Sägt hier jemand an dem Ast, auf dem er lange Jahre ziemlich komfortabel saß? Das Cover macht es fast überdeutlich: Von der Gitarre will Ex-Soundgarden- und Ex-Audioslave-Vorsteher Chris Cornell erst mal nichts mehr wissen. Jedenfalls nicht mehr in der vertrauten Darreichungsform. Mit Hingabe zerdeppert das in die Jahre gekommene Energiebündel sein Instrument, das auf "Scream" nur noch als Versatzstück einer lupenreinen R&B-Produktion auftaucht. Der Gralshüter des Grunge und der R&B? Jawohl, Timbaland, den Hitproduzenten für jedermann (Missy Elliott, Justin Timberlake, Madonna), heuerte Cornell eigens an. Eine unmögliche Verbindung, so sollte man meinen, die sich auf "Scream" vor allem als eines erweist: unmöglich. ~ Jens Szameit (teleschau) aufklappen »
Im Grunde hat Cornell dort weitergemacht, wo er mit seinem Titelsong für den Bond-Film "Casino Royale" vor drei Jahren aufhörte: bei überproduziertem Bombast-Pop-Rock ohne erkennbare Konturen. Dabei hätte er gewarnt sein können. "You Know My Name" ging gehörig daneben, galt bei Publikum und Kritik völlig zu Recht als einer der Tiefpunkte der Bond-Score-Historie. Mit Timbaland hat er nun einige Kompetenz an seiner Seite: Der viel Gebuchte ist sicher ein Könner, aber auch eine sehr offensichtliche Wahl. Ein bisschen ähnelt die Entscheidung für Timbaland der, sich beim schwedischen Möbeldiscounter einzudecken. Sieht ganz nett aus, man weiß, was man bekommt, eine individuelle Note sucht man hier aber vergebens.
Zumal das immer noch rockaffine Geknödel Cornells mit Timbalands Beats und Soundgedöns eine mehr als unausgegorene Mischung bildet. So in der substanzlosen und viel zu langen Vorabsingle "Part Of Me" und ihren zwölf gesichtslosen Klonen, denen man bestenfalls bescheinigen kann, dass sie bisweilen nicht nerven. Ein hingerotzter Bond-Song, nun ein ratlos machendes Soloalbum auf fremdem Terrain. Fast hat man den Eindruck, dass hier jemand dabei ist, mit Verve seine Karriere zu zerdeppern. Auch in dieser Lesart macht das Cover Sinn. Scream if you can.