Joan Baez

Leise, laute Songs


Die Rückkehr der Joan Baez

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Leise, laute Songs

Die Rückkehr der Joan Baez

29.08.2008 Ihre Songs und Interpretationen sind Meilensteine der akustischen Gitarrenmusik, ihr glasklarer Sopran ist kraftvolles Sprachrohr für jene Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Die 67-Jährige New Yorker Songwriterin ist die überragende Künstlerin des Folk-Genres. Nun, nach sechs Jahren Pause, kehrt die Grande Dame der Woodstock-Ära mit "Day After Tomorow" zurück.

Frau Baez, warum die lange Auszeit? Was gab es in der Zwischenzeit Wichtigeres, als Musik zu machen?

Joan Baez - M

Joan Baez: Nun, es gab für mich einfach nicht die zwingende Notwendigkeit eine Platte aufzunehmen. Zum Glück bin ich in der Lage, mein Leben finanzieren zu können, ohne Songs zu schreiben, zu singen oder Gitarre spielen zu müssen. Ich verbringe lieber Zeit mit meiner Familie, was ich in den 70-ern nie geschafft habe. Ich liebe meine Enkelkinder! Ich war ja früher immer unterwegs, weil ich unbedingt alles wissen, sehen und erleben musste. Heute ist es eher umgekehrt. Ich bin sehr viel bei meiner Familie und weiß kaum noch, was in meinem Land los ist.

Aber Sie hoffen schon, dass der nächste US-Präsident Barack Obama heißt.

Joan Baez: Sicher. Ich verfolge seine Kandidatur. Vor ein paar Monaten starteten die Republikaner eine Kampagne, um Obama in Frage zu stellen. Sie befragen die Jugendlichen der weißen Mittelschicht: 'Was hat Obama erreicht? Was kann er vorweisen?' Und die Antwort lautete generell: 'Ich weiß nicht!' Genau das wäre auch meine Reaktion: Ich weiß es nicht. Aber es ist mir auch egal! Der Mann soll einfach mal machen. Ich glaube, dass er ein guter Mensch ist und hoffe, dass er genug Energie hat, um etwas in unserem Lang zu bewegen. Ich weiß von schwarzen Studenten, die zum Teil kilometerweit gelaufen sind, um ihre Stimme für ihn abzugeben. Das ist ungewöhnlich in den USA. Obama mobilisiert die Menschen, gibt ihnen Hoffnung. Glaube ich deswegen an die US-Politik? Nein (lacht).

Obama hat das Image, erfrischend, glaubwürdig und unprofessionell zu sein, was Hillary Clinton letztlich zum Verhängnis wurde.

Joan Baez - M

Joan Baez: Ja, sie ist ein Vollprofi. Das hat sie Stimmen gekostet. Kein Profi hat Herz. (lächelt süffisant)

Zu Ihrem Album: "Day After Tomorow" besteht aus Interpretationen ihrer Lieblingssongs. Nach welchen Kriterien haben Sie die Stücke ausgewählt?

Joan Baez: Mit dem Herzen. Ich kann es nicht anders sagen. Es sind nicht nur die Texte oder die Melodien. Nimm einen Song wie "Lower Road": Das ist textlich eine Abfolge von Bildern, und ich weiß selbst nicht, was sie bedeuten. Da ist es jedem selbst überlassen, das zu interpretieren. Ich kann nur sagen: Mir war Einfachheit wichtig, die Ausstrahlung eines Songs und das Gefühl, dass er mein Herz anspricht. Die Texte mussten nicht zwingend politisch inspiriert sein. Ein Song wie "Rose Of A Sharon" ist einfach, was er ist: ein wundervolles Lied, in das ich mich verliebt habe.

Das Titelstück des Albums stammt von Tom Waits. Was fasziniert Sie an ihm?

Joan Baez: Seine Fähigkeit, mit Sprache umzugehen. Ich hörte diesen Song und war sofort fasziniert. "Day After Tomorow" ist der perfekteste, unauffälligste und bescheidenste Anti-Kriegs-Song, den ich kenne.

Patty Griffin, Elvis Costello, T Bone Burnett - haben Sie Rückmeldungen der Künstler zu ihren aktuellen Coverversionen bekommen?

Joan Baez: Ja, von Elvis Costello zum Beispiel. Er schrieb zunächst eine E-Mail an meinen Manager, der leitete sie an mich weiter, und daraus entwickelte sich dann eine kleine, rege Brieffreundschaft. Elvis war sehr freundlich und ziemlich aufgeregt, dass ich einen seiner Songs spiele.

Da Sie nur Lieder interpretieren, die Ihnen am Herzen liegen: Warum hören wir auf dem Album keine Songs von Woodie Guthrie, Leonard Cohen und Bob Dylan, die Sie so hoch schätzen?

Joan Baez: Mir ging es diesmal um zeitgenössische, moderne Songs. Das war auch Teil meines kleinen Tricks: Immer neue Stücke zu finden, hält es für mich spannend. Trotzdem ist dieses Album auch eine Reminiszenz an die alten Zeiten, an das, was ich kann und tue. Wenn ich alle Stücke nachgespielt hätte, die ich mag, hätte selbst ein Doppelalbum nicht gereicht.

Wie schaffen Sie es, diese Songs durch Ihre Interpretation zu Ihren eigenen zu machen?

Joan Baez: Ich weiß es nicht, ehrlich gesagt. Aber das kann man so und so sehen. Ich habe vor Jahren ein Lied eines bekannten Songwriters interpretiert und meine Version dann ein wenig verändert. Bei einem meiner Konzerte - so wurde mir erzählt - saß dieser Künstler dann im Publikum und meinte zu seinem Freund nebendran: 'Schau, da geht mein Song zum Teufel!' Ich aber bekam Applaus. So unterschiedlich sind eben die Reaktionen.

Wie richten Sie es sich im Studio ein? Haben Sie kleine Rituale, Mitbringsel, Glücksbringer?

Joan Baez: Ich schleppe tatsächlich ganz viel Zeug mit ins Studio und verteile es überall. Spätestens am zweiten Tag fühle ich mich dann komplett zu Hause.

Zum Beispiel?

Joan Baez: Eine Buddha-Figur, etwa. Da ich oft barfuss Musik spiele, habe ich auch einen Teppich dabei. Und Räucherstäbchen. Die benutze ich auch in meinen Hotelzimmern, bis sich der Zimmerservice beschwert!

Und was machen Sie, um so fit und ausgeglichen zu sein?

Joan Baez: Meditation ist ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens geworden. Da ich kaum regelmäßige Tagesabläufe habe und ständig unterwegs bin, nehme ich mir diese Kontinuität und meditiere immer ein halbe Stunde, gleich morgens nach dem Aufwachen. Das schaffe ich sehr gut, obwohl ich eigentlich eher undiszipliniert bin. Ich laufe viel und versuche mich gesund zu ernähren.

Sie sind Vegetarierin, ist zu lesen ...

Joan Baez: Ich weiß nicht, wie die Leute drauf kommen, aber das bin ich schon seit 25 Jahren nicht mehr. Aber sollen sie es glauben. Ich mag das Vollkornbrot hier bei Euch in Deutschland. Und ich esse viel Fisch. Und dann trinke ich Kaffee, was den gesunden Aspekt wieder völlig ruiniert! (lacht) Aber ich passe schon auf mich auf.

teleschau. Sie sind vergangenes Jahr mit einem Grammy für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden. Was bedeutet Ihnen das?

Joan Baez: Ganz ehrlich? Es berührt mich überhaupt nicht! Solche Preise sollen Leute wie Barbra Streisand oder Jerry Lewis bekommen. Die freuen sich vielleicht sogar darüber. ~ Stefan Woldach (teleschau)


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