Bobby McFerrin, den ältere Zuhörer des formatierten Popradios nur als jenen Typen kennen, der einst "Don't Worry, Be Happy" sang, ist einer der faszinierenden Kreativen im Musikbetrieb. Der gerade 60 Jahre alt gewordene Künstler arbeitet im Grenzbereich zwischen Klassik, Jazz und Weltmusik. Er dirigiert die besten Symphonieorchester der Welt und sorgt mit seinem Vokal-Ensemble "Voicestra" für interaktive Konzerterlebnisse. Nach acht Jahren Pause veröffentlicht der New Yorker Musikpionier in Zusammenarbeit mit dem Komponisten und Produzenten Roger Treece ein opulentes Choralbum, das einen durchaus größenwahnsinnigen Ansatz pflegt: Die von Treece geschriebenen Partituren variieren bekannte McFerrin-Motive aus der Vergangenheit zu einem wuchtigen Gesangswerk, bei dem es McFerrin mit einem virtuellen Chor der Extraklasse zu tun bekommt. ~ Eric Leimann (teleschau) aufklappen »
"Vocabularies" ambitioniert zu nennen, wäre eine lächerliche Untertreibung. Roger Treece, New Yorker Komponist, Produzent und Sänger in McFerrins "Voicestra", gebührt ein Großteil der Credits für dieses ungewöhnliche Album, von dem die Macher wohl zu Recht behaupten, es sei so komplex wie eine Mozartsymphonie oder ein Steely-Dan-Album. Nach dem Hörerlebnis der sieben Kompositionen möchte man eher meinen, dass Steely Dan verglichen mit diesem Werk eher dem schnell hingerotzten Punk der frühen Jahre zuzurechnen wären.
Jahrelang hörte sich Roger Treece durch Aufnahmen McFerrins und verwandelte herausragende Gesangslinien in opulent-komplexe Chorpartituren, um diese Musik mit einem besonders ehrgeizigen Verfahren aufzunehmen: Treece rekrutierte 60 Edelstimmen aus Jazz, R'n'B, Klassik und Weltmusik. Beteiligt waren neben McFerrin unter anderem Rolling-Stones-Sängerin Lisa Fischer, der brasilianische Jazz-Innovator Luciana Souza, Janis Siegel von Manhattan Transfer und die Vokalgruppe New York Voices. Sämtliche Sänger wurden einzeln aufgenommen, um sie später im Rechner zu einem virtuellen Chor zusammenzufügen.
Das Ergebnis ist ein fast klinisch exakter Chor, bei dem nicht nur jede Stimme gleich gut zu hören ist, sondern auch dem kleinsten Fingerschnipsen ihres Produzenten folgt. Zu der ungewöhnlichen Studiotechnik kommt ein besonderer Stil. Treece agiert als Komponist im Grenzbereich moderner Vokalmusik. Seine Kompositionen greifen Gesänge aus Afrika, Brasilien und dem Nahen Osten auf. Sie verarbeiten Jazz, Pop, R'n'B und moderne Klassik zu einer Musik, die man so noch nie gehört hat. Während Stücke wie das kontemplative "Brief Eternity" klar der E-Musik zuzurechnen sind, groovt "Say Ladeo" hingegen wie Earth, Wind & Fire zu ihren besten Zeiten. Insgesamt überwiegen jedoch die ambitionierten, ausgefuchsten und ein wenig sperrigen Momente. "Vocabularies" ist ein beeindruckendes Werk, das mit jedem Hördurchgang wächst. Da jedoch nicht allzu viele Hörer diese Standfestigkeit mitbringen, wird "Vocabularies", das in siebenjähriger Studioarbeit entstand, wohl eher eine überschaubare Zahl an Fans gewinnen.
Bobby McFerrin auf Tour
05.06., Gelsenkirchen, Veltins Arena
15.07., Lörrach, Burghof
18.07., Straubing, Jazz an der Donau
19.07., München, Gasteig