Trubel im Idyll
David Gilmour sendet Lebenszeichen vom Luxusdampfer
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Trubel im Idyll
David Gilmour sendet Lebenszeichen vom Luxusdampfer
12.09.2008 Ein wunderschöner Augusttag im edlen Londoner Ortsteil Hampton: Die Sonne strahlt, ein frischer Wind fegt den Himmel blitzeblau und das Hausboot "Astoria" schaukelt leise glucksend auf den sanften Wellen der Themse. Ein Ausflugsdampfer schippert vorüber. Plötzlich gerät Unruhe in die Idylle - sämtliche Ausflügler lehnen sich mit Fernrohren und Kameras über die linke Seite der Reling, an der sie die nostalgische "Astoria" sehen können. Kein Wunder, denn der hübsche Luxusdampfer hat einen prominenten Besitzer: Pink-Floyd-Gitarrist David Gilmour, der hierhin eingeladen hat, um über sein neues Album "David Gilmour Live In Gdansk" zu sprechen.
Es herrscht eine familiäre "Atmosphäre" auf der Astoria und dem umgebenden Grundstück. Das Holzschmuckstück von 1913, das früher dem Charlie-Chaplin-Manager Fred Karno gehörte, und das ein 90-köpfiges Orchester auf Deck beherbergen konnte, birgt nun Gilmours Studio. Dort wurden bereits die Pink-Floyd-Alben "Division Bell" (1994) und "Momentary Lapse Of Reason" (1987) aufgenommen, und natürlich "On An Island", Gilmours letztes Soloalbum von 2006.
"Keine Fragen über Pink Floyd!" lautet die Ansage an die versammelte Presse. Zum Glück gibt es auch so genug zu erfahren, beispielsweise, warum Gilmour erst 22 Jahre nach "About Face" wieder ein Soloalbum herausgebracht hat - und dann kurz danach eine DVD und eine Live-CD. Geldmangel? Angst, ins Aus zu driften? "Ach, well, You know ... Ich habe letztes Jahr das Konzert in der Albert Hall als DVD herausgebracht, und eigentlich hatten wir immer schon vor, in diesem Zusammenhang ein Live-Album zu machen. Wir haben sämtliche Konzerte mitgeschnitten. Heutzutage kann man dank der fantastischen digitalen Technik überall und immer Songs so mitschneiden, dass die Qualität fast schon albumreif ist." Gilmour spricht mit teurem Privatschulen-Akzent und sehr freundlich. " Als wir uns dann die ganzen Shows in der Retrospektive anhörten, gehörten viele der magischen Momente zur Gdansk-Show - anlässlich des 26. Geburtstags von Lech Walesas Solidarnosc. Das Konzert fand vor der historischen Schiffswerft statt, und es war ausnahmsweise ein Orchester dabei. Deshalb entschlossen wir uns, einfach das komplette Konzert von dort auf CD zu bringen."
Lech Walesa war auch anwesend, als vor dem sich rötenden Abendhimmel die Töne von "Time", einer 25-minütigen Version von "Echoes" oder "On An Island" ertönten - gemeinsam mit dem 40-köpfigen baltischen Symphonieorchester. Auch eine Konzert-DVD packte Gilmour mit in das Gdansk-Show-Paket, das nun also mit zwei CDs und zwei DVDs punktet. Gut ein Drittel davon speist sich aus altem Pink-Floyd-Material. Natürlich muss man wissen, wieso Gilmour, der keine Lust auf Pink-Floyd-Fragen hat, noch so viele alte Pink-Floyd-Nummern spielt. Gilmour: "Dass ich nicht mehr im Zusammenhang mit Pink Floyd alte Songs spielen oder über Pink Floyd reden möchte, heißt nicht, dass es nicht Pink-Floyd-Songs gibt, die ich absolut liebe. 'Echoes' zum Beispiel haben wir 30 Jahre fast nicht mehr gespielt. Und wenn, dann war es unbefriedigend. Auch 'Comfortably Numb' liebe ich, und das Publikum mag es auch. Man muss auch dem Publikum eine Freude machen, sie sollen auf einem teuren Konzert ja nicht leiden, indem ich sie nur mit Unbekanntem oder Neuem bombardiere."
Alte Pink-Floyd-Songs als Quelle der Selbstbestätigung oder gar der Jugend? "Jung halten mich die alten Songs nicht, zumindest darf ich das bezweifeln, wenn ich in den Spiegel sehe," lacht er, ganz der britische Understatement-Gentleman. Und zack, da ist er, sein hölzerner Charme, sein britischer Humor, der einen dann doch immer wieder gewinnt, obwohl Gilmour als schwieriger Gesprächspartner gilt. Von wegen alt! Der Ex-Dressman ist mit seinen 62 Jahren noch gut in Schuss, das Landleben auf seiner Farm in Sussex, wo er sich als Hühner- und Entenliebhaber zeigt und noch einiges anderes Nutzgetier züchtet, hält ihn gesund und frisch.
Gleichen Effekt haben seine acht Kinder, von denen die drei kleineren aus zweiter Ehe mit Polly, plus Adoptivsohn, den Polly mitbrachte, ständig um ihn herum sind. Die vier aus erster Ehe wuseln zumindest temporär im Hause Gilmour. Interessanterweise ist keines dieser acht Kids jemals in der britischen Presse aufgetaucht, wo es vor Jungschauspielerinnen oder Models namens Geldof, Sumner oder Steward nur so wimmelt. Aber die Gilmours mögen es familiär und beschaulich. "Ich habe meine Kinder immer ermutigt, nur dann ins Rampenlicht zu treten, wenn sie dort wirklich etwas zu sagen oder zu bieten haben. Ich selbst liebe meine Privatsphäre und das schließt die Kinder ein."
Auch dass keines der Kinder - im Alter von sechs bis 32 - Musiker ist, ist ungewöhnlich. Gilmour: "Das ist seltsam, ich hätte es ihnen nicht verboten. Jedes der Kinder spielt sogar ein bisschen Gitarre, aber keines zeigt Ambitionen. Musikalisch sind sie schon, aber diese Besessenheit, mit der ich anfing, mit 14 Jahren Tag und Nacht Gitarre zu spielen, in jeder freien Sekunde, wie ein Verrückter, für Jahre und Jahre, das geht ihnen ab. Vermutlich sind sie besser in der Balance als ich." Wieder lacht er charmant. "Heute bin ich ganz anders, diese Besessenheit fehlt mir."
Immerhin hat Gilmour heute über 100 Gitarren, das mit der Besessenheit ist also nicht unbedingt vorüber. "Wo ich diese Passion herhabe, ist auch unklar. Meine Eltern waren keine Musiker. Ich glaube nicht an Gene, ich züchte ja selbst schon so lange alle möglichen Tiere. Ständig versucht man, in Pferde oder Kühe die Eigenschaften von einem bestimmten Elterntier hinein zu züchten, aber es funktioniert einfach nicht. Es gibt immer eine riesige Portion Unbestimmtheit und Glück in dieser Idee des Erbgesetzes."
Warum der Mann, der in seiner ländlichen Idylle Tiere züchtet und mit einer jungen Familie glücklich ist, nicht in die wohlverdiente Rente geht, warum er weiter tourt, im Studio arbeitet, Interviews gibt, ist für ihn klar: "Das ist das, was ich tue, meine Passion, mein Hobby. In Rente geht man doch nur von einer Arbeit. Musik ist keine Arbeit für mich, sondern meine Sache. Und wenn mir danach ist, mache ich Pause. Die letzte Tour war so befriedigend wie kaum eine Tour vorher, das ist erfüllend."
Na, dann könnte er in Zukunft ja Umsonst-und-draußen-Konzerte geben, was seiner großzügigen Ader entspräche. "Das wäre nicht möglich. Es sind Hunderte von Leuten mit mir auf Tour, so viele Beteiligte, die alle bezahlt werden wollen, deren Job das ist. Für mich ist es sogar wichtig, dass die Tourneen Profit machen, es würde sich für mich wie ein Versagen anfühlen, wenn ich mit Verlust aus einer Tour ginge. Dass ich den Gewinn hinterher vielleicht dann wieder spende, ist eine andere Sache. Aber vorher will ich schwarze Zahlen sehen. Andererseits sollen die Leute nicht überdurchschnittlich viel für unsere Konzertkarten zahlen. Das ist die Kunst."
Gilmour betont, dass er nicht unbedingt eine Abneigung gegen Geld und gegen ein gutes Leben hat, ein Gerücht, dass immer wieder kursiert. "Dass ich viel spende, heißt nicht, dass ich nicht gerne gut lebe. Als ich 2003 die fünf Millionen Euro aus dem Verkauf meines Londoner Hauses gespendet habe, hatte das Symbolcharakter, das Geld war für Obdachlose, und es sollte einen Nachahm-Effekt haben. Deshalb wurde es an die große Glocke gehängt. Normalerweise erfährt niemand, wie viel ich wem spende. Ich habe eine kleine Stiftung, gespeist mit meinen Einkünften, aus der ich jedes Jahr diversen Organisationen Beträge zukommen lasse."
Gilmour scheint also durchaus im Hier und Jetzt zu leben. Gilt das auch für seinen Musikgeschmack? Ob seine Kinder ihn verändert haben, Richtung Dance zum Beispiel? "Nein, Dancemusic ist für mich Martha & The Vandellas", lacht er. "Seither habe ich keine Fortschritte mehr gemacht. Ich finde das ganze neue Zeug nicht ansprechend. Das bereitet mir manchmal echt Sorge, ich bin nicht mehr der Mensch, der ich einmal war. Neulich war ich bei einem Leonard Cohen-Konzert hier in London und ich sag' Dir: Das war ansprechend! Es hat mich bewegt. Ich habe mich vor allem gefreut, dass es noch etwas gibt, das ich richtig gut finde. Ich habe noch nicht einmal eine Lieblingsplatte, ich höre kaum Musik. Mein Leben ist so voll und busy. Ich will lieber Musik machen als hören. Aber wenn es etwas Gutes gibt, soll man mir das vorspielen."
In den nächsten Monaten, verrät Gilmour, möchte er an einem neuen Album arbeiten. An einem, auf dem wieder nicht "Pink Floyd" stehen wird, sondern David Gilmour. Und wenn man ihn dann doch mal fragt, ob es Pink Floyd noch gibt oder jemals wieder geben wird, antwortetet er mit einem freundlichen "You never know". ~ Kati Hofacker (teleschau)
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