Franz Ferdinand

" ... sonst landest du auf dem 'Traumschiff'"


Erwachsen und ehrlich: Franz Ferdinand wehren sich gegen den ewigen Gleichklang

Aktueller Artikel im akuma.de Magazin zu Franz Ferdinand
» Übersicht von Franz Ferdinand anzeigen

" ... sonst landest du auf dem 'Traumschiff'"

Erwachsen und ehrlich: Franz Ferdinand wehren sich gegen den ewigen Gleichklang

26.01.2009 Man kann es drehen, wie man will: Franz Ferdinand sind im Independent-Gestrüpp von Mando Diao zu den Kaiser Chiefs hinüber zu White Stripes und den Arctic Monkeys etwas Spezielles. Nicht wegen ihres deutschen Namens und ihres deutschen Gitarristen und Keyboarders Nick McCarthy, nicht wegen solchem Popanz. Es ist der starke Dialekt, die harte Aussprache merkbarer Sätze, die so gut zu den blitzgescheiten Albumtiteln passen. "You Could Have It So Much Better" hieß der letzte. Und jetzt: "Tonight: Franz Ferdinand". Da hätte schon früher einer draufkommen können, oder? Das zeichnet eine Band aus. Und ihr Geheimnis zu ergründen, ist gar nicht schwer. Geheimniskrämerei ist nämlich nicht ihre Stärke. Die Schotten erzählen alles. Und gehen es musikalisch auf ihrem dritten Album langsamer an als zuvor und verlieren doch nicht an Fahrt. Auch das soll ihnen erst mal einer nachmachen.

Diese Band ist so gut, weil sie erwachsen ist, weil sie Probleme erwachsen löst, ohne Kollateralschäden. Dafür gebührt dem kreativen Quartett Respekt. Das findet man nicht überall in diesem Gewerbe. Genauso wenig wie eine ungezwungene Offenheit. Paul Thomson, der Schlagzeuger, und Nick McCarthy sitzen in einem schmucklosen Raum auf einem Sofa und blättern in einer Zeitschrift.

Franz Ferdinand - F

Es ist als würde man gemeinsam im Wartezimmer sitzen und ins Gespräch kommen. Am Morgen des Interviews sendete das Radio neue Gehaltsverhandlungen zwischen Guy Ritchie und Madonna. Der damalige Stand der Scheidungssumme: 77 Millionen Dollar. Paul Thomson hebt interessiert die Augenbraue: "Ich dachte, es wären 50, wow. Obwohl ich nicht weiß, ob es für fünf Jahre Madonna entschädigt." Nick McCarthy und Paul Thomson verbeißen sich ein Grinsen.

Da sind wir schon bei einem wesentlichen Punkt, der Unverkrampftheit. So simpel ihre Songs klingen, so aus dem Ärmel geschüttelt sind sie nicht immer. Doch sie entstanden immer mit der Überschrift "Spaß". Nicht jeder Band, die drei Jahre nonstop an der Karriere bastelte, nimmt man das noch ab. Doch Franz Ferdinand haben eine lückenlose Beweiskette. Nachdem sie sich 2007 etwas Zeit für sich nahmen, um entweder eine Familie zu gründen (Paul), sich in Südamerika in Hängematten zu suhlen (Nick), noch mehr zu arbeiten (Sänger Alex Kapranos) oder einen Film zu drehen (Bassist Robert Hardy), richtete sich die Band ihre private Spielhöhle ein.

Sie wollten nicht wieder in Sänger Alex Kapranos' Haus arbeiten. "Wir beschlossen in der Stadt zu bleiben, nicht wieder aufs Land zu gehen", erklärt Nick, der das alte Rathaus etwas außerhalb von Glasgow entdeckte. "Dort wurden viele Filme gedreht, unter anderem 'Dogville' von Lars von Trier", stellt er die Vita ihrer neuen Kreativstätte vor. Obwohl es nach Rock'n'Roll klingen würde, erwähnen sie nicht, dass ihr Vormieter eine Drogenberatungsstelle war.

Paul erklärt: "Wir probten in den Umkleiden des Theaters, das in dem alten Rathaus untergebracht war. Die paar Aufnahmen, die wir dort machten, klangen richtig gut. Dann funktionierten wir unser Headquarter zum Studio um. Es ist viel effizienter, Geld in etwas Eigenes zu stecken und zu improvisieren. In vertrauter Umgebung fühlst du dich einfach wohler. Wenn du in ein professionelles Studio gehst, ist alles fremd, das mögen wir nicht." Bestechende Logik, die sich bei genauerem Betrachten zum Lausbubenstreich von Leuten auswächst, die ganz vergessen haben, dass sie bereits über 30 sind.

Franz Ferdinand - M

Es kommt Leben in das Wartezimmer, wenn sie von ihrer baulichen Errungenschaft erzählen. Sie spielen nach, was sie in den Gemäuern erlebten, erklären, was sie mit "mehr Freiheiten" meinen. "Wir hatten einen unglaublichen Hall, wenn wir wollten, unser Klatschen haben wir in neun verschiedenen Räumlichkeiten aufgenommen. Wir ließen ein Mikro von der 20 Meter hohen Decke hängen. Das schwang hin und her, nahm dabei Gitarrensoli auf. Manches klingt, als hätten wir in einer voll gestopften Garage gespielt, mal waren wir im Klo. Die Feinheiten hört man auf dem Album."

Während Paul mit dem Handclapping beschäftigt ist und Nick noch mal grinsend das Mikro schwingen lässt, erzählen sie schon von ihrer Isolierung, die "Tonight: Franz Ferdinand" zu einem Werk der Nacht werden ließ. Ziegel an den Fenstern dienten dem Lärmschutz, machten den Raum aber auch verdammt dunkel, sodass sich ein Album entwickeln konnte, das weiter von den beiden Vorgängeralben entfernt ist als sich die Fans vielleicht erwarten. Durchaus ein gewünschter Effekt, der der eigenen Ikonisierung entgegenwirkt. "Wir", zuckt Paul mit den Schultern, "wollen uns nicht zu Tode langweilen, das funktioniert für Oasis oder AC/DC. Nicht für uns." Schon mischt sich Nick ein: "Sonst spielst du zum Schluss auf dem 'Traumschiff'. Ich habe das Album meiner Schwiegermutter vorgespielt und sie sagte: 'Aber wo sind die Gitarren?' Ich habe gesagt, sie sind weg." Er bleckt die Zunge und dreht an seiner Nase. Er bleckt die Zunge, und würde man ihn fragen, was für Kuchen sie vor der heimischen Listening Session gegessen haben, Nick würde es erzählen.

Sie erzählen alles. Davon wie sie Lieder in kleinen Clubs ausprobierten und verwarfen. Sie nennen den Ort und den Songtitel, den es heute nicht mehr gibt. Sie verraten ihre technischen Tricks, um die andere ein großes Geheimnis machen und reden über Details. Und über zwischenzeitliche Burn-Out-Phasen. Ende 2006, so Nick, "war der Zeitpunkt erreicht, an dem ich auf der Bühne stand, jeden Abend vor tausend Leuten, aber ich habe nichts mehr gefühlt. Die Pause brachte uns so weltbewegende Neuerungen wie Wochenenden oder die Chance ins Kino zu gehen. Ich war leer, wir waren leer."

Keineswegs ein gefährlicher Zustand, findet Kollege Thomson: "In solchen Zeiten muss man die Balance finden aus dem bewussten Neuen und gleichzeitig - lässt du es laufen. Sich selbst in der Hinsicht herauszufordern, das eigene Spektrum zu erweitern, macht doch Spaß!" Sie scheinen mehr zu haben als andere Bands. Wo andere grübeln, bastelten die Vier mit Glaswolle an der Dämmung ihrer Fenster, krabbelten angstfrei im Gebälk herum, um Mikrofone zu installieren. Sie improvisierten, ließen geschehen.

Paul lacht: "Bei unseren Aufnahmen ging es ums Abschalten. Wir haben uns in Trance gespielt, weg vom Bewussten, einfach Bewegungen wiederholen. Die Arme machen einfach weiter." Nick ergänzt: "Immer und immer wieder das gleiche Teilstück spielen, bis zum Umfallen." Ergo geht es ihnen nicht darum, ob das neue Album "offener" oder "expressiver" ist. Es ist passiert, einfach so. "Was man nicht von uns erwartet hätte, ist das überlange 'Lucid Dreams'. Das ist ungewöhnlich und erwachsener als sonst", meint Nick, und wird von seinem Schlagzeuger unterbrochen: "Och, neee! Genau das nicht. Es ging doch ums Spielerische. Das war doch auch der Grund für den Produzenten."

Die Band verabschiedete sich auf halber Strecke von Brian Higgins, dem Erfolg versprechenden Top-Mann, weil beide Parteien merkten, dass man schwerlich den gleichen Weg gehen mag. Dan Carey war nicht ganz so bekannt, aber chaotisch genug, uralte Synthesizer und menschliche Knochen als Percussionelement zu kombinieren. Einmal mehr machte das Arbeiten Spaß. Nebenbei zeigten sie wie eine ordentliche Trennung ohne Schmutz geht. Das ist erwachsen. ~ Claudia Nitsche (teleschau)


Interviews, Stories, Meldungen und CD-Kritiken zu Franz Ferdinand

" ... sonst landest du auf dem 'Traumschiff'"

Erwachsen und ehrlich: Franz Ferdinand wehren sich gegen den ewigen Gleichklang
" ... sonst landest du auf dem 'Traumschiff'"

Man kann es drehen, wie man will: Franz Ferdinand sind im Independent-Gestrüpp von Mando Diao zu den Kaiser Chiefs hinüber zu White Stripes und den Arctic Monkeys etwas Spezielles. Nicht wegen ihres deutschen Namens und ihres deutschen Gitarristen und Keyboarders Nick McCarthy, nicht wegen solchem Popanz. Es ist der starke Dialekt, die harte Aussprache merkbarer Sätze, die so gut zu den blitzgescheiten Albumtiteln passen. "You Could Have It So Much Better" hieß der letzte. Und jetzt:... mehr »


Weitere Meldungen zu Franz Ferdinand


CD-Kritiken zu Franz Ferdinand-Alben