"Ich muss nicht erwachsen werden"
Bela B. veröffentlicht sein neues Soloalbum "Code B." (02.10.)
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"Ich muss nicht erwachsen werden"
Bela B. veröffentlicht sein neues Soloalbum "Code B." (02.10.)
02.10.2009 Eigentlich heißt er Dirk Albert Felsenheimer. Vor einigen Monaten wurde er zum ersten Mal Vater. Er lebt auch nicht in Berlin, wie die "Ärzte aus Berlin" gelegentlich propagieren, sondern in Hamburg. Doch die Welt kennt ihn als Bela B., Schlagzeuger, Sänger, Songwriter der Ärzte, die gerade eine der erfolgreichsten Tourneen ihrer Bandgeschichte hinter sich haben. Nun begibt sich Bela, 46, auf Solopfade. Schon 2006 hatte er mit seiner Band Los Helmstedt das Album "Bingo" veröffentlicht. Das neue heißt "Code B", die erste Single trägt den schönen Titel "Altes Arschloch Liebe". Eine Tour im November und Dezember durch ganz Deutschland schließt sich an. Ein Gespräch über die Liebe, den Tod, die Musik und den Bohlen.
Wie alt muss man werden, um zu erkennen, dass Liebe ein Arschloch ist?
Bela B.: Da gibt es kein bestimmtes Alter. Du musst nur oft genug enttäuscht werden. Mir ging es einfach um einen Schuldigen, wenn's schief geht. Und in dem Fall ist es eben die Liebe. Das ist eine Idee, die mir gefällt.
Als Singleauskopplung sicher ein ideales Lied ...
Bela B.: ... das ich einen Tag, bevor wir ins Studio gingen, geschrieben habe. Aber erst, als ich den Song den anderen vorspielte, merkte ich, dass das die Single sein kann. Ich kalkuliere das beim Schreiben nicht mit ein.
Aber wie Erfolg funktioniert, weißt Du doch aus Erfahrung mit den Ärzten.
Bela B.: Moment - was wir verstanden haben, ist nur, dass es keinen Sinn macht, nach Schema F zu arbeiten. Genau das halten uns auch die Fans zugute. Dass wir eben nach unserem größten Erfolg, "Männer sind Schweine", nicht noch einmal so ein populistisches Lied geschrieben haben, das auch beim Après-Ski funktioniert. Wenn wir das gemacht hätten, da bin ich mir sicher, hätte es unseren Fortbestand gefährdet. Wir lassen uns da auch nicht reinreden. Bei den Ärzten sind wir drei die einzigen Geschmacksrichter. Und bei meiner Soloplatte entscheide ich alleine.
Ist das auch ein Grund, warum Du Dein Soloprojekt weiter vorantreibst?
Bela B.: Natürlich ist das ein Ego-Trip. Ich habe gemerkt, dass mich die erste Solo-Platte in den Schoß der Musik zurückführte. Durch "Bingo" kam die Sicherheit zurück, dass das alles noch mein Ding ist. Ich setze mich dann einfach mehr mit Musik und damit auch mehr mit mir selbst auseinander.
Auf Deiner CD ist die Liebe das dominante Thema. Gibt's nichts anderes zu erzählen?
Bela B.: Es ist eben so, dass der zwischenmenschliche Bereich in Pop und Rock dominant ist. Auch wenn Menschen Hass in sich spüren, ist Liebe letzten Endes das Thema. Und außerdem hat auch jede Metalband ihre Love-Songs. Außer Slayer natürlich.
Eine Ausnahme ist "schwarz / weiß", ein Lied, in dem es darum geht, dass heutzutage die Orientierung schwerer fällt als früher, als viel mehr in Schwarz und Weiß eingeteilt war.
Bela B.: Es ist ja auch heutzutage unglaublich schwer. Andererseits haben Intellektuelle über Jahre hinweg dafür gekämpft, die Welt eben nicht mehr nur in Schwarz und Weiß einzuteilen. Wobei ich zugeben muss, dass ich das ach so moderne Verständnis für alles und jeden manchmal einfach nur fehl am Platze finde. Ich will mich für Menschen, die nur Kacke machen, nicht interessieren müssen. Ich will sie einfach scheiße finden dürfen, ohne gleich als Scheuklappenidiot dazustehen.
Wen meinst Du? Uli Hoeneß? Dieter Bohlen?
Bela B.: Dieter Bohlen gesteht man ja zu, dass er nur einfach ehrlich sei. Es heißt, er sage, was er denkt. Und das sei doch gut. Und so wird die Unverfrorenheit, dieses Arschloch-Getue, öffentlich gerechtfertigt. Nein, das mag ich nicht. Der Typ ist für mich der Antichrist. Er ist einer der Gründe, warum es der Musik so schlecht geht. Der steht vorne und sagt: Folgt mir, weil ich weiß, wie Erfolg geht. Aber es geht in der Musik nicht um Erfolg, es geht um Ausdrucksformen. In einer Welt voller Dieter Bohlens hätte es Led Zeppelin nie gegeben. Vor einer Weile war ich am Potsdamer Platz in einer Kneipe. Da kommt der Barmann, erzählt mir, dass ein Freund von ihm Schlagzeuger sei und fragt mich, ob der mal zum Casting kommen könne. In welcher Welt leben wir, in der die Leute glauben, ich mache Castings, nur weil ich selbst ein erfolgreicher Schlagzeuger bin?
Und Hoeneß? Du bist St. Pauli-Fan ...
Bela B.: Dem gestehe ich - bei aller Unverfrorenheit, die er manchmal ausstrahlt - Ehrlichkeit zu. Ihm liegt das Herz einfach auf der Zunge. Und er hat mit seinem FC Bayern dem FC St. Pauli wirklich geholfen, als es uns schlecht ging.
Nochmal: War es in den 80er-Jahren, als die Grenzen klarer waren, einfacher für Jugendliche?
Bela B.: Du meinst nach dem Motto: Franz Josef Strauß - Arschloch. Ronald Reagan - auch Arschloch?
In etwa so, ja. Bist Du froh, dass Du damals groß geworden bist?
Bela B.: Ach, ich schaue nicht wehmütig zurück. Ich bin froh über die Zeit jetzt, die ich als die glücklichste meines Lebens bezeichne. Wer heute Teenager ist, hat seine Last zu tragen. Und wir damals auch. Wir hatten ja auch unsere Ängste. Ich wurde in Berlin nicht in der besten Gegend groß und hatte schon Angst vor Hooligans. Wie mancher heute auch. Wir werden heute nur mit mehr Lügen und Unheil konfrontiert, weil wir mehr Kommunikationsformen haben. Überall Internetzugang, 40 TV-Programme ...
Wie hast Du damals Gut und Böse sortiert?
Bela B.: Als ich 16 war, gab es für mich Fernsehen und Punk-Rock. Es fiel mir leicht, Dinge aus meinem Kosmos auszugrenzen. Was Du nicht wolltest, hieltest Du fern. Zum Beispiel auch durch die Klamotten, die ich damals trug. Die strahlten einen klaren Code aus: Bleib weg von mir. Heute ist die Zeit eine andere, die Leute schlucken viel mehr. Neulich habe ich Zitat von Jan Delay gehört. Der sagt: "Warum regen sich alle über den Dienstwagen von Ulla Schmidt auf, obwohl die Menschen eigentlich mit Molotow-Cocktails in den Bankenvierteln stehen müssten?" In Hamburg wurde 2007 ein unschuldiger Autofahrer von einem Polizisten erschossen. Es wurde als Unfall dargestellt. Später sind die Polizisten freigesprochen worden. In den 80er-Jahren hätte das alles eine Demo zur Folge gehabt. Aber was sind die Demos denn heute? 1. Mai - das ist Erlebniskultur. Bungee-Jumping, Steine werfen, alles das gleiche für die.
Bands wie Die Ärzte waren früher wichtig, um eine Richtung vorzugeben.
Bela B.: Das ist auch heute noch so. Aber die Ärzte sind keine Moralapostel. Wir wollen die Leute nicht mit Parolen langweilen. Aber wir demonstrieren sehr wohl einen Lebensstil, der es gar nicht erlaubt, reaktionär oder rechts zu sein. Wir sind uns schon bewusst, dass wir eine Vorbildfunktion haben. Und die nehmen wir wahr, indem wir uns einfach nicht verstellen.
Von Anfang an nennst Du Dich Bela B., nach dem Horrorschauspieler Bela Lugosi. Hast Du diese Entscheidung jemals bereut?
Bela B.: Nein, ich habe mir den Namen für die Ärzte eben ausgedacht. Übrigens: Vor zwei Jahren hat meine Freundin Ahnenforschung betrieben. Und sie fand durch Zufall heraus, dass mein zweiter Vorname, Albert, von Adalbert kommt. Der deutschen Form vom ungarischen Bela. Stimmt also alles irgendwie. Als ich mich Bela nannte, war ich 19, und meine Ziele waren klar: Ich wollte nie mehr für einen Chef buckeln, ich wollte mich verwirklichen, ich wollte Musiker werden. Das hat geklappt, es ging alles konform mit Bela. Das ist ein Teil meines Lebens. Andere machen das nicht anders: Blixa Bargeld ist auch Blixa Bargeld und nicht der Christian.
Aber was von jenem Bela-Bild ist noch in Dir?
Bela B.: Er ist ein Teil vor mir. Ich habe mir eben den Jugendlichen bewahrt, der sich über Äußerlichkeiten freut, der nach wie vor Horrorcomics liest und der Freude an Dingen hat, die jenseits des gewohnten Lebens stattfinden. Mag sein, dass mir manche vorhalten, dass ich nie erwachsen werde. Aber das muss ich ja auch nicht. Ich habe einen Weg gewählt, bei dem Erwachsenwerden fast schon ein Verbrechen ist. Herrlich, nicht?
Was sind die größten Unterschiede zwischen Bela mit 46 und Bela mit 20?
Bela B.: Der Bela heute ist weniger dogmatisch. Aber nicht altersmilde. Er ist vielseitiger, er verzeiht sich selbst mehr, ist also auch weltoffener. Und ein besserer Gitarrist ist er auch.
Die ganze Horrorsache, die Kunstfigur "Der Graf", die Du erschaffen hast, Dein Name, die Optik. Das Thema Tod schwingt da immer mit. Hast Du Angst vorm Tod?
Bela B.: Nein, habe ich nicht. Auf meiner CD, da gibt es einen Song mit dem Titel "In diesem Leben nicht", in dem habe ich eine Nahtoderfahrung verarbeitet ...
Der schwere Autounfall, den Du vor vielen Jahren hattest.
Bela B.: Genau. Da wird dir bewusst, das alles endet. Auch Freunde von mir sind in den letzten Jahren gestorben. Mir ist klar, dass Karriere, Kreativität, dass das Leben endet. Mit 19 war das noch anders. Da schwelgst Du manchmal in Melancholie, aber die Kraft ist unbändig in Dir, der Tod ist weit weg. Nur Angst habe ich deswegen nicht.
Die Welt wäre ohne Dich ...
Bela B.: Wäre sie ja nicht. Ich werde was hinterlassen. Wie jeder andere übrigens auch. Nur viele machen es nicht bewusst. Von mir, von uns, wird die Musik bleiben. Und Bela B. wird hoffentlich erst in ein paar Generationen nach seinem Tod vergessen sein. Vielleicht entdecken ihn manche viel später. So wie ich die Comedian Harmonists, die waren auch alle tot, als ich sie zum ersten Mal gehört habe.
Es gibt viele Beispiele, wo ein früher Tod entscheidend für die Legendenbildung war.
Bela B.: Stimmt, aber das mit dem Sterben habe ich irgendwie verpasst.
Gehst du anders mit Deinem Körper um? Oder verträgst Du noch das, was Du früher vertragen hast?
Bela B.: Ich habe sogar vor Jahren angefangen, mich in meiner Freizeit sportlich zu betätigen. Nein, ich bin kein Übermensch. Heute brauche ich zwei bis drei Tage, um eine richtig durchzechte Nacht zu verkraften. Wobei ich zugeben muss, dass wir uns mit Los Helmstedt auf einer Tour schon manchmal wie Wildsäue benehmen. Da pusht dich der Auftritt am Abend. Auf Tournee vertrage ich geradezu erschreckend viel.
Seit einigen Monaten bist Du Vater. Da musst Du Vorbild sein.
Bela B.: Naja, im Moment muss ich es ja noch nicht. Es wird immer Leute geben, die auf mich schauen. Ich erinnere mich an einen Fanbrief, da war ich Mitte 20. Der kam von einem Mädchen, 16 vielleicht. Auf dem Bild stand vor ihr 'ne Flasche Jack Daniels, sie rauchte die Zigaretten, die ich damals rauchte. Da denkst du schon nach. Die wird mit 16 den Jackie sicher nicht getrunken haben, weil er ihr schmeckt.
Wie hat Dich die Vaterschaft verändert?
Bela B.: Natürlich bin ich als Mann wie jeder andere auch, der Vater wird. Das verändert dich als Mensch. Rockstars sind keine besseren oder schlechteren Väter. Ich schwelge in diesem unglaublichen Glück, in dem für mich nicht errechneten Glück.
Bela B. auf Deutschland-Tournee
30.10., Dortmund, Visions Anniversary, FZW
12.11., Magdeburg, AMO
13.11., Dresden, Alter Schlachthof
14.11., Gießen, Halle 4
15.11., Köln, E-Werk
17.11., Bremen, Aladin
18.11., Dortmund, FZW
20.11., Karlsruhe, Festhalle
21.11., München, Backstage
25.11., Ulm, Roxy
26.11., Freiburg, Güterbahnhofshalle
29.11., Stuttgart, LKA Longhorn
01.12., Offenbach, Capitol
02.12., Braunschweig, Jolly Joker
03.12., Bielefeld, Ringlokschuppen
04.12., Erfurt, Stadtgarten
06.12., Hamburg, Grosse Freiheit
07.12., Hamburg, Grosse Freiheit
08.12., Leipzig, Haus Auensee
09.12., Berlin, Columbia Halle ~ Kai-Oliver Derks (teleschau)
Interviews, Stories, Meldungen und CD-Kritiken zu Bela B.
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