Shallow Life

Und die Band baut darauf auf. Die letzte Studioplatte "Karmacode" gab sich neumetallisch, was auch kritische Stimmen auf den Plan rief. "Survive", das mit einer unschuldigen Kindermelodie den Nachfolger eröffnet, setzt hoffnungsvoll an, ein Handschlag zwischen den Lagern. Die Gitarren krachen, das Gesangsduo Scabbia/Ferro legt in alter Stärke los. Unter den folgenden elf Nummern jedoch finden sich auch Faustschläge in den Gothic-Metal-Magen.

Zu Don Gilmore nach Los Angeles ging es ins Studio. Den Mann bringt man mit Linkin Park in Verbindung, und siehe da, zu "I'm Not Afraid" lässt es sich auch passabel hüpfen. Mit Avril Lavigne hat er ebenfalls gearbeitet. "I Like It" besitzt diese pop-punkige, freche Gören-Attitüde, die kaum jemand mit Cristina Scabbia in Verbindung bringen will. Auch mit "I Won't Tell You" zeigt die titelblatterfahrene Frontdame, welch Bandbreite sie abzuliefern bereit ist. Ihre Kameraden schmeißen dazu ganz locker den unkomplizierten, "alternativen" Rocksong in den Ring. Die Schimpftiraden seitens eingeschworener Fans und Verehrern von "Comalies" oder "Unleashed Memories" sind vorprogrammiert.

Kann unter diesen Umständen der Albumtitel "Shallow Life" als seltsamer Humor gedeutet werden? Ein Statement gegen die Oberflächlichkeit soll es sein. Der Gentleman schweigt, genießt die tatsächlich wunderbar eingängigen Nummern und erzählt was von "mehr auf den Punkt". Oder hält sich an einem sehr kalten, die geliebte Lacuna-Coil-Mystik hervorgrabenden Song wie "The Pain" fest. Denn auf "Shallow Life" springt lange nicht alles dem Mainstream auf den Schoß. Und wenn, dann können sich Anspruch und Hitwille - wie so oft - im Balladesken vertragen: "Wide Awake" ist pure Sehnsucht. Die Weiten Amerikas liegen vor einem. Neue Horizonte sind es, die auf "Shallow Life" stellenweise die Wurzeln der Band in den Hintergrund drängen.