Ausgerechnet am 11. September erscheint "Endgame". Ja, einzig für Europa gilt dieses Veröffentlichungsdatum. Aber es passt zu gut. Der Titel ist politischer Natur, Bush ist abgetreten und Megadeth treten nach. ~ Alexander Diehl (teleschau) aufklappen »
Leise war Megadeth-Sänger und -Gitarrist Dave Mustaine noch nie. Aber so sehr er auch gesellschaftlich und musikalisch meckert, es sind kurioserweise die Animositäten und Rangeleien, welche am meisten Aufmerksamkeit erregen. In den Nachrichten ist Mustaine derzeit auch dank Kerry King zu finden. Der Slayer-Mann attackiert seinen Kollegen verbal, was nicht ungefährlich ist. Gehen die Thrash-Titanen doch gemeinsam auf Tour. Und falls es zwischen den beiden langweilig wird, gibt es ja noch die schon über 25 Jahre alte Geschichte von Mustaines Rausschmiss bei Metallica. In irgendeinem Eck wird sich dazu ein Stapel schmutziger Wäsche finden.
Wäre die Metalwelt eine gerechte, Megadeth würden auf "Endgame" ein ähnliches Medienecho bekommen wie Metallica auf "Death Magnetic". Die beiden spielten einst in einer Liga. Und sind auf dem besten Wege, sich wieder anzunähern. Der Nachfolger von "United Abominations" ist eine Bestätigung desselben, eine nächste Etappe auf dem Rückweg zum angepissten Thrash-Angriff, der einst die Ohrenpaare unzähliger, Moped fahrender Jugendzentrumsbesucher bluten ließ. Aus dem "Sleepwalker" wird ein gnadenloser "Headcrusher", der "Hangar 18" wird vom verdächtig eingängigen "44 Minutes" verfolgt. Mit dem von Savatage-artigen Arrangements und Akustikgitarren dekorierten "The Hardest Part Of Letting Go ... Sealed With A Kiss" bekommt die nicht unumstrittene, experimentellere Phase ihr Plätzchen.
Apropos Dekoration: Die zahlreichen, ausgefeilten Gitarrensoli sind genau das nicht. Für diese hat sich Mustaine wieder einen neuen Komplizen geangelt: Chris Broderick (Nevermore, Jag Panzer) folgt auf Glen Drover. Stellenweise fährt er hart an der Grenze zum Shredderkönig. Halb so schlimm. Einige Jung-Gitarreros dürften sich von seiner Präzision eine Scheibe abschneiden.
Zurück zu den Nachrichten: Dort taucht Mustaine mit dem Zitat auf, er sei nicht mehr der "easiest boy to hate in heavy metal". Diesen Eindruck verbreitet er auch nicht. Weder in Interviews noch auf der Bühne und schon gar nicht auf Platte. Im Gegenteil: Selten war es so einfach, Megadeth zu lieben.