Duffy

"Ich würde gerne Barack Obama kennenlernen"


Duffy veröffentlicht ihr zweites Studioalbum "Endlessly"

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"Ich würde gerne Barack Obama kennenlernen"

Duffy veröffentlicht ihr zweites Studioalbum "Endlessly"

04.12.2010 Gleich zwei Hunde, so erzählt Duffy, habe sie sich gekauft. Beagles, weil die nicht nur so ein schönes Gesicht, sondern auch Charakter hätten. Um die kümmert sich eine Freundin, während Duffy in einer Hotelsuite in Berlin sitzt. Sie ist bester Laune, lacht viel, erzählt Anekdoten. Nicht nur über sich, sondern etwa auch darüber, wie Soul nach England kam: Leere amerikanische Schiffe wurden mit Kisten voller unverkäuflicher Platten bepackt. So lagen sie stabiler im Wasser. Und jene Platten wurden dann in den nordenglischen Hafen von Jugendlichen geklaut. "Endlessly", dem zweiten Album der 26-Jährigen, dürfte so ein Schicksal keinesfalls bevorstehen. Von ihrem Debüt "Rockferry" verkauften sich schließlich satte sechs Millionen Stück. Etwas zeitgemäßer produziert, etwas poppiger als jenes mag der Nachfolger sein, dennoch ist's nach wie vor Soul, der inhaltlich wie musikalisch berührt.

Einer Ihrer neuen Songs heißt "Too Hurt To Dance". Sind Sie jemals in der Disco traurig gewesen?

Duffy - D

Duffy: Oh, es mag sein, dass in diesem Lied ein paar persönliche Erfahrungen stecken. Aber ich möchte das nicht allzu weit ausführen. Wenn der Hörer wissen würde, auf was genau das Lied basiert, würde er daran denken. Jedes Mal, wenn er es hört. Und das wäre falsch, denn es geht nicht um mich. Es geht um den Zuhörer. Um seine Erfahrungen. Er soll den Song mit einer Geschichte aus seinem Leben verbinden. Mit seinem ganz persönlichen Schmerz.

Schmerz scheint ohnehin eines Ihrer Hauptinteressengebiete zu sein ...

Duffy: Die Idee der Traurigkeit, die einen plötzlich überfällt und zu einer tatsächlichen körperlichen Beeinträchtigung wird, fasziniert mich sehr. Wieso passiert das? Man hat schließlich keinen Virus, keine Grippe. Trotzdem fühlt man einen richtigen Schmerz, vergleichbar mit einem ernsthaften Herzproblem. Was ist da kaputtgegangen? Wer ist dafür verantwortlich? Diese Sache, die man Liebe nennt, kann Menschen zerstören. Ich habe so etwas oft gesehen.

Braucht man Schmerz, um einen guten Soul-Song zu schreiben?

Duffy - S

Duffy: Ich weiß es nicht. Ich glaube schon, dass man gelebt haben muss. Wenn du etwas Trauriges singst, musst du wissen, wie sich das für dich anfühlt, wie weh es tut, eine vergleichbare Situation durchzumachen. Ich denke, dass das eines der Grundmotive von Soul-Musik ist. Was du erlebt hast, prägt dich. Aber das bedeutet eben nicht, dass die Stücke situationsbezogen sind.

Was war der erste Song, den Sie hörten? War er traurig?

Duffy: Das muss "Crazy" von Patsy Cline gewesen sein. Ich war sechs oder sieben Jahre alt, und wenn ich an einem Sonntag in der Küche saß und der Regen gegen die Fensterscheiben schlug, dann passte diese sehnsuchtsvolle Stimme einfach wahnsinnig gut. Es gab bei BBC eine Show namens "Our Tune", in der das manchmal lief. Da riefen die Leute an und sagten: "Mein Liebster ist im Falkland-Krieg, und ich habe seit drei Monaten nichts mehr von ihm gehört. Drei Leute aus seiner Einheit sind gestorben, und ich weiß nicht, ob er dabei ist. Ich bin so verzweifelt." Für die wurde dann der Song gespielt. Mann, siehst du meine Gänsehaut? Die Erinnerung daran ist für mich heute noch intensiver als jede an einen Film oder eine Fernsehserie.

Sie sind in einem kleinen Dorf aufgewachsen ...

Duffy: In einem winzigen Dorf. 1.300 Menschen lebten dort. Man fuhr etwa 20 Minuten zum nächsten Ort, der etwas größer war, vielleicht 5.000 Einwohner hatte. Deshalb fand Musik für mich als Kind ausschließlich im Radio statt. Und im Auto. Im Auto gab es einige Kassetten, bei denen wir fleißig mitsangen. Zum Beispiel "Sunny Afternoon" von den Kinks. Meine Zwillingsschwester saß immer hinten, ich auf dem Beifahrersitz, weil ich zwölf Minuten älter bin. Beim Refrain stiegen wir dann gemeinsam in den Song ein. Der andere Song, den wir im Auto sangen, war "It's My Party And I Cry if I Want To".

Kein Plattenladen weit und breit?

Duffy - D

Duffy: Ein Woolworth. Dort gab es die Top Ten. Aber auch die kaufte ich nicht. Es interessierte mich nicht. Es gab in der Schule ein paar Mädchen, die Take That mochten. Die trugen die T-Shirts und kritzelten sich das Logo mit dem Kugelschreiber auf die Hose. Aber auch das interessierte mich nicht.

Wieso nicht?

Duffy: Keine Ahnung. Auf dem Land beschäftigen sich die Kinder eben mit anderen Dingen als in der Stadt. Sie sammeln Nacktschnecken oder bauen Sandburgen. Sie klettern auf Bäume. Das Verlangen, eine eigene Identität zu finden oder sich irgendeiner Jugendbewegung anzuschließen, ist geringer.

Haben Sie Reisen unternommen?

Duffy - B

Duffy: Nein, wir hatten diesen winzigen Fiesta. Jeden Morgen fuhr uns meine Mutter damit in die Schule. Das waren ein paar hundert Meter. Wenige hundert Meter, würde ich sagen. Sie fuhr uns vor allem, weil sie zu faul war, uns mit ihren High Heels zu Fuß dorthin zu bringen. Für mehr taugte das Auto nicht. Es war jedes Mal eine Lotterie, ob das Ding überhaupt anspringen würde.

Ihre Eltern waren zu der Zeit Teenager, aus der Sie Ihre musikalischen Inspirationen schöpfen. Tanzten die zu Soul-Musik?

Duffy: Ich weiß, dass meine Mutter ihren 21. Geburtstag groß feierte. Und ich glaube, sie erzählte auch einmal, dass sie damals Patsy Cline hörte. Insofern: nein. Die Feiern bei ihnen sahen anders aus. An jenem 21. Geburtstag wurden meiner Mutter aus dem Raum, in dem sie feierte, alle Geschenke gestohlen. Meine Mutter war so betrunken, dass sie in Tränen ausbrach. Sie und ihre Freundinnen fuhren dann morgens auf der Ladefläche des Milchlasters nach Hause. Aber sie hatten keine Schallplatten, glaube ich. Und es gab einfach keine coolen Clubs, in die sie hätten gehen können.

Sie sammelten Ihre ersten musikalischen Erfahrungen bei der walisischen Ausgabe von "Pop Idol". Irgendwann entschieden Sie sich dafür, mit Geoff Travis, dem Chef des Labels Rough Trade, und dem ehemaligen Suede-Gitarristen Bernard Butler zusammenzuarbeiten. Für ein Mädchen vom Lande ganz schön coole Referenzen ...

Duffy: Das wusste ich aber nicht. Ich dachte, ah, ein paar Typen in London wollen mit mir herumhängen. Plötzlich merkte ich, dass die anders waren, als die Leute bei Casting-Shows. Ich merkte, dass sie mich behutsam erzogen. Bernard spielte mir Musik auf den iPod, zum Beispiel David Bowie oder Glen Campbell. Und er sprach mit mir über Songs, erzählte mir Geschichten. Dabei war ich am Anfang ganz schön blond.

Inwiefern?

Duffy: Ach, ich ging da rein und sagte: "Also, ich kenne Stücke von Britney Spears." Und auch sonst plapperte ich vermutlich eine Menge Unsinn. Und Geoff Travis gab ich zur Verabschiedung einmal Küsschen. Dabei ist er ein eher zurückhaltender Typ. Danach haben alle gesagt, dass das in solchen Kreisen eher unüblich sei. Aber ich glaube, ich habe schnell gelernt.

Auf Ihrer neuen Platte singt Albert Hammond. Wie kam es dazu?

Duffy: Albert sah mich bei "Saturday Night Live". Seine Frau rief ihn vor den Fernseher, sagte: "Albert, schau Dir das an. Die klingt wie eine 50-jährige schwarze Mama, ist aber ein kleines blondes Mädchen." Das verblüffte ihn, und so rief er bald an. Er ist übrigens ein wirklich cooler Typ. Er trägt Chucks, Lederjacke, hat eine lässige Frisur, obwohl er 66 Jahre alt ist. Meine Schwester sagt immer, er sähe aus wie Al Pacino.

Waren Sie aufgeregt? Er ist immerhin einer der wichtigsten Songwriter aller Zeiten ...

Duffy: Nein. Das lag aber vor allem am Zeitpunkt, zu dem ich ihn traf. Das war kurz nach den Grammys und den Brit Awards. Mein Leben war plötzlich richtig groß. Ständig wurden mir irgendwelche absoluten A-Promis vorgestellt, "Hollywood Gold", sozusagen. Und mein Telefon klingelte häufig. Einige Tage vorher hatte mich Burt Bacharach angerufen. Einfach nur ein kurzer Schwatz. Ich hing in meinem Hotelzimmer rum, er war am anderen Ende der Leitung und verriet mir das Geheimnis einer guten Rhythmusgruppe.

Kann einem so viel "Hollywood Gold" aus dem Rhythmus bringen?

Duffy: Ich sehe das anders. Ich habe das Glück, mich mit Menschen zu unterhalten, die Unglaubliches schaffen, die tolle Songs schreiben oder in ganz hervorragenden Filmen mitspielen. Das ist etwas, das mir viel Spaß macht. Und wissen Sie was? Ich will noch mehr von ihnen kennenlernen. Ich würde gerne Stephen Hawking kennenlernen! Und Anthony Hopkins! Und Woody Allen! David Attenborough! Und Barack Obama!

Was würden Sie Barack Obama sagen?

Duffy: Keine Ahnung. Ich würde ihn vermutlich links und rechts küssen. Und "Yo, B.!" sagen. (lacht) ~ Jochen Overbeck (teleschau)


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