"Der Sänger, das bin ich"
Der uneitle James Morrison strebt nach Wahrhaftigkeit
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"Der Sänger, das bin ich"
Der uneitle James Morrison strebt nach Wahrhaftigkeit
31.10.2008 Die etwas abgestandene Phrase vom Leben auf der Überholspur bringt er dann auch noch. Doch irgendwie wirkt die bei James Morrison auch glaubwürdig. Erlebt man den 23-jährigen Sänger im Gespräch, würde man nicht unbedingt vermuten, er habe ganz genau begriffen, was da in den vergangenen zwei Jahren so alles auf ihn eingeprasselt ist. Mit "Undiscovered" - sehr passend betitelt - gelang dem damals völlig unbekannten Engländer quasi aus dem Stand ein Nummer-eins-Album, von dem er weltweit zwei Millionen Exemplare absetzen konnte. Es folgten ein Brit Award in der Kategorie "Best British Male Solo Artist" und eine vier Kontinente umspannende Welttournee. "Amazing" ist seine am Häufigsten verwandte Umschreibung für das, was er in dieser Zeit erlebte - und fast schon die konkreteste dazu. Sehr glücklich sei er nämlich mit dem Erreichten und überhaupt bester Dinge. Beneidenswert.
Wenn man so will, ist James Morrison ein neuerlicher Beweis, dass im Popland Großbritannien wieder einiges möglich, manche Weltkarriere im Handumdrehen gestartet ist. Zumindest dann, wenn man Teil der neuen Retro-Soul-Welle ist, die vorerst unaufhaltsam aufs angrenzende Festland schwappt. Die schwungvolle Soul-Kante, die die erfreulichsten Songs des neuen Albums "Songs For You, Truths For Me" beflügelt, verortet James Morrison denn auch wieder recht deutlich im Geflecht schwarzer Musik der 60er- und 70er-Jahre.
Die große Euphorie um den wiederentdeckten Motown-Sound wertet er indes doch eher als Medienphänomen. Er selbst habe versucht, nicht stereotyp in schwarzer und weißer Musik zu denken, sondern ein paar Dinge im Vergleich zum Debüt zu variieren und einfach gute Songs zu schreiben: "Die Grundidee des Soul ist doch, das zu empfinden, worüber man singt. Und das versuche ich bei jedem Song. Leidenschaft ist das, was einen vorwärts treibt." Dennoch ist das ungemein stil- und reizvolle britische Soul-Revival vornehmlich weißer Sängerinnen wie Duffy und Amy Winehouse auch für ihn eine der begrüßenswertesten Erscheinungen des gegenwärtigen Pop. Hier in einem Atemzug, gewissermaßen als männliches Pendant genannt zu werden, flößt Morrison entsprechend auch kein Unbehagen ein: "Ich habe gar keine Probleme damit, der Blue-eyed-soul-boy zu sein."
Dass es aufgrund des Erreichten nun eine gewisse Erwartungshaltung gibt, einen kommerziellen Druck, will er trotz aller Glückseligkeit nicht abstreiten: "Definitiv, das hat man schon im Hinterkopf. Aber ich versuche, nicht zu viel daran zu denken. Dass sich meine erste Platte so gut verkaufte, war für alle Beteiligten ein ziemlicher Schock. Natürlich will ich den Erfolg wiederholen. Aber wenn ich mit dem, was ich tue, meine Integrität bewahren kann, ist mir das viel wichtiger, als ein mieses Album zigfach zu verkaufen."
Nimmt man die Vielzahl seiner Kollaborateure zum Maßstab, könnte man auf die Idee kommen, dass James Morrison bereits jetzt eine etablierte Größe im internationalen Popgeschäft ist. Die Ballade "Broken Strings" singt er im Duett mit Nelly Furtado ("eine ungewöhnliche Wahl"), umgekehrt erschien er auf dem letzten Album von Jason Mraz. "Ja, ich habe das Gefühl, viel ausprobieren, den Dingen eine Richtung geben zu können", bestätigt er und witzelt sehr trocken: "Ich fühle mich schon annähernd wie ein vollwertiger Künstler." Wobei man nicht wirklich sicher sein kann, ob dieser über die Maßen uneitle und ernsthafte Künstler das überhaupt ironisch meint. "Ich bin nicht gerade der Typ, der sich anderen aufdrängt", fügt er noch artig an, "aber da wächst ein gegenseitiger Respekt, der mich sehr glücklich macht." Auch von seinem Idol Yusuf Islam ("Er ist so ein netter Kerl"), jenem Folkbarden, der sich früher einmal Cat Stevens schimpfte und mit dem Morrison auch schon zusammenspielte, schwelgt er in höchsten Tönen.
"Ich habe das Gefühl, ich wäre in den vergangenen zwei Jahren um fünf Jahre gealtert", fasst er die Auswirkung derartiger Reizüberflutungen zusammen und sieht sich gleichzeitig charakterlich gereift: "Ganz ohne Manager, wie andere das machen, wäre ich aufgeschmissen. Dennoch wird man sehr schnell erwachsen, das kommt ganz automatisch. Man hat ständig Input, lernt neue Dinge kennen." Soviel, dass man merklich spürt, wie schwer dem jungen Songwriter das Reflektieren des eigenen Tuns fällt. Aber vielleicht ist ja gerade das sein Erfolgsrezept: "Meine Lieblingsmusik war früher immer die, die man nicht hinterfragt", erklärt er. "Man hört sie und glaubt einfach an das, was sie transportiert. Diese Wahrhaftigkeit in der Musik will ich auch erreichen."
Dass Morrisons Songs immer durch eine gewisse Ernsthaftigkeit geerdet sind, darf auch auf den gern hergenommenen Topos der schweren Kindheit zurückgeführt werden. "Das hat nach wie vor einen großen Effekt auf mein Denken, was natürlich auch meine Musik beeinflusst", bekennt der ehemals verschuldete Jugendliche aus einer zerrütteten Familie. "Aber ich konzentriere mich eher auf Gefühle als auf Erlebtes. Ich versuche nicht, bewusst meine schlimme Kindheit heraufzubeschwören, um in eine traurige Stimmung zu kommen. Das spielt alles eher indirekt rein."
So wird zuletzt dann doch noch ein begreifbarer konzeptioneller Überbau in der Selbstwahrnehmung James Morrisons sichtbar. Wenn man so will, ist dieses Muster an Gleichmut und Aufrichtigkeit das genaue Gegenteil einer Kunstfigur - ein Anti-Bowie - sozusagen: "Ich versuche immer, mich als Person zu repräsentieren und nicht den Sänger James Morrison. Der Sänger, das bin ich, verstehst Du?" Jawohl, verstanden. ~ Jens Szameit (teleschau)
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