Dendemann

Der weiße Sauerländer und die Gestik-Hand


Dendemann veröffentlicht "Vom Vintage verweht"

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Der weiße Sauerländer und die Gestik-Hand

Dendemann veröffentlicht "Vom Vintage verweht"

09.04.2010 "Vom Vintage verweht" heißt die dritte Platte von Dendemann. Klar, alleine der Titel sagt eine Menge über den Hamburger aus. Dendemann, nicht nur wegen seiner Arbeit mit den Szene-Helden Eins Zwo einer der meistgeschätzten Rapper Deutschlands, ist immer noch dieser Wortspiel-Held. Gleichzeitig ist er einer, der gerne um die Ecke denkt. Textlich, aber vor allem musikalisch. Für sein drittes Soloalbum ging er etwa mit Moses Schneider ins Studio - einem ausgewiesenen Rock-Produzenten, der zuletzt mit den Beatsteaks und Tocotronic arbeitete.

Der Pressetext zu Deinem neuen Album sieht aus wie eine Deutschklausur aus den 50er-Jahren. Waren Deine Texte denn jemals Teil eines akademischen Diskurses in der Schule oder in der Uni?

Dendemann - D

Dendemann: Ja. Ich habe letztens wieder gehört, dass unsere Presseabteilung bei der Internetrecherche auf einige Dinge stieß. Und auch sonst passiert 'ne Menge: Den Mann, der die Idee für das Begleitschreiben zur Platte hatte, Hans-Jürgen Balmes, lernte ich zum Beispiel kennen, als ich vor vier Jahren eine Anfrage vom Literarischen Institut Göttingen kriegte. Die veranstalten immer Diskussionen vor Publikum, und er suchte mich als Interviewpartner aus. Das ist krass. Da fährt Dende nach Göttingen, und die Leute kommen mit ganz anderen Sachen um die Ecke. Da geht's dann plötzlich über Dichtkunst und Akzentuierung. Und zum Beispiel über diese ach so verhasste Gestik, über die man sich früher so viele Gedanken machte.

Tat man das?

Dendemann: Na klar. Und ich lass' mir echt nicht von einem Gitarristen vorwerfen, ich würde komisch aussehen beim Musik machen! Guck Dir mal deren Oberlippen an. Warum spielen die ihr Instrument so, als ob es ein Körperteil wäre - und zwar eines, das extrem schmerzt?

Aber es geht doch um Deine eigene Gestik ...

Dendemann - D

Dendemann: Ja. Stimmt schon. Was macht man als weißer Sauerländer mit dieser Gestik-Hand? Wie oft darf man sich in den Schritt greifen? Auf einmal wurde das ganz wichtig, weil es in einem ganz anderen Zusammenhang stattfand. Und dann waren wir mit Eins Zwo ja schon 1999 / 2000 mit dem Goethe-Institut in den USA und haben vor Deutsch-Studenten gespielt.

Du bist also Teil der Hochkultur. Fühlt man eine Bestätigung, oder fühlt man sich latent bescheuert?

Dendemann: Ganz, ganz früher, als wir anfingen, als es noch um Deutsch-HipHop und dessen Daseinsberechtigung ging, habe ich all diese Dinge als angenehme Begleiterscheinung gesehen. Zum Beispiel hat sich die sonst ja nicht so HipHop-affine Spex für mich interessiert. Mittlerweile sind das aber die Schmankerl, die Sachen, die ich echt wahnsinnig gerne mache und die mir wichtig sind. Das ist vielleicht wie bei Noel Gallagher. Der hat mal ein Oasis-Konzert abgesagt, weil er für die BBC Co-Moderator beim Fußball sein konnte. Schulterklopfen tut also generell gut. Für sowas macht man den Job schließlich.

Findet damit eine Entfremdung von der anderen Seite, vom HipHop statt?

Dendemann: Ach, diese andere Seite kriegt nichts mit, dass ich von Menschen gelobt werde, die eher musikfern sind. Selbst wenn sie es mitkriegen würden, würde ich es nicht mitkriegen, weil ich mich mit denen nicht beschäftige.

Ärgert Dich diese Trennlinie manchmal? Hier die Guten mit Kinderstube, also Du, Fettes Brot, die Fantastischen Vier. Und auf der anderen Seite eben die Helden des Gangster-Raps.

Dendemann - F

Dendemann: Nein. Weil es keinen Sinn hätte, sich darüber zu ärgern. Das Einzige, was ich im Nachhinein bedaure, ist, dass wir damals, als das vor fünf, sechs Jahren mit dem harten Gangsterkram losging, nichts sagten. Wir hätten das Maul aufmachen müssen. Ein gut platzierter Diss ist schließlich 'ne schöne Sache. Haben wir aber versäumt, und deshalb hängen wir, um mal 'ne Star-Wars-Analogie zu verwenden, gerade im zweiten Teil von HipHop fest: Alles ist unfertig. Alles ist kaputt. Alles ist kalt. Vielleicht müssten auch mehr Frauen HipHop machen. Möglicherweise wären wir dann schon im dritten Teil, mit süßen Ewoks und so. Andererseits ist mein Terminkalender sehr unbeeindruckt von all dem, was im deutschen Rap passiert. Wenn's nach mir ginge, würde ich auch nicht darüber reden. Auch nicht über Rock. Es geht um die Nische Dendemann.

... die für "Vom Vintage verweht" hübsch austapeziert wurde. Wie kann man sich den Entstehungsprozess dieser Platte vorstellen?

Dendemann: Erst mal saß da ich mit dem Rechner auf dem Schoß. Beats machen, Beats machen, Beats machen. Plastikmusik, Plastikmusik, Plastikmusik. Dann ging's zu Moses Schneider. Hier, hör ma'. Dann übten alle fleißig, dann sagte ich nochmal, was ich will, also Dosenbass, echtes Klavier, Schlagzeug mit Eigenhall. Das allermeiste haben wir live aufgenommen, lief gut. Und es ging auch schnell, ich hab' nur zwei Beats gemacht, aus denen nichts wurde. Da die Beats live eingespielt wurden, musste ich mich vorher auch nicht ewig mit irgendwelchen Produktionen aufhalten. Zwei mal fünf Tage, das war's.

Womit hast Du Dich im Vorfeld der Platte beschäftigt?

Dendemann - \"

Dendemann: Ich habe die Menschen wieder lieben gelernt. Ich wirkte schon früher offenbar wie ein Beobachter. Und das stimmt auch. Als ich 1996 alleine nach Hamburg zog, war es zwar leicht, in die Szene reinzurutschen - aber sonst hatte ich kaum Kontakte. Das Gespräch mit dem Taxifahrer, im Supermarkt, so etwas wird dann wichtig. Und das ist jetzt wieder da. In Berlin, wo ich wegen des Studios und der Plattenfirma in den letzten Monaten viel Zeit verbrachte, übrigens in verstärktem Maße. Kreuzberg ist ein guter Ort, wenn man Menschen mag.

Eine Referenz fällt rasch auf: Du sampelst in "Papierkrieg" Tocotronic ...

Dendemann: Jede meiner Platten beginnt eigentlich mit der Suche mit Zitaten. Diesmal habe ich das außen vor gelassen, weil ich keine wollte. Es tauchen eher Sachen auf, die eben hängen geblieben sind. Ich habe da nicht mehr bewusst gesucht. Irgendwann fand ich eher zufällig diese Tocotronic-7''. "Explosion (String Version)" stand da drauf. Das klang für mich toll, nach wenig Drums. Und war ja auch krass, nur Streicher und Stimme. Dann hatte ich gleich Panik, weil: Fettes Brot sind immer Garanten dafür, sowas früher zu entdecken als ich. Ich also bei allen Broten auf die Mailbox: "Finger weg von Tocotronic!" Über Umwege bekam ich dann die Nummer von Dirk von Lowtzow, der sagte: "Tob' Dich aus!" Das Ding war: Ich hätte mir das alles sparen können. Das wurde im gleichen Studio und auch bei Moses Schneider aufgenommen. Als Nächstes ist übrigens der Distelmeyer dran, da habe ich eine prima Stelle gefunden.

Dendemann auf Deutschland-Tour

28.04., Bremen, Schlachthof

29.04., Hamburg, Fabrik

30.04., Münster, Skaters Palace

01.05., Köln, Gloria

02.05., Heidelberg, Karlstorbahnhof

03.05., Frankfurt/Main, Batschkapp

06.05., Stuttgart, Röhre

07.05., München, Backstage

08.05., Freiburg, Jazzhaus

09.05., Düsseldorf, zakk

10.05., Saarbrücken, Garage

11.05., Würzburg, Posthalle

12.05., Berlin, Astra Kulturhaus ~ Jochen Overbeck (teleschau)


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