Retrosound im Weitwinkel
Devendra Banhart bildet auf "What Will We Be" 60 Jahre Popgeschichte in Folksongs ab
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Retrosound im Weitwinkel
Devendra Banhart bildet auf "What Will We Be" 60 Jahre Popgeschichte in Folksongs ab
03.12.2009 Seit 2002 nimmt der 28-jährige Kalifornier Devendra Banhart Alben in rascher Folge auf. "What Will We Be" ist bereits achtes Werk im siebten Jahr. Und doch markiert es einen Wendepunkt in der Karriere des hoch begabten Musikers. Bis vor Kurzem sang er impressionistische Naturweisen zur Wandergitarre. So wurde Banhart zum Aushängeschild eines etwas hilflos als "Freak Folk" bezeichneten Musikgenres. Mit Musik, die gleichzeitig seltsam und vertraut war, avancierte der kauzige Songwriter zum Liebling des musikalischen Undergrounds, aber auch der Feuilletons. "What Will We Be", Banharts erste Arbeit für ein Major-Label, ist sein bislang zugänglichstes und dennoch bestes Werk.
Man sollte Devendra Banhart lieber nicht die typischen Fragen eines Musikjournalisten stellen. Fragen nach Einflüssen oder musikalischen Konzepten. Dann nämlich erhält man Antworten wie diese: "Wir sind die fünfte Generation des Ska-Revivals, die dritte Elektro-Clash-Welle, ein samtener afrikanischer Revolver, die mikronesischen Blues Traveler, die Shania Twain von Usbekistan, die jamaikanische Shakira oder der marokkanische Wyclef Jean." Nicht wenige Reporter fühlten sich nach Begegnungen mit Banhart übel verschaukelt. Ein Mitarbeiter von Banharts ehemaligem Label in Deutschland wollte ihm gar mal "aufs Maul hauen" - so gereizt war der Mann von den Eskapaden des dadaistisch veranlagten Künstlers. Dabei will Banhart mit seinen Antworten keineswegs provozieren. Nein, er will nur improvisieren und seinen Assoziationen freien Lauf lassen - auch das ist Teil seines künstlerischen Selbstverständnisses.
Trotzdem ist er natürlich ein bisschen verrückt - der nicht nur musikalisch hoch gebildete Sohn eines texanischen Vaters und einer Mutter aus Venezuela. Devendra Banhart saugte in seinem Leben wie ein Schwamm Einflüsse von Folk über Psychedelia bis hin zu südamerikanischen Musikstilen auf, um sie später durch einen von Gaga, aber auch der tiefen Liebe zum Folk geschulten Ausgabemechanismus zu jagen. Dabei kann schon mal - wie auf seiner neuen Single "Baby" - eine fast unwirklich gelungene Mischung aus naivem 60er-Jahre-Popsong und beschwingt rollendem Afrobeat herauskommen.
Zudem gilt es über das "H"-Wort zu reden. Hippie heißt die Bezeichnung, die in jedem Artikel über Devendra Banhart ziemlich am Anfang auftaucht. Der Künstler unterstützt sie insofern, dass er in einem Holzhaus der mythischen Hippie-Gemeinde Topanga westlich von L.A. lebt und sein Gesicht bislang unter einem Vorhang aus schwarzer Haarmatte und rasputinhaftem Vollbart verbarg. Im letzten Jahr hatte Banhart eine medienträchtige Kurzbeziehung zur Schauspielerin Natalie Portman. Nun jedoch ist der Bart ab, und die Musik klingt sehr viel luftiger und dennoch fokussierter. Dazu fast schon unverschämt gut gelaunt.
"Ich bin kein Hippie", wehrt sich Devendra Banhart entschieden gegen die ihm zugedachte Typisierung. "Wir, die Band, sind keine Hippies. Das ist unfair gegenüber den Leuten, die tatsächlich Hippies sind. Die Art unserer Musik würde ich noch nicht mal Folk nennen. Doch selbst wenn ich einen Synthesizer im Konzert spiele und wir kein einziges nicht elektrisches Instrument auf der Bühne haben, schreiben sie, dass wir ein Folkset gespielt haben. Das ist verwirrend. Die Definition des Wortes Folk kann freilich von vielen Blickwinkeln aus betrachtet werden. Eine davon trifft tatsächlich auf uns zu - nämlich dass es sich um Musik handelt, die von Menschen für Menschen gemacht wird."
Natürlich ist Devendra Banhart trotzdem eine Art moderner Hippie. Seine Songs behandeln oft Naturbeobachtungen. Sie verabscheuen musikalische Genregrenzen und fügen das zusammen, was auf den ersten Blick weit voneinander entfernt liegt. Auf seinem neuen Album mixt er Pianojazz mit Glamrock oder brasilianischen Tropicália mit dem Sound der Doors oder Fleetwood Mac. Das sehr gelungene Songwriting von Banharts neuem Album scheint dazu auch eine Frage der Erfahrung zu sein.
"Was sich geändert hat - ich verstehe die musikalischen Aspekte meiner Kunst heute etwas besser. Anfangs war die Musik nur eine Plattform für Worte. Mit den Jahren bekomme ich ein besseres Gefühl für die Gitarre und eine Sensibilität dafür, wie sich meine Worte anhören könnten. Früher waren alle meine Kunstformen ineinander verschlungen. Nun hat sich Beziehung zwischen Malerei und Musik in mir zu trennen begonnen. Früher beendete ich alle Songs, die ich nicht musikalisch fertig stellen konnte, mit einer Zeichnung. Und alle Zeichnungen, bei denen ich es nicht geschafft habe, anzufangen, begann ich mit einem Song."
Seit Jahren tritt Devendra Banhart mit einer festen Band von Freunden auf. Mit ihnen nimmt er seine Musik in natürlicher Umgebung auf - in Landhäusern und manchmal sogar tatsächlich draußen, unter der Sonne Kaliforniens. Das stilistische Spektrum von Devendra Banharts neuem Album ist fast schon abenteuerlich weit. Eine Menge Stoff, die das Popgeschehen vergangener Jahrzehnte wie mit einem Weitwinkel-Objektiv fotografiert zusammenträgt. Kein schlechtes Arbeitszeugnis für eine Horde Hippies, denen man ja gerne mangelnde Zielgerichtetheit vorwirft. ~ Eric Leimann (teleschau)
Interviews, Stories, Meldungen und CD-Kritiken zu Devendra Banhart
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