"Liebe ist die Antwort auf alles"
Carl Barât veröffentlicht sein erstes Soloalbum
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"Liebe ist die Antwort auf alles"
Carl Barât veröffentlicht sein erstes Soloalbum
26.10.2010 Dass Carl Barât und Pete Doherty noch einmal gemeinsam als The Libertines die Bühne betreten würden, war lange Zeit alles andere als ausgemacht. Schließlich war die Band nach zwei erfolgreichen Platten, die heute zu den wegweisendsten Gitarrenrock-Alben der letzten zehn Jahre zählen, mehr oder weniger implodiert - und was Doherty danach trieb beschäftigte vor allem die Klatschspalten der Boulevardpresse. Allen Zweifeln zum Trotz: Ende August spielten The Libertines die lang erwarteten Reunion-Konzerte, jetzt veröffentlicht Carl Barât sein erstes, selbst betiteltes Soloalbum. Darauf kehrt der 32-jährige Brite schrammeligen Indie-Rock, den er mit den Libertines und dann mit Dirty Pretty Things spielte, den Rücken und klingt stattdessen wie eine Mischung aus Tom Waits und "Sweeney Todd". Im Interview verrät er, wie viel Mut ihn dieser Schritt gekostet hat, hält sich aber die Option einer längerfristigen Libertines-Reunion offen.
Herr Barât, Sie haben in Bezug auf Ihr erstes Soloalbum angekündigt "Erwartet das Unerwartete". Erzählen Sie uns etwas über sich, das niemand erwarten würde.
Carl Barât: Hm, das ist schwer, denn das muss ja jetzt irgendetwas Cooles sein (lacht). Ich denke, dass ich mit meinem Album und meiner Autobiografie schon alles offen gelegt habe. (Denkt nach) Ich bin so etwas wie ein Ass im Tischfußball!
Musikalisch ist Ihr Album wirklich eine Überraschung. Hatten Sie die Nase voll vom Indie-Rock?
Barât: Ja, ich hatte es wirklich satt. Am Anfang hat es Spaß gemacht, ich fühlte mich wirklich wohl damit. Aber irgendwann wurde es einfach schlecht. Trotzdem ist es ein großer Schritt, etwas Neues zu machen, dafür braucht man viel Mut. Denn selbst wenn du das, was du machst, nicht mehr besonders gut findest: Es birgt doch Behaglichkeit und Sicherheit.
Ein Freund gab Ihnen dann eines Tages das Album "I See A Darkness" von der US-Folk-Kultfigur Will Oldham alias Bonnie "Prince" Billy.
Barât: Ja, mein Manager. Das war wie der Schlüssel zu einer anderen Tür. Es zeigte mir, dass es auch anders geht, dass Leute sich doch noch wirklich für die Musik interessieren. Ich dachte eine Zeitlang, es gehe immer nur um die nächste Headline, die nächste Story. Aber wenn Bonnie "Prince" Billy es schafft, dass die Leute ihm zuhören, schaffe ich das auch. Man braucht keine Showgirls und muss sich nicht hinter Gitarrenlärm verstecken. Das habe ich gelernt.
Haben Sie davor zu lange an der Vergangenheit festgehalten?
Barât: Vielleicht ein bisschen, ja. Ich hatte mit Dirty Pretty Things natürlich auch gute Zeiten, das will ich gar nicht abstreiten, aber ich war irgendwie auf dem Cover eines Indie-Magazins hängen geblieben und kam da einfach nicht runter. Irgendwann wurde es so schlecht, dass ich mich fragte, was ich da eigentlich tue. Ich habe meinen ganzen Lebensstil geändert. Das hat ein Jahr gedauert, in dem ich depressiv war, Drogen nahm, in meinem Haus rumsaß oder feierte. Ich musste mich erst wirklich verlieren, das Leben musste erst richtig schlecht werden, bevor ich es schaffte, einen Strich zu ziehen und mit der Vergangenheit abzuschließen. Genau das symbolisiert mein Album für mich.
Was hat Ihnen geholfen, aus diesem Loch herauszukommen?
Barât: Meine Freundin zu treffen und wieder an die Liebe zu glauben. Liebe ist die Antwort auf alles - klingt kitschig, aber es stimmt.
In einem Libertines-Song hieß es damals "If you've lost your faith in love and music the end won't be long".
Barât: Ja, wenn du den Glauben an Liebe und Musik verlierst, und das hatte ich in der Vergangenheit, dann passieren schlechte Dinge. Aber jetzt funktioniert beides wieder, ich habe Liebe und Musik im Überfluss. Deswegen ist diese Zeile wahrer als je zuvor.
Zudem werden Sie bald Vater ...
Barât: Was großartig ist, das gab mir wieder einen Antrieb und einen Grund, weiterzumachen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal ein Baby zeugen könnte. Aber das ist eine ganz schön einschüchternde Sache ... Ich weiß noch, also Didz von Dirty Pretty Things zum ersten Mal Vater wurde. Damals fragte ich ihn, woher er weiß, was er machen muss und er meinte "Keine Ahnung, ich mache einfach". Ich hoffe, das trifft auch mich auf zu.
Trifft das nicht auf alles im Leben zu?
Barât: Naja. Ob das auch so ist, wenn man ein Flugzeug landen muss?
Darauf vielleicht nicht, aber auf alle zwischenmenschlichen Situationen und Beziehungen.
Barât: Vermutlich ja. Es dauerte sehr lange, bis ich etwas über Beziehungen gelernt hatte. Ich war früher ziemlich schlecht darin.
Ihre Eltern ließen sich scheiden, als Sie fünf waren. Trug das dazu bei?
Barât: Von viel Traurigkeit umgeben zu sein, hat mich definitiv sehr beeinflusst. Deswegen musste ich wohl erst lernen, wie Beziehungen funktionieren. Ich werde sehr vorsichtig sein, was ich meinen Kindern antue. Als Kind gibt man für alles immer sich selbst die Schuld, und ich hörte auch nie auf, mir immer für alles die Schuld zu geben - was ziemlich ungesund ist.
Im Liebesleben oder generell?
Barât: Generell. Eine echt blöde Angewohnheit. Es ist fast behaglich, sich selbst zu bestrafen. Aber genug davon. Schließlich will ich mit diesem Album alles hinter mir lassen.
Geht es deshalb auf dem Album vor allem um Trennung und das traurige Ende einer Beziehung?
Barât: Ja, es ist sehr erlösend, die Dämonen zu vertreiben und einfach alles aus sich rauszulassen. Das Absurde ist: Mein Album soll der Abschluss mit der Vergangenheit sein - und dann stand ich plötzlich wieder mit den Libertines auf der Bühne. Und jetzt sitze ich hier, drei Tage später, praktisch in den Klamotten, in denen ich auf der Bühne stand, um diese Interviews zu machen. Ich weiß gar nicht mehr, was Sache ist. Das ist schon verrückt.
War es also doch keine so gute Idee, wieder mit den Libertines zu spielen?
Barât: Es ist ein bisschen verwirrend, aber es war ein guter neuer Start. Wir haben ein neues Kapitel der Libertines aufgeschlagen. Allerdings will ich nicht, dass mich alle ständig fragen, wann die Libertines wieder spielen werden. Denn das wird eine Weile lang nicht passieren.
Die Libertines hatten immer dieses coole Image. Kann es sein, dass Sie in Wirklichkeit viel schüchterner sind, als die Leute es von Ihnen erwarten würden?
Barât: Ja ... Die Leute denken dann immer, ich wäre unhöflich oder arrogant. Aber ich war schon immer nervös, wenn ich auf die Bühne ging. Deswegen war es war auch wichtig für mich, in Bands zu spielen. Denn bei meiner Bühnenangst wäre ich ohne eine Band nie an diesen Punkt gekommen. Die letzten zehn Jahre waren wie eine Schule für mich. Mittlerweile bin ich schon ein bisschen selbstbewusster. Ich habe dieses Mal schließlich auch das erste Mal über mich selbst geschrieben. Vorher habe ich immer über Fantasie-Dinge gesungen, um der Realität zu entfliehen.
Sind sie heute ein besserer und glücklicherer Mensch also noch vor ein paar Jahren?
Barât: Beides, ja. Ein besserer Mensch ist für mich ein glücklicherer Mensch. Ich bin dahinter gekommen, um was es geht und was mein Leben ist. Ich habe zwar immer noch keinen ultimativen Schlüssel, aber ich bin dem Ganzen ein bisschen näher gekommen. ~ Nadine Lischick (teleschau)
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