"Ich will nie mehr pleite sein"
Dizzee Rascal veröffentlicht "Tongue'n'Cheek"
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"Ich will nie mehr pleite sein"
Dizzee Rascal veröffentlicht "Tongue'n'Cheek"
01.10.2009 Grime, das dürfte klar sein, war gestern. Dizzee Rascal ist sechs Jahre nach dem überraschenden Gewinn des Mercury Music Prize einer, der im Mainstream angekommen ist, eine Grauzone zwischen HipHop und Dance bedient und damit längst Teil des Formatradios ist. Eine Entwicklung, die man durchaus als Emanzipation begrüßen kann - weil sie nicht durch einen wie auch immer gearteten Ausverkauf zustande kam, sondern alleine einem stringenten musikalischen Kompetenzausbau verschuldet ist. Dizzee Rascal versteht Pop, und sein viertes Studioalbum "Tongue'n'Cheek" zeigt, dass dieses Verständnis ihn langfristig ganz nach oben bringen wird. "Dance Wiv Me", "Bonkers" und zuletzt "Holiday", die vorab ausgekoppelten Singles, schossen allesamt an die Spitze der britischen Charts.
"Dance Wiv Me' war so etwas wie ein Wegweiser für diese Platte. An dem Erfolg des Songs erkannte ich, was für mich alles möglich ist", erzählt Dizzee Rascal. Dass das ganze Album so immens tanzbar werden würde, war damals allerdings noch nicht klar. Eine Party bei Dizzee daheim gab den Ausschlag. Im Player: "Doggystyle", das 1993 veröffentlichte Album des amerikanischen Rappers Snoop Dogg. "Wir ließen das einfach durchlaufen. Und wenn es aus war, drückten wir auf Repeat. Und irgendwann dachte ich mir: Woah. Das ist ganz schön heftig, wir hören seit vier Stunden dieselbe Platte und haben mächtig Spaß damit. Da dachte ich mir: So ein Album würde ich gerne aufnehmen."
Ob das nun wirklich der erhobene Fingerzeig gegen die Rezessionsübellaunigkeit ist, den Dizzee selbst herbeikonstruiert, ist natürlich eher zweifelhaft. Klar ist jedoch: Musikalisch geht's zurück in die 90er-Jahre - das Jahrzehnt, in dem der Rapper aus London anfing, Musik zu hören. Aber auch das Jahrzehnt, in dem sowohl britischer Dance als auch amerikanischer HipHop endgültig Teil des Mainstreams wurden. Dass einer der Tracks auf "Tongue'n'Cheek" von der Dance-Legende Tiesto produziert wurde, passt da ebenso gut wie Dizzee Rascals Hinweis auf seine Liebe zum R'n'B: Wer etwa "Holiday" hört, wird automatisch an die Songs denken, die in den 90-ern das Genre prägen, etwa Mark Morrisons "Return Of The Mack" oder "Color Me Badds "I Wanna Sex You Up". Und gerade die von Disco-Hipster Calvin Harris produzierten Songs wie eben "Holiday" sind Pop im besten Sinne und vorläufiger Endpunkt eines langen Weges. "Ich bin ein Rapper, ich liebe HipHop. Aber ich bin Popstar. Ich versuche, mit meinen Songs ins Radio zu kommen. Und ich schreibe sie auch vor diesem Hintergrund", sagt Dizzee Rascal.
14 Jahre alt war Dizzee Rascal, als er anfing, Musik zu machen. Zunächst an den Plattenspielern als DJ und am Computer als Beat-Bastler. Nach zwei Jahren wechselte er ans Mikro. "Es schien mir logisch zu sein, MC zu werden. Ich hatte etwas zu sagen, und das funktioniert einfach nicht, wenn du nur auflegst." 2003 erschien mit "Boy In Da Corner" sein Debüt - Dizzee Rascal war zu diesem Zeitpunkt kaum volljährig, plötzlich einer der erfolgreichsten Solokünstler des Jahres. Und nicht zuletzt Mitbegründer eines völlig neuen Genres: Grime - englisch für Schmutz - machte seinem Namen alle Ehre, war düsterer, dreckiger und mit elektronischen Mitteln spielender HipHop.
Mit dem plötzlichen Ruhm und Reichtum sei er nicht sofort klargekommen. "Du weißt am Anfang nicht, wie du damit umgehen kannst und gehst davon aus, dass Geld dir jede Tür öffnet. "Eingekauft habe er wie ein Irrer. "Ich finde heute manchmal noch Kartons mit Schuhen, die ich kein einziges Mal anhatte. Oder Tüten mit einem Dutzend Shirts, die ich kaufte, als ich plötzlich Geld hatte. Das ist ganz eigenartig: Im Laden fand ich alles super, wollte es sofort haben. Daheim lag es dann rum - und ich war schnell davon gelangweilt", sagt er und fügt an, dass er heute seinen Reichtum zu schätzen wisse, weil er eben nicht aus sorgenfreien Middle-Class-Verhältnissen stamme. Einer der wenigen Momente im Gespräch, in dem Dizzee Rascal dankbar, ja fast bescheiden wirkt. "Ich will nie mehr pleite sein. Das ist das Wichtigste", sagt er.
Genug Ernsthaftigkeit. Denn auch wenn etwa in "Leisure" Gangstertum verblüffend nachdenklich und analytisch dekliniert wird und er ohne allzu großes Aufheben die "Summer University", eine Art Fortbildungsprogramm für unterprivilegierte Jugendliche, unterstützt: Das Ruppige liegt Dizzee Rascal eher, nachzuhören im erprobten und von Neunziger-Legende Armand van Helden produzierten Tanz-Hit "Bonkers". So erzählt er etwa gerne über "Road Rage", einen Song, der von seinem ersten Autounfall handelt, bei dem Dizzee Rascal ausgerechnet einen Streifenwagen rammte. "Das war ein bisschen blöd. Aber es war mein Fehler", sagt er und lacht. "Ich habe einfach nicht sehr viel Fahrpraxis, und die kamen mit ihrem Streifenwagen ganz schön schnell um die Ecke, weil sie unterwegs zu einem Einsatz waren." ~ Jochen Overbeck (teleschau)
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"Ich will nie mehr pleite sein" Dizzee Rascal veröffentlicht "Tongue'n'Cheek"
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