"Wir sind keine Zeigefinger-Band"
Ich + Ich wünschen eine "Gute Reise"
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"Wir sind keine Zeigefinger-Band"
Ich + Ich wünschen eine "Gute Reise"
13.11.2009 Ein seltsames Paar? In der Vergangenheit ist viel über die vermeintlich ungewöhnliche Paarung Ich + Ich geschrieben worden. Natürlich liegen scheinbar - nicht nur, was das Alter angeht - Welten zwischen Ex-Boygroup-Sänger Adel Tawil (31) und Ex-Ideal-Ikone und Pop-Produzentin Annette Humpe (59). Und auch die Tatsache, dass Humpe sich inzwischen von jeglichen Live-Auftritten des selbst ernannten "Projekts" ausnimmt, ist nicht gerade alltäglich. Dennoch: Nicht nur auf ihrem dritten Album "Gute Reise" klingen großes Einverständnis und eine gewisse Gelassenheit durch, auch im Interview passt kein Blatt zwischen die beiden. Wenn überhaupt, treibt das Duo aus Berlin nur eine Frage um: Wie wird sich das Projekt weiter entwickeln, nachdem das letzte Album "Vom selben Stern" zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Alben der letzten zehn Jahre wurde?
Euer neues Album heißt "Gute Reise". Wann hattet Ihr denn selbst eine gute Reise? Oder überhaupt mal Urlaub?
Humpe: Ich hatte an Ostern eine gute Reise, da war ich für zwei Wochen in Los Angeles und San Francisco, besuchte einen Freund, arbeitete ein bisschen, reiste herum.
Tawil: Also mit dem letzten Album auf Tour sein, das war für mich auf jeden Fall eine gute Reise. Es war anstrengend, aber auch traumhaft schön. Denn so viele Konzerte hatte ich noch nie in meinem Leben live gespielt. Aber ich habe dabei sehr viel gelernt und viele Erfahrungen sammeln können. Und mit der ganzen Crew im Nightliner durch Deutschland reisen, das ist schon Klasse.
Die Frage nach dem Urlaub hat noch einen anderen Hintergrund. Wenn man Eure Biografie liest, bekommt man den Eindruck, dass Ihr ziemliche Workaholics seid ...
Humpe: Also ich arbeite gerne. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.
Tawil: Naja, wenn die Arbeit zu viel wird, dann sollte man sich auch mal eine Auszeit gönnen. Da bin ich schon auch ein Freund von. Aber man ist schon auch so ein bisschen gesegnet mit dem Job, den wir machen. Wenn ich überlege, andere Leute müssen arbeiten, machen etwas, das ihnen keinen Spaß macht, und das ist womöglich noch eintönig oder im Keller ohne Tageslicht ... Der Gedanke hilft, wenn man selbst mal einen Tag hat, der etwas anstrengender ist.
Kennt Ihr so etwas wie feste Arbeitszeiten?
Humpe: Wenn wir im Studio sind, an Songs arbeiten und ganz viel arrangieren, dann schon. Dann geht's um elf Uhr los, und das dauert dann so bis um fünf, sechs. Und das dann auch fünf Tage die Woche. Aber wenn ich an Texten arbeite, ist das natürlich nicht so. Da muss man ja auch inspiriert sein. Wenn mir tagelang keine Headline oder ein Thema einfällt, dann muss ich warten, bis ich irgendwas gelesen habe oder so.
In Eurer Bandbio steht der schöne Satz, dass Du, Annette, ohne Tourstress ständig an Songs arbeiten kannst, "mal abgesehen von meinen Aufgaben und Pflichten als Mutter". Wie viel Mutter braucht denn Dein 17-jähriger Sohn noch?
Humpe: Naja, er ist ein bisschen faul und unordentlich. (lacht) Da mache ich dann schon seine Wäsche oder ihm etwas zu essen. Und dann muss ich auch gucken, dass er nicht die ganze Zeit nur am Rechner sitzt und daddelt. Und ich muss ab und zu so etwas sagen wie: Hey, du schreibst doch morgen die und die Arbeit, oder? Hallo? (lacht)
Adel könnte ja rein altersmäßig auch Dein Sohn sein. Musst Du ihn auch ermahnen und antreiben? Oder wer hat bei Euch die Hosen an?
Humpe: (lacht) Ich habe eigentlich meistens Hosen an.
Tawil: Ich würde sagen, beide haben die Hosen an. (lacht)
Humpe: Also ich bin schon zuständig für die Texte, aber wenn Adel etwas nicht gefällt, dann kann er das sagen. Wenn er etwa ein Wort komisch findet, dann nehme ich das eben raus.
Tawil: Außerdem ist es auch so, dass zum Zeitpunkt, wenn Annette die Texte schreibt, wir meistens sowieso schon darüber geredet haben, über die Themen. Deswegen passiert es auch nicht, dass sie mir einen völlig fremden Text vorsetzt, von dem ich sage: Damit kann ich nichts anfangen. Dafür kennen wir uns auch zu gut. Und ich weiß, dass sich Annette dann ja auch schon Wochen mit dem Text befasst hat, sodass hinter jedem Wort auch Sinn steckt und dass da nichts Überflüssiges ist. Ich hab kaum Verbesserungsvorschläge. Eigentlich gar nicht. Ich denke meistens nur: Hammertext, komm lass uns den aufnehmen.
Geht Eure Beziehung eigentlich inzwischen über die Arbeit hinaus? Könnt Ihr auch mal gemeinsam abschalten?
Humpe: Ja, das können wir auch. Wir können sehr gut gemeinsam trinken. (lacht)
Tawil: Und dann können wir auch über alles Mögliche quatschen.
Zwischen Euch scheint ja große Einigkeit zu herrschen. Gibt es eigentlich jemanden, von dem Ihr Kritik akzeptiert?
Humpe: Wir hören uns das immer an. Auch das, was Du jetzt sagst. Wenn Du in einem früheren Stadium etwas zu den Stücken gesagt hättest, dann hätte ich versucht, zu fühlen, ob was da ist. Und wenn ich das Gefühl gehabt hätte, da ist was dran, dann wäre ich der Sache nachgegangen. Wenn nicht, dann nicht. Und manchmal gibt's es tatsächlich Punkte, auf die wir auch eingehen.
Umgekehrt die Frage: Wie geht Ihr mit übermäßigem Lob um? Bei der Präsentation Eures Albums sprach der Vertreter der Plattenfirma von Euch als den "Kronjuwelen" ...
Humpe: Da können wir aber nichts dazu.
Das ist klar. Aber macht Euch so was verlegen?
Tawil: Klar. Uns macht ja nicht nur das, uns macht ja auch der Erfolg des zweiten Albums verlegen. Das war einfach nur schockierend und überraschend. Und zwar so sehr, dass wir jetzt schon nur noch denken: Wir machen doch nur Musik. Und das hier ist unsere neue Platte, hoffentlich gefällt sie euch.
Auch musikalisch spürt man das. "Gute Reise" wirkt sehr optimistisch und gelassen ...
Humpe: Das gefällt mir. Wenn das so wäre, freut mich das. Das ist ein Ziel, an dem ich arbeite. An Gelassenheit im Leben.
Gibt es deswegen dieses Mal auch keinen explizit kritischen Song? Auf dem letzten Album habt Ihr mit "Junk" gegen den Konsumwahn angesungen ...
Humpe: Naja, es ist einfach wahnsinnig schwer, Protestsongs zu schreiben. Da muss man sich dann auch auf das Genre einlassen. Und das wäre dann eher etwas für ein anderes Projekt.
Tawil: Wir sind auch keine Zeigefinger-Band. Bei "Junk" hat das irgendwie gepasst.
Humpe: Bei dem Song haben ganz viele gemeckert.
Wer denn?
Humpe: Na, auch Journalisten. Die meinten, das wäre zu direkt.
Auf dem neuen Album baust Du dafür ja allen möglichen Leuten ein Denkmal: Busfahrern, Krankenschwestern, Müllmännern. Gab es ein konkretes Erlebnis, das Dich zu dem Song bewogen hat?
Humpe: Eigentlich gibt es zu allen Songs einen konkreten Anlass. Und bei "Danke" war es eben der Supermarkt bei mir um die Ecke, der bis Mitternacht geöffnet hat. Und davon gibt es viele in Berlin. Es ist schon cool, so spät noch einkaufen zu können. Aber da sitzt eben auch eine Mutti mit Ringen unter den Augen und zieht mir um halb zwölf noch meine Sachen über das Band.
Tawil: Und da ist man dann schon dankbar.
Ein weiterer ziemlich persönlicher Song ist "Alleine tanzen". Kennt Ihr die dort beschriebene Situation, dass keiner von beiden den ersten Schritt wagt?
Tawil: Ja klar, ich hab da auch gleich meine Jugendzeit vor Augen, dieses Schulball-Ding. Ich hatte damals riesigen Liebeskummer, weil mein bester Kumpel mit dem Mädchen auf Klassenfahrt zusammen gekommen war, in das ich total verknallt war. Und die ich unbedingt haben wollte. Da erlebte ich genau so einen Abend. Ich fragte sie nicht, sie fragte mich nicht. Mein Freund fragte und bekam sie dann auch. Ich hingegen rannte danach postwendend in den Wald und weinte. Ich dachte, dass mein Leben jetzt vorbei wäre.
So eine Situation hat wohl jeder schon erlebt ...
Humpe: Ja, eben. Ich finde mich in dem Song auch wieder. Wenn mir mal jemand gefällt, dann verkrieche ich mich eher und gucke weg, anstatt zu zeigen, dass mir der Andere gefällt. Man könnte ja auch sagen: Entschuldigung, ich finde Sie gerade so nett, könnten wir nicht mal einen Kaffee zusammen trinken? Aber dann ist die Angst vor einem Korb einfach zu groß. Und ich glaube, das geht Frauen und Männern so. Und eigentlich ist das absurd: Ich stehe so meinen Mann im Beruf, aber ich bekomme total Angst, wenn ich jemandem zeigen soll, dass er mir jetzt gefällt.
Von den persönlichen Liedtexten mal abgesehen, weiß man sonst ja nicht viel Privates von Euch, Ihr seid noch nie durch Skandale aufgefallen. Wollt Ihr erzählen, wo und wann Ihr mal so richtig die Sau rausgelassen habt?
Humpe: Nein! Das werde ich Dir doch nicht verraten! (lacht) Das kannst Du doch nicht erwarten. Aber es gäbe da einiges.
Tawil: Wenn ich das erzähle, werde ich verhaftet (lacht). ~ Stefan Weber (teleschau)
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