Raus aus den Schulden
Nach überstandener Insolvenz kann sich Matthias Reim wieder ganz der Musik widmen
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Raus aus den Schulden
Nach überstandener Insolvenz kann sich Matthias Reim wieder ganz der Musik widmen
16.11.2010 Er war in den letzten Jahren eher ein Fall für RTL-Schuldnerberater Peter Zwegat gewesen - und nicht für Musiksendungen: Wenn Matthias Reim in den Medien auftauchte, dann ging es vor allem um seine 14 Millionen Euro Schulden. Gutgläubig hatte er die Einnahmen seines Hits "Verdammt, ich lieb dich" in den 90er-Jahren seinem damaligen Manager übertragen, der damit wertlose Immobilien gekauft hatte. Nun ist Reim mit viel fleißiger Arbeit und einem Kredit von seinem Bruder aus dem Insolvenzverfahren raus und feiert mit dem neuen Album "Sieben Leben" sein "mentales Comeback", wie er im Gespräch erklärt.
Ihr neues Album trägt den Titel "Sieben Leben". Angenommen, Sie haben die ersten sechs Leben bereits gelebt, wo sind diese dann verloren gegangen?
Matthias Reim: Sie sind nicht verloren gegangen, sondern waren die Vorstufe eines siebten wilden Lebens. Ich hatte ja viele verschiedene Lebensphasen. Angefangen mit der Zeit als Student, dem Traum vom Musiker-Dasein, bis zu der Zeit als Komponist, Texter und Produzent, der versuchte, irgendwo Fuß zu fassen. Und dann schließlich das gigantische Ruhmleben in den frühen 90er-Jahren. Dann kam die Phase des Untergangs, das Bewusstsein pleite zu sein. Und nun erfolgt der erneute Aufstieg, mit dem Willen, es zu schaffen, die Konzerte wieder voll zu kriegen, mentale und finanzielle Freiheit zu erlangen.
Da es das letzte der sieben Leben ist, muss nun aber auch alles klappen, oder?
Reim: Ja, das habe ich für mich so bestimmt, es wird alles klappen. Ich bin ja auch ein bisschen weiser geworden. Bestimmte Dinge würde ich einfach nicht mehr machen.
Das Album wird als Ihr Comeback beworben. Dabei veröffentlichten Sie immer regelmäßig neue Platten und waren auch oft auf Tour. Wieso also Comeback?
Reim: Ich würde es eher als mentales Comeback bezeichnen. Ich war lange Zeit ein bisschen gehemmt, denn die Sorgen, die ich hatte, raubten mir meine Kreativität. Im Februar 2010 habe ich dann erfahren, dass ich die Pleite hinter mir habe und dass ich dieses Riesenproblem gelöst habe. Danach fing ich wieder an Songs zu schreiben und bekam auch ein anderes Selbstbewusstsein. Unabhängig davon waren die letzten Alben alle in den Top Ten, ich kann mich über Erfolg also nicht beklagen, auch wenn ich nicht unbedingt wieder in die Dimensionen von "Verdammt, ich lieb dich" vorstoßen muss. Aber ich habe mich nie verabschiedet, ich habe immer gesagt, dass ich das durchziehe.
Mussten Sie deshalb auch zuerst mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gehen, damit man anschließend überhaupt wieder über Ihre Musik sprechen kann?
Reim: Ja, es ist wichtig, dass die Menschen wissen, dass diese Phase durch ist. Und ich erspare es ihnen auch, in Zukunft darüber zu reden. Ich bin da durchgegangen, habe mir den Arsch abgearbeitet und habe meinen Humor und den Glauben daran, dass ich das schaffe, nicht verloren.
Es heißt ja immer, schwierige Lebensphasen seien künstlerisch inspirierend. Warum haben Sie es dennoch nach eigener Aussage nicht geschafft, in den vergangenen Jahren neue Songs zu schreiben?
Reim: Ich hatte eine Schreibblockade. Ich versuchte zu schreiben, aber ich wollte die Sachen nicht mehr veröffentlichen, weil sie mir nicht gefielen. Aber das positive Gefühl, das ich empfand, als mir diese riesige Last von den Schultern fiel, das inspiriert und trägt mich. Dann schreibe ich Sachen wie "Du bist mein Glück" und komme auf gute Zeilen. Und jetzt muss ich mich keinem mehr erklären.
Kein Selbstmitleid?
Reim: Nein, ich hatte nie Selbstmitleid. Es gab ja nur zwei Leute, denen ich etwas vorwerfen konnte: Einmal der Person, die es verbockt hat. Und dann mir selbst und meiner Gutgläubigkeit.
Glauben Sie, dass Ihre bisherige Karriere ein typischer Warnhinweis dafür ist, wie schnell und tief man im Showgeschäft fallen kann?
Reim: Nein, aber wenn du Musiker bist, beschäftigst du dich natürlich damit. Ich wusste, wie schnelllebig das Geschäft sein kann. Deswegen habe ich ja die Millionen von "Verdammt, ich lieb' dich" direkt anlegen lassen. Weil ich Angst davor hatte, dass es bergab geht und ich dastehe mit 16 Ferraris, die ich mir nicht mehr leisten kann und 23 Frauen, die teuer sind. Ich versuchte, das so verantwortungsvoll wie möglich zu machen. Tja, dabei machte ich dann einen großen Fehler.
Wie reagierten Ihre Kollegen aus dem Musikumfeld? Haben Sie an dem Punkt gemerkt, wer Ihre wahren Freunde sind?
Reim: Mit vielen Kollegen verstehe ich mich gut, aber ich würde nicht sagen, dass wir befreundet sind. Letztendlich macht jeder sein eigenes Ding. Ich habe unter Gesangskollegen keine Freundschaften, auch wenn es Kollegen sind, die ich sehr schätze. Deswegen sprach ich auch nie groß darüber und man sprach mich auch bei Fernsehsendungen oder Events nie auf meine Situation an.
In den 80er-Jahren schrieben Sie Songs für Roy Black, Jürgen Drews und Bernhard Brink. Ihren größten Hit "Verdammt, ich lieb' dich" wollte jedoch keiner haben, sodass Sie ihn schließlich selbst einsangen. Rückblickend betrachtet, war diese Entscheidung ein Fluch oder ein Segen?
Reim: Ein Segen! "Verdammt, ich lieb dich" ist immer noch ein Segen. Er führt zu einer Verbindung von Generationen bei meinen Konzerten, zwischen den 15- und 85-Jährigen. Und etwas Schöneres kann einem Musiker doch gar nicht passieren.
Wieso hatte "Verdammt, ich lieb dich" das Zeug zum Hit?
Reim: Das Lied ist deswegen so groß geworden, weil keiner mich definieren konnte. Es gab noch keine Kategorisierung, ob das, was ich mache, nun Schlager ist, oder Rock, oder Pop, ob es intellektuell ist oder gar cool. Es hat die Leute überrollt und bevor es überhaupt katalogisiert war, haben sie es gemocht. Die Geschwindigkeit und die damit verbundene Überraschung waren mein Vorteil. Ich wurde erst danach definiert, über die "ZDF Hitparade". Erst da kriegte ich in den 90er-Jahren den Schlagerstempel.
Hat sich Ihr Umgang mit Menschen aus dem Musikgeschäft durch die Insolvenz verändert?
Reim: Nein. Ich bin ein herzlicher, offener Mensch, ich respektiere und freue mich über jede neue Bekanntschaft. Aber ich kann auch die Tourneeveranstalter verstehen, die in den 90er-Jahren sagten: Matthias, ich habe zwar mal viel Geld mit dir verdient, aber nun möchte ich kein Geld mit dir verlieren, wir machen deshalb im Moment nichts. Na logisch!
Sie bezeichnen Ihre Lieder als Rock-Balladen. Lässt sich mit dem Begriff denn heute überhaupt noch Musik verkaufen?
Reim: Ich definiere die Songs als Rock-Balladen, weil sie eher der Tradition von Musikern wie Eagles oder auch Kid Rock entsprechen. Das hat mit Jürgen Drews, Tony Marshall oder den Flippers bei der Entstehung nicht viel gemeinsam. Es ist eben so, dass die Musik, mit der ich aufgewachsen bin, mich beim Songwriting beeinflusst.
Was war Ihr persönliches Bestreben für die neue Platte "Sieben Leben"? Was wollten Sie für sich und für die Zuhörer erreichen?
Reim: Es soll eine authentische Platte sein, die Menschen sollten sich weiterhin in meinen Texten wiederfinden können. Ich wollte kein flaches Album machen und mich an keinen Trend anbiedern.
Sind Sie ein konservativer Mensch?
Reim: Vielleicht bin ich, was die Musik betrifft, konservativ. Einen Song wie "Haus am See" von Peter Fox finde ich erst mal riesig. Würde ich jedoch so einen Song aufnehmen, würden sich alle Leute fragen, ob ich sie verarschen will. Das ist eben gar nicht meine Schreibweise, so empfinde ich nicht. Und das Publikum will auch gar nicht, dass ich Peter Fox oder Ich + Ich nachsinge. Die wollen den Reim, der weitere Geschichten erzählt, über das Leben und die Niederlagen eines Mannes, da freuen die sich drauf. Und ich auch.
War der Sixt-Werbespot, in dem Sie sich 2007 selbst mit "Verdammt, ich hab' nix" persifliert haben, mehr eine PR-Aktion oder ging es doch vorrangig darum, schneller die Schulden abzubauen?
Reim: Nein, das war erst mal eine sehr gelungene PR-Aktion, wie ich finde. Als ich das Konzept gelesen hatte, war mir klar, dass ich damit zeigen konnte, dass ich da drüberstehe. Ich wollte damit auch beweisen, dass mein Leben nicht ruiniert war und ich immer noch Spaß hatte, auch mit Schulden im Nacken. Es war für mich befreiend, in dieser Zeit, in der ich auch wütend auf die Medien war. Teilweise unterstellte man mir seltsame Sachen, etwa dass durch Steuerhinterziehung in die Pleite gerutscht wäre und ähnlichen Mist. Dann musste ich Sachen lesen wie "Matthias Reim: Mein verpfuschtes Leben", worüber ich wirklich sauer war. Jedem kann so etwas passieren, in der Wirtschaft passiert es ja dauernd.
Heutzutage gibt es kaum noch Musiksendungen, in denen Sie mit Ihrer Musik auftreten können - außer die Shows von Carmen Nebel und Florian Silbereisen. Haben Sie damit ein Problem, mit Schlager und Volksmusik?
Reim: Ach, ich bin da schon gerne. Aber ich habe immer das Gefühl, dass ich da so etwas wie ein Exot bin, mit meiner Art von Songs. Ich bin eben kein Kastelruther Spatz und singe auch nicht von der heilen Welt der Berge. Und ich singe nicht nur zu C-Dur, G-Dur und F-Dur, bei mir findet auch Moll statt. Aber ich will mich dem nicht verweigern, soll und muss ich auch gar nicht. Ich freue mich ja, dass es wenigstens noch ein paar Fernsehsendungen für Musik gibt, auch wenn sie alle ein wenig konservativ sind. Aber sie sind erfolgreich und haben dadurch ihre Legitimation.
Es gibt also keine Berührungsängste?
Reim: Nein, überhaupt nicht. Ich bin mit den Kastelruther Spatzen genauso gut befreundet, wie ich es mit Roy Black war. Ich hege da überhaupt keine persönliche Distanz. Aber wenn man dort auftritt, mit einem Song wie "Du bist mein Glück" und danach läuft wieder dieser ganz traditionelle Schlager, dann fühle ich mich immer wie ein bunter Vogel.
Matthias Reim auf Deutschland-Tournee
04.12., Pahlen, Eiderlandhalle
11.12., Cottbus, Stadthalle
30.12., Rostock, Stadthalle
31.12., Torgelow, Stadthalle
08.01.2011, Freiberg, Tivoli
12.02.2011, Ludwigsfelde, Kulturhaus ~ Klaas Tigchelaar (teleschau)
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