"Liebe und Frieden zahlen keine Rechnungen"
Little Jackie wollen mit souligem Rap und frecher Schnauze ganz nach oben
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"Liebe und Frieden zahlen keine Rechnungen"
Little Jackie wollen mit souligem Rap und frecher Schnauze ganz nach oben
07.11.2008 Imani Coppola unterhält mit provokanten Ansagen und einem scheppernden Lachen. Die New Yorker Musikerin ist so ambivalent, dass ein Interview sicher nicht reicht, ihre Persönlichkeit zu beleuchten. Sie schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch, wedelt mit den Armen, weidet sich am Gossenjargon und kann urplötzlich sehr ernst sein. Musikalisch unternimmt sie bereits ihren zweiten Anlauf, nachdem ihre Plattenfirma ihr Ende der 90er-Jahre einmal die Flügel gestutzt hatte. Zwischenzeitlich arbeitete sie mit dem ehemaligen Faith-No-More-Frontmann Mike Patton und wagt jetzt mit Adam Pallin einen Angriff im größeren Stil: "The Stoop" weckt mit viel Old-School-R&B auf. DJ Pallin sitzt beim Interview am frühen Morgen als Statist herum zur Bestimmung der in einer Schale ruhenden Obstsorten. Imani hingegen wettert über all die hübschen Bitches im Biz, die sich über ihr Äußeres definieren. Die 30-Jährige sagt, sie kann sie nicht ertragen. Dennoch: Auch Imanis Lidstrich ist perfekt aufgetragen.
Es ist gerade mal halb zehn. Früh für Dich?
Imani Coppola: Normalerweise stehe ich gegen halb elf auf, mein Laptop liegt direkt neben mir und ist mein erstes Date des Tages. Wenn ich die Mails gecheckt habe, streichle ich meine Katze und mache Kaffee, danach geh ich kacken.
Ist morgens auch eine gute Zeit, um zu arbeiten?
Coppola: Im Normalfall ist morgens schon gut, mein Kopf ist klar, mir fallen die besten Texte ein. Auch Lyrics lernen geht da am besten.
Was fasziniert Euch am Old-School-R&B, der Euer Album "The Stoop" viel mehr dominiert als ledigliches Rappen?
Coppola: Die Leute waren früher gut an ihren Instrumenten, haben einen Song vom Anfang zum Ende gespielt. Der menschliche Faktor ist das was ich mag. Als Kind habe ich lang Geige gespielt, auch im Studium interessierte mich neben der Musiktheorie vor allem das Ausarbeiten von Kompositionen.
Trotz Deiner Gesangsstimme ist Rap Transportmittel Deiner Texte, warum?
Coppola: Ich möchte es dem Publikum einfacher machen. Es ist so, ich bin schwarz, deswegen funktioniert der Stil, so debil das ist (lacht). Aber man kann auch viel sagen in kurzer Zeit. Übrigens, sogar im College gibt es jetzt Rap-Kurse, ich glaube, es war sogar in Harvard, verrückt, oder?
Euer Bandname leitet sich vom Song "Little Jackie Wants To Be A Star" ab. Stimmt das, hast Du vor, ein Star zu werden?
Coppola: Ja, ich denke, das muss ich zugeben, gilt für uns beide. Ich bin so ambitioniert durch die Erfahrungen, die ich vor zehn Jahren gemacht habe, nicht alle freiwillig.
Was ist der größte Unterschied zwischen damals und heute?
Coppola: Der ganze Industriezweig hat sich komplett verändert, du arbeitest mit weniger Leuten und mit weniger Geld. Du hast zwar die Möglichkeit, über das Internet mehr Menschen zu erreichen, aber das ist trotz des Mehraufwands nicht gleichzusetzen mit höheren Verkäufen. Es wird einfach mehr geklaut. Wir arbeiten umsonst, das ist neu (lacht).
Weißt Du heute, was Du damals falsch gemacht hast?
Coppola: Ich habe mich damals blöd diskutiert über ein Business, das ich verstanden zu haben glaubte. Fand alles total daneben, aber eigentlich war ich daneben, und noch zu unreif, einen Beruf zu haben.
Bist Du heute kompromissbereiter?
Coppola: Ja, auf jeden Fall. Das Paradoxe am Künstlerdasein ist, dass keiner von außen sieht, wie viele Kompromisse du gemacht hast. Einer der ein normales Leben führt, hat ein erfüllteres Leben. Der Neid ist gar nicht angebracht. Ein Arsch voll Kompromisse gibt dir aber bestimmt kein gutes Gefühl. Es geht nicht darum, alles zu bekommen, was du möchtest, aber Integrität spielt eine wichtige Rolle. Zu sterben in dem Wissen, jedem nach dem Mund geredet zu haben, ist nichts, was ich anstrebe. Aber gut, darum geht es in meinen Texten oft genug.
Wie auch um die Schönheit in diesem Geschäft. Du greifst die üblichen Verdächtigen der weiblichen Celebrities an.
Coppola: Das ist alles so einfältig und oberflächlich, wenn es nur um die Haare geht. Wenn mir einer sagt, wie gut meine aussehen, mag das ein Kompliment sein, aber ich frage mich schon, ob die zuhören, was ich singe.
Gut auszusehen hilft aber unbestritten weiter.
Coppola: Ja, das tut es wohl. Bei mir gibt es gute Tage und welche, an denen ich nicht gesehen werden möchte, zum Beispiel als ich an der Albumproduktion gearbeitet habe. Als ich andere produziert, neue Künstler gesucht habe, fiel mir auf, dass ich genauso oberflächlich wurde, darauf geachtet habe, wer gut aussieht und Talent hat.
Auch Jesus ist Dein Thema in Songtexten, Du bezeichnest ihn als Rockstar.
Coppola: Wenn der heute auftauchen würde, würden sie ihn ins Irrenhaus stecken oder direkt in den Knast (lacht laut).
Du glaubst nicht an Gott, oder?
Coppola: An die Bibel glaube ich nicht, das ist für mich eine Geschichte. Als Atheistin würde ich mich trotzdem nicht bezeichnen. Ich glaube an das Universum, wir sind die, die es erschaffen. Nur leider denken wir nicht mehr. Die Verwirrung soll eingedämmt werden durch den Glauben - man möchte den Leuten Antworten geben (verzieht ihr Gesicht und spricht mit schwerer Zunge): "Warum bin ich hier? Warum habe ich Durst?"
Wie schlimm war es, als der Erfolg Dich vor zehn Jahren alleine ließ?
Coppola: Traumatisch, und ich habe mich davon auch nie erholt. Das ist der Grund, weshalb Little Jackie so wichtig ist. Stell dir vor, du wirst gehätschelt und umworben von sehr vielen Menschen auf der Welt, und mit einem Mal sitzen sie da, zeigen dir den Mittelfinger. Du bist so unglaublich enttäuscht. Das führte dazu, dass ich heute nicht frisch und unverbraucht an die Karriere herangehe, ich bin sehr realistisch. Mein Vertrauen ist erschüttert. Was nicht heißt, dass ich nicht manchmal Spaß haben kann. Niemand kann mir die Angst nehmen, nur ich selbst. Wenn es klappt, kann ich die Scheiße hinter mir lassen, hoffentlich. Singen und Musik machen ist großartig, aber der ganze andere Mist, den du über dich ergehen lassen musst ...
Wie gehst Du denn heute mit Kritik um?
Coppola: Meine Reaktion mag nicht immer so wirken, aber ich höre zu. Und komme darüber hinweg. Eine gesunde Reaktion ist sie zu ignorieren.
Kann Kritik nicht auch positiv sein, Dir unter Umständen helfen?
Coppola: Ich verstehe unter Kritik schon den Angriff auf das, was ich tue. Andererseits empfinde ich das Bewundertwerden als genauso lästig. Die Leute, die mir erklären, dass sie meine Haare lieben, meine Musik lieben. Da denk ich mir auch: "Halt's Maul". Die sind nicht besser als diejenigen, die sagen, ich sei eine Egoschlampe, mach nur was ich will und bin so negativ. Neulich meinte einer, warum ich nicht über Liebe und Frieden schreibe - aber Liebe und Frieden zahlen keine Rechnungen (lacht)! ~ Claudia Nitsche (teleschau)
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