Klee

Viele Lieder über Liebe


Klee versetzen Berge

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Viele Lieder über Liebe

Klee versetzen Berge

01.08.2008 Vielleicht muss man einfach akzeptieren, dass es verschiedene Wahrheiten gibt. Solche, die sehr allgemeingültig sind, sehr umfassend. Und solche, die personenbezogen funktionieren und die andere als aufgesetzt oder gar als Lüge sehen würden. Bei Klee war dieser Bruch schon immer da. Die waren, um ihre eigene Textkraft zu verwenden, schon immer zwischen Himmel und Erde. Einmal waren da die großen, alles umarmenden Popsongs, deren "Hey, das wird schon wieder"-Feeling die Band in die "Aktion Mensch"-Werbung spülte. Aber auch die andere Seite. Klee, die Band mit einem bisschen Glamour. Frontfrau Suzie, die eben, zumindest was die Optik angeht, den Codes des Rock'n'Roll gehorcht. Ralley hieß die Band ursprünglich, 1997 gegründet. Später wurde Klee daraus. All das mag eine organische Entwicklung sein, es macht sie nicht weniger bemerkenswert.

Und auch wenn all das nicht passiert wäre: Es macht Spaß, mit Sängerin Suzie Kerstgens, Gitarrist Tom Deiniger und Keyboarder Sten Servas in einem Münchner Straßencafé zu sitzen. Sie wissen vieles, übrigens auch, dass nur einen Steinwurf vom Interviewort entfernt Martin, der von Werner Enke so grandios verkörperte Protagonist der wunderbaren 60er-Jahre-Komödie "Zur Sache, Schätzchen" von May Spills, sein Zuhause hatte.

Klee - H

Klee haben ein neues Album ("Berge versetzen") aufgenommen. Es ist das erste für ihre neue Plattenfirma Universal, und vermutlich hat man dort schon so eine Art Erwartungshaltung. Denn Klee waren bei aller musikalischen Größe immer so eine Art Versprechen. Die schrieben Songs, die eine bisweilen beängstigende Allgemeingültigkeit hatten. Aber der riesengroße Erfolg, der blieb halt aus. Jetzt muss man natürlich sagen, dass das ein Luxusproblem für eine Band sein dürfte, die dennoch weithin bekannt ist und über eine durchaus treue Anhängerschar verfügt. Aber gleichzeitig ist da dieses Kribbeln. Es müsste einfach mal funktionieren, so richtig einschlagen. Immerhin hat diese Frau die wohl selbstverständlichste Stimme in der deutschen Popmusik seit Nena.

Und dann halt gleich so ein großes Fass. Klee singen über die Liebe. Beinahe ausschließlich. Sie singen darüber, wie es ist, zu merken, dass man sich dem Partner emotional nicht mehr verbunden fühlt. Sie singen über Streitigkeiten, über Hässliches, über Eiszeit. Aber sie singen auch über die Liebe selbst und schaffen es, all das in einem Stück wieder auf eine Ebene runterzurechnen, die Harmonie pur ist und die fast der Soundtrack für Herzschmerz-TV im Kai-Pflaume-Style sein könnte. "Weil es Liebe ist" heißt der Song. Blumfeld hatten ein Stück gleichen Titels im Repertoire und scheiterten schon ein wenig an diesen Worten. Klee weisen auch nur den unterschwelligsten Vorwurf jedweder Banalität zurück.

Suzie Kerstgens: Ich hab vielleicht 'ne leichte Vorstellung, was Du damit meinst ...

Es ist einfach wahnsinnig viel und schon auch pathetisch. Der Song könnte laufen, wenn da irgendjemand seine große Liebe aus Amerika vorgesetzt bekommt, die zu arm war, das Flugticket zu bezahlen.

Klee - M

Suzie Kerstgens: Das ist nicht richtig. Der Song hat ganz fragende, suchende Momente. Er beschreibt die Sehnsucht, Klarheit zu schaffen, auch die Konsequenzen zu tragen, im Guten wie im Schlechten. Da tappst Du unbedarft in die Mausefalle, die vielleicht diese Streicher aufbauen.

Tom Deininger: Das auszusprechen, klingt vielleicht banal. Aber es gibt keine andere Formel dafür. Wenn man den Begriff Liebe beschreibt, dann muss man ihn benennen. Natürlich kommen da so Assoziationen auf, sicher ist das für viele fast schlagerhaft. Da würde ich aber dagegenhalten, im Schlager ist es für gewöhnlich nicht ehrlich gemeint.

Suzie Kerstgens: Es nervt mich fast ein bisschen, dass man die Sprache immer so bewertet. Klar, man kann das kompliziert oder sogar umständlich umschreiben. Aber man darf das Wort auch ehrlich anwenden, ohne gleich ein pflaumiges Gefühl zu erzeugen.

Suzie Kerstgens löst den kurzen Disput übrigens mit einem Witz. Es sei doch schöner, bei so einem Song an eine glitzernde Showtreppe, an das Fernsehen zu denken, als etwa an einen "nach Pinkel riechenden" Proberaum. Und insgesamt wird das große Fass Liebe auf dem Album ja auch so lange hin- und hergerollt, bis es platzt, bis man auch die Bestandteile sieht, die man normalerweise hübsch wegignoriert. "Es geht nicht um die Zweierbeziehung, sondern um das Eingemachte", erklärt Suzie: "Das Scheitern von Utopien und diese unfassbare Ambivalenz." Sten fügt an, dass die Liebe immerhin die konsequenteste Freiheit sei, die es gäbe. Sie sei schlichtweg nicht manipulierbar.

Für erste Ideenfindungen zog sich die Band im vergangenen April an die Algarve zurück. Um auszubrechen, aus diesem ewigen Kreislauf aus Proberaum, Backstage, Bühne und Gastronomiebetrieb. Aber auch, um ein bisschen Bilanz zu ziehen, um den berühmten Gang zurückzuschalten. Und dann gab es noch weitaus profanere Gründe. Das Wetter, das ist in Deutschland bekanntermaßen im Frühjahr nicht immer passgenau. "Mit 'ner Flasche Wein am Strand sitzen", sagt Suzie, das sei es eben auch gewesen. Und man versteht den Wunsch nach Abwechslung natürlich, denn so ein Alltag, der möchte ja von Zeit zu Zeit bei jedem durchbrochen werden. Auch wenn für Klee in den letzten Jahren durchaus Spannendes passierte. Neben einer Konzertreise nach Istanbul war man unter anderem als Support für Nena unterwegs. Das ist logisch, denn - ein bisschen weiter oben nachzulesen - die Stimmen verbindet einiges, vor allem aber ihre fast zwingende Beiläufigkeit.

Was mich immer erstaunt hat, ist, wie gut Ihr beides unter den Hut bekommt: Einerseits seid Ihr irgendwie im Indie verortet, andererseits werdet Ihr ja gerne mit Silbermond oder Juli verglichen - obwohl die was ganz anderes machen.

Klee - P

Sten Servaes: Bei unseren Konzerten stehen Kids, aber auch der 45-jährige Familienvater. Da stehen schwule Pärchen, Rocker, Elektro-Fans.

Suzie Kerstgens: Unser Publikum ist milieulos. Milieulos, wie das klingt!

War das jemals ein Problem?

Servaes: Nein. Wir haben relativ schnell gemerkt, dass das auch für uns selbst nicht erkennbar oder genau einzuordnen ist. Wir wollten nie etwas Klares, etwas Definiertes machen, um irgendwelchen Erwartungen zu genügen.

Deininger: Das zeigt eben auch unser Verständnis von Musik. Wir mögen natürlich einen Robert Smith, wir mögen aber auch Guy Chambers, der für Robbie Williams gearbeitet hat.

Suzie Kerstgens: Da kommt wieder die Ambivalenz. Die Ambivalenz, die lässt uns heute nicht los. ~ Jochen Overbeck (teleschau)


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