"Ehrlich gesagt, bin ich sehr verunsichert"
Howard Carpendale über sein Comeback, neue musikalische Wege und seine eigentliche Heimat - Deutschland
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"Ehrlich gesagt, bin ich sehr verunsichert"
Howard Carpendale über sein Comeback, neue musikalische Wege und seine eigentliche Heimat - Deutschland
05.01.2010 "Stark" nennt Howard Carpendale sein neues Album. Und obwohl der Barde aus Südafrika 2003 bereits seinen Abschied von Musikbiz und Bühne bekannt gab, möchte er mit neuem musikalischem Image noch einmal durchstarten, geht ab April 2010 auf ausgedehnte Hallentournee. Und strotzt vor Selbstbewusstsein: "Das ist mein bestes Album", meint ein bestens gelaunter Howard Carpendale beim Interview.
Wieso wollten Sie noch einmal eine Neudefinition Ihrer Person als Künstler, und das mit 63 Jahren, wo andere in Rente gehen?
Howard Carpendale: Ich hatte einfach Lust dazu. Es war abzusehen, dass ich nach dem Comeback-Album "20 Uhr 10", das meinen früheren sehr ähnlich war, nicht noch einmal so weiter machen konnte, ohne mich zu wiederholen. Und es war eine unglaubliche Herausforderung, zu sehen, ob wir den "alten Howie" vergessen können, ohne so weit davon wegzugehen, dass es nichts mehr mit mir zu tun hat. Das war eine Aufgabe, die mein Manager Dieter Weidenfeld uns gestellt hat. Deswegen haben wir so lange im Studio gearbeitet. Wir wollten Titel komponieren, die frisch, neu, anders, klingen, aber doch wie ich.
Wie fanden Sie die Reaktionen?
Carpendale: Ganz wunderbar! Mir ist ein Traum erfüllt worden, als ich in der Berliner Presse plötzliche Vergleiche mit Lionel Richie und Marvin Gaye lesen durfte!
Aber Sie haben "die Wende" mit Ihrem alten Team probiert. Wieso haben Sie nicht einfach die Mitarbeiter ausgewechselt?
Carpendale: Da halte ich nichts davon, es gibt so viele, die meinen, plötzlich in den USA aufnehmen oder berühmte Produzenten über ihre Songs lassen zu müssen. Mit dem Resultat, dass die Sachen nach den Produzenten klingen, aber nicht mehr nach ihnen selbst! Ich hatte außerdem einen neuen Mann am Start.
Wer ist neu dabei?
Carpendale: Einer der Komponisten, André Franke, er war aber auch schon vorher mein Bandleader. Er bringt einfach Jugend mit! (er ist 36, die Red.)
Wieso hatten Sie sich eigentlich 2003 zurückgezogen und dann wieder ein Comeback geplant?
Carpendale: Ich wollte eigentlich meine Ruhe haben, spielte aber immer mal bei kleinen Firmenfeiern in Deutschland, nach Lust und Laune. Nach drei, vier Jahren der Pause hatte ich ehrlich gesagt wieder extreme Lust, auf die Bühne zu gehen. Das war einfach alles, was ich machen wollte! Das merkte ich damals. Ich kann so etwas nicht so leicht an den Nagel hängen und nur noch Golf spielen. Aber 2003 war ich an einem Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, es wiederholt sich alles. Von diesem Album jetzt bin ich aber so begeistert, dass ich sogar die Werbung selbst spreche. Dabei ist das ein ganz riskantes Projekt, wenn ein Künstler seine eigene Werbung spricht.
Wie weit sind Sie beim Produktionsprozess involviert gewesen?
Carpendale: Weniger als früher, ich habe mich ein bisschen zurückgezogen und lasse nun die anderen mehr machen. Allerdings habe ich natürlich überall die Finger drin. Es gibt kein Wort und keine Note, wo ich nicht mitgeredet habe. Wieso stehe ich nicht in den Credits drin? (lacht)
Im Song "Noch immer mittendrin" singen Sie, dass Sie sich gegen den Strom bewegen. Sind Sie ein politischer Mensch?
Carpendale: In diesem Song sehe ich jetzt an sich keine Politik, aber ja, ich bin ein sehr politischer Mensch, immerhin war mein Vater ja Politiker. Ich bin zwar nicht sehr oft in meinem Geburtsland Südafrika, beobachte aber, was dort abgeht. Seit zwei, drei Jahren, ist dort das absolute Chaos, es herrscht die Korruption, überall sind schreckliche Vibrations in diesem herrlichen Land. Es wäre kein Wunder, wenn in Südafrika auch eines Tages ein Diktator wie Robert Mugabe antreten würde, der das Land in den Ruin treibt! Glücklicherweise ist es noch weit entfernt. Ich mache mir schon viele Sorgen, meine Mutter wohnt ja noch dort.
Sind die Themen Ihrer Lieder autobiografisch?
Carpendale: Die Beatles sagten einmal: "Lest nicht so viel in unsere Texte hinein." Aber trotzdem müssen die Texte glaubwürdig sein, sie müssen aber deshalb nicht autobiografisch sein.
Welcher ist der persönlichste Song?
Carpendale: "Jetzt bist Du weg", er spricht mir einfach aus der Seele, nicht wegen aktueller Ereignisse, sondern weil er mich so sehr bewegt. Das haben doch alle einmal erlebt, egal ob es ein Kind ist, das aus dem Haus geht oder eine Frau, von der man sich trennt. Das Gefühl, dem- oder derjenigen nicht genug Zeit von seinem Leben gegeben zu haben. Der andere ist "London", den finde ich einfach wunderbar! Diese Frau, um die es da geht, vereint alle Vorzüge, von denen Männer träumen. Sie ist freiheitsliebend und engt einen auch nicht ein ...
Im Song "Das hätt' ich nie gedacht" singen Sie über eine neue Liebe und dass Sie plötzlich gerne AC/DC hören. Auch nicht autobiografisch?
Carpendale: Bis auf die Sache mit der neuen Liebe schon: Ich entdecke wirklich dauernd neue Dinge, neue Gruppen, die ich verpasst habe, weil ich so lange in Amerika gewohnt habe. Silbermond zum Beispiel. Ich & Ich ebenso! Die Zeile "Das hätt' ich nie gedacht" kam mir deshalb von Herzen. Den Rest, die neue Liebe, hat mein Texter dazu interpretiert (lacht). Ich könnte mir sogar vorstellen, mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten. Aber es muss Sinn machen. Nicht nur wegen der Popularität. Lionel Richie hat mich auch gefragt, ob ich was mit ihm zusammen singe. Aber der Titel muss erst geschrieben werden, und er muss hundertprozentig stimmen. Ich singe nicht nur mit Lionel Richie, weil ich die Chance dazu habe!
Was würde denn passieren, wenn Sie plötzlich den Rocker raushängen lassen oder Soulsongs singen?
Carpendale: Das kommt darauf an, wie sehr man auf sein Publikum verzichten kann (lacht). Peter Maffay brauchte zehn Jahre, damals, als er seinen Stil so stark verändert hat, bis er sich darin wieder gefestigt hatte. Ich habe aber keine Lust, plötzlich kein Publikum mehr zu haben. Man will seine Fans weiterführen, aber nicht verschrecken. Das heißt aber nicht, dass ich mich frage, was meine Fans wollen und ihnen hinterherproduziere. Ich frage mich schon zuerst, was ich will.
Immerhin covern Sie ein Stück von Kid Rock!
Carpendale: Cover ist ein doofes Wort. Im Ausland ist das ganz normal, dass man eigene Versionen von Songs anderer Künstlern singt, in Deutschland "covert" man immer gleich. Egal, ich habe "All Sommer Long" mal auf der Tournee gesungen, damals bei der Open-Air-Tour, und es kam einfach sehr gut an. Ich singe auch von Silbermond "Alles überlebt" und eine Liveversion von "Über sieben Brücken musst du gehen".
Sie haben sich einmal darüber aufgeregt, wenn es über einen Künstler heißt, "er ist sich selbst treu geblieben". Das versuchen Sie doch trotz des neuen Sounds auch?
Carpendale: Ich rege mich über diesen Ausdruck deshalb auf, weil er von manchen Journalisten so gebraucht wird. Dass es nur bedeutet, man macht immer den gleichen Mist, das ist doch tödlich!
Was sagen Sie, wenn jemand Ihre Musik "Schlager" nennt?
Carpendale: Das Gute ist: Das sagt fast keiner mehr! Ich nenne meine Musik "stark". Ich weiß nicht, ob ich Deutschpop bin oder Schlager, das sind Schubladen, die ich ablehne. Stell dir vor, einer singt "My Heart Is Beating Like A Jungle Drum" von Emiliana Torrini auf Deutsch, das wäre für mich Schlager pur, da würde man jeden Sänger für auslachen! Wo ist da die Grenze?
Wo sehen Sie denn eigentlich Ihr Zuhause? Südafrika? Deutschland? USA?
Carpendale: Eigentlich Deutschland. Ich hatte mir zwar vor 15 Jahren einen Zweitwohnsitz in Florida zugelegt, in der Nähe von Palm Beach, weil ich in einem Land leben wollte, wo immer die Sonne scheint und wo ich Golf spielen kann. Nun gut, das habe ich jetzt erlebt. Ich bin immer ein paar Monate drüben und ein paar Monate in Deutschland.
Wenn Sie so viel reisen: Haben Sie Musikerfreunde in der ganzen Welt?
Carpendale: Ich bin gar nicht mit Künstlern befreundet, eher mit Sportlern, die sind mehr meine Kragenweite. Ich habe früher selbst viel Sport gemacht. Allerdings hat es für die Spitze nie gereicht!
Was machen Sie außer Golf spielen, wenn Sie nicht arbeiten?
Carpendale: Viel, Filme gucken, vor Kurzem habe ich "Inglorious Basterds" gesehen, Tarantino ist ein Genie! Das ist der beste Film, den ich je gesehen habe! Ich gehe zwei-, dreimal die Woche in ein Fitness-Studio, gehe ins Theater. Ich versuche generell, vernünftig zu leben, schmeiße keinen Müll in die Landschaft, aber ehrlich gesagt, bin ich sehr verunsichert, da man jeden Tag neue News bekommt. Plötzlich soll man nur noch Bio essen, dann wieder nicht. Ich finde sogar, dass unsere Politiker uns viel zu wenig anleiten, sie haben Angst, sich auf irgendwelche Stühle zu setzen. Ich bin für eine deutlich stärkere Führungsrolle der Politiker, dafür werden sie doch gewählt! ~ Stefan Weber (teleschau)
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