat man Adrenalin im Blut, es ist aber Disziplin nötig für einen geordneten Rückzug, sonst kommt Chaos auf.
Gottwald: Gilt auch für uns. Aber unser Manager Alaska sorgt schon dafür, dass das klappt.
Er hat ja auch den Kontakt zum Profimusiker Kai Fischer geknüpft. Wieso habt Ihr für die Orchester-Arrangements extra jemanden engagiert?
Gottwald: Weil wir selbst das nicht können. Wir spielen nicht nach Noten. Das kann nur jemand, der eine Affinität zu geschriebener Musik hat.
Ingolf Nössner: Besonders bei Bläsern ist die Umsetzung sehr schwierig. Zum Beispiel vergesse ich immer zu berücksichtigen, dass die atmen müssen.
Schmidt: Um es plakativ zu sagen: Wir sind ja keine Musiker, wir spielen in einer Band.
Wie klappt denn die Zusammenarbeit mit der Big Band?
Gottwald: Abgesehen davon, dass es zwar 13 Mitwirkende, aber insgesamt 26 Musiker sind, deren Namen ich mir zu merken versuche, gut.
Nössner: Wir haben zwei Teams, sie bekommen für dieses Projekt einen Schein, weil wir sie ja nicht bezahlen können.
Was steht da drauf?
Nössner: Gute Frage. Das kenn ich aus meiner eigenen Unizeit auch: Wichtig war, dass man den Schein hat. Wofür - keine Ahnung.
Gottwald: Deswegen fiel unsere Wahl auch auf Studenten: Menschen, die mit wenig Geld auszukommen gewohnt sind.
Wie sieht es denn mit Eurer eigenen finanziellen Lage aus: Reicht das Einkommen als Musiker zum Leben?
Gottwald: Also fürs Herz reicht's.
Nössner und Schmidt: Ohhhhhh ...
Gottwald: Für den Magen reicht es nicht immer.
Nössner: Es sei denn, man ist viel auf Tour. Ansonsten arbeite ich ab und an als Tontechniker.
Schmidt: Ich finde, mein Grafikerjob ist eine schöne Abwechslung. Danach macht dann auch die Musik wieder Spaß.
Machst Du auch was, Oliver?
Gottwald: Ich telefoniere. Callcenter, aber auf der guten Seite, ich werde angerufen und helfe den Leuten. Andersherum wäre es mir zu schmutzig.
Für eine Band, die es seit neun Jahren gibt, habt Ihr mit zwei Alben einen vergleichsweise niedrigen Output.
Gottwald: Stimmt, wir machen nur dann ein Album, wenn wir was zu sagen haben. Und wenn man nichts zu sagen hat, sollte man es auch lieber lassen. Trotzdem könnten wir in der Hinsicht ein wenig produktiver werden, das ist sicherlich richtig.
Nössner: Dazu kommt, dass jeder von uns nur etwas rausgeben will, das absolut perfekt ist. Das kann sich hinziehen.
Schmidt: Wir haben uns nach jedem Album den Arsch abgetourt, da kommst du dann an den Punkt, wo du sagst: Dankeschön, aber von Anajo will ich jetzt erst mal gar nichts hören. Du musst runterkommen, um wieder kreativ sein zu können.
Wird es immer schwieriger, weil Ihr Eure Ansprüche immer höher schraubt?
Gottwald: Einfacher wird es meinem Empfinden nach auf jeden Fall nicht. Wir sind anspruchsvoller und möchten uns nicht wiederholen.
Erschwert die nicht enden wollende Welle an deutschen Bands Eure Situation?
Gottwald: Finde ich nicht. Diese Popbandszene ist immer noch überschaubar. Da nimmt man sich gegenseitig nichts weg. Außerdem sind wir unabhängig, wir kommen ja - was einen Teil unserer Identität ausmacht - aus Süddeutschland und nicht aus einer Millionenmetropole.
Nössner: Wenn ich mich damit beschäftige, überall anders hinschaue, komm ich ja mit meinen eigenen Sachen nicht weiter.
Wie weit seid Ihr denn?
Gottwald: Es gibt einige - gute - Songs. Aber wir wollen uns mit dem dritten Album nicht unter Druck setzen, den Fehler haben wir beim letzten gemacht und gemerkt, dass das nicht funktioniert. Es war taktisch ungeschickt, sich vorzeitig auf einen Termin festzulegen, das führte intern zu so viel Druck und Spannungen, dass für einige Monate alles erlahmte.
Nössner: Sogar mit körperlichen Folgen, wie einem Hörsturz bei mir. Die Erfahrung muss ich nicht noch einmal machen.
Schmidt: Wir hatten Abgabe und standen mit unfertigen Songs im Studio. Deswegen: keine zeitlichen Angaben.
Gottwald: Außer dass wir vorhaben, es nächstes Jahr anzugehen. Nach der Tour wollen wir ein paar Wochen wegfahren und nur Musik machen.
Die Konzerte und der Mitschnitt davon sind also eher ein Einschub?
Nössner: Ja, oder ein Projekt, auch wenn es aufhält.
Gottwald: Da würde ich Dir jetzt widersprechen wollen. Natürlich hält es erst einmal auf, aber im Endeffekt gibt es Energie.
Nössner: Das wollte ich auch sagen, ich möchte diese Erfahrung nicht missen.
Ist das Projekt ein finanzielles Wagnis?
Oliver: Das können wir erst nach der Tour beantworten. Aber der Aufwand ist in der Tat sehr hoch. Wir hoffen, dass die beiden letzten und großen Konzerte einiges auffangen. Das Augsburger Stadttheater mit 800 Leuten haben wir im Vorverkauf ausverkauft. ~ Claudia Nitsche (teleschau)
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