Nikka Costa

Funk statt Frust


Nikka Costa reanimiert den Classic Soul und einen Mythos

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Funk statt Frust

Nikka Costa reanimiert den Classic Soul und einen Mythos

06.02.2009 Die legendären Aufnahmestudios von Stax Records sind heute ein Museum, erklärt Nikka Costa. Tatsächlich existiert der Bau seit 2003 sogar nur noch als Replika, nachdem das Originalgebäude an gleicher Stelle abgerissen worden war. Doch auch wenn heute bloß Touristen durch die heiligen Hallen in Memphis, Tennessee, schlendern, hat das musikalische Erbe des wegweisenden Soul-Labels aus den 60-ern Bestand. Und neuerdings auch wieder der Name. Nikka Costa, 36-jährige Singer-Songwriterin aus Los Angeles, ist an beiden Umständen mitverantwortlich. Mit "Pebble To A Pearl" hat die Tochter des 1983 verstorbenen Starproduzenten Dan Costa ein rückhaltlos traditionelles Stück Classic Soul vorgelegt. Dass die Platte unter dem von Universal wiederbelebten Banner Stax Records erscheint, passt da natürlich wie die Faust aufs Auge.

"Das war der größte Zufall überhaupt", erklärt Nikka Costa den unverhofften Deal mit der ehemaligen musikalischen Heimat von Isaac Hayes, Rufus Thomas und Sam & Dave. "Das Album war mehr oder weniger im Kasten, als Stax von unserer Arbeit Wind bekam. Sie hörten das Album an, liebten es und wollten nichts daran geändert haben. Das war mir ganz wichtig."

Nikka Costa - D

Zwingend gebraucht hätte es die Zusammenarbeit mit Stax allerdings nicht. Nachdem Nikka Costa nach dem 2005er-Album "Can'tneverdidnothin'" ganz ohne Plattenvertrag dastand, gründete sie mit ihrem Mann und Produzenten Justin Stanley auf die Schnelle GoFunkYourself! Records: "Wir hatten keine Ahnung, was wir mit der Platte machen sollten, außer ein eigenes Label zu gründen." So entstand "Pebble To A Pearl" vollkommen in Eigenregie und ohne fremde Einflussnahme. "Zuvor gab es viele Leute, die mir reingeredet haben. Egal, ob man darauf hört oder nicht, es beeinflusst einen doch", klagt die Sängerin, die auf ihre letzten Jahre beim inzwischen von der EMI geschluckten Major Virgin nicht gut zu sprechen ist.

"Frustrierend" sei die Zeit gewesen, in der sich in kurzer Abfolge vier verschiedene Präsidenten die Klinke in die Hand gaben und immer gleich Ergebnisse sehen wollten. Das hitverdächtige "Can't Please Everybody" ist eine biografisch eingefärbte Aufarbeitung dieser Zeit, die beispielhaft für die kriselnde Branche verlaufen sei: "Speziell damals sind viele Label bankrott gegangen, die Leute hatten berechtigte Angst um ihre Jobs. Deshalb ging es nicht mehr um kreative Entscheidungen, sondern nur noch um die Frage, wie die Firma ihr Geld zurückbekommt."

Nicht die besten Voraussetzungen für eine nachhaltig angelegte Firmenpolitik, wie sie laut Costa etwa von ihrer neuen Heimat Stax betrieben wird. Leider eine Ausnahme: "Es ist noch gar nicht so lange her, dass man Künstlern Zeit zum Entwickeln eingeräumt hat. Da hat es schon mal drei Platten gebraucht, bis ein Act groß wurde. Heute gibt man ihnen die Möglichkeit nicht, da muss alles von jetzt auf gleich gehen. Aber große Bands wie U2 würde es ohne die Geduld der Plattenfirmen nicht geben."

Den ökonomischen Druck hinter kreativen Prozessen hat sie nun allerdings auch am eigenen Leib zu spüren bekommen. 15 Songs nahm sie in nur fünf Tagen auf, die ganze Platte war in drei Wochen fertig gemischt. War das ein künstlerisches Konzept oder finanzielle Notwendigkeit? "Es war definitiv eine finanzielle Entscheidung", lacht Costa, doch die künstlerische ging damit einher: Die ganze Band spielte zusammen in einem Raum, keine Overdubs, kein Schnickschnack, keine Angst vor Fehlern. Es ging um "den Vibe, die Energie im Raum - nothing's better than singing with a band."

Nikka Costa - M

So traditionell und nostalgisch Nikka Costa zu Werke ging, ihr schroffer Funk und ungehobelter Soul bilden innerhalb des Retro-Genres doch eine Art Antithese zum süffigen Blue-Eyed-Soul einer Amy Winehouse oder Duffy. An die beiden UK-Stars, beteuert Costa, habe sie bei den Aufnahmen keine Sekunde gedacht. Dennoch liegt ein Vergleich nahe: Schließlich arbeitete sie selbst in der Vergangenheit mit Amy-Winehouse-Produzent Mark Ronson zusammen: auf dem 2001 erschienenen Album "Everybody Got Their Something", das ihren bis heute größten Hit "Like A Feather" hervorbrachte. "Komplett anders" sei die Arbeit mit dem begehrten Soundtüftler und Arrangeur gewesen, indes "fine as well".

Überdies empfinde sie die Platte gar nicht als "so super-retro", auch wenn das Engagement Lamont Doziers für den Song "Cry Baby" eine andere Sprache spricht. Der heute 67-Jährige zählte in den 60er-Jahren zum legendären Songwriter-Trio Holland-Dozier-Holland, das - ausgerechnet - für den Stax-Konkurrenten Motown zahllose Hits schrieb. "Der ist noch ziemlich aktiv", bestätigt Costa auf Nachfrage. Wir lernten uns über einen gemeinsamen Freund kennen. Also rief ich ihn an, er war total süß und kam vorbei. Die Sache ist natürlich verrückt, er ist eine Legende."

Außer authentischen Soul zu spielen, hat Nikka Costa noch eine zweite Lektion vom stets fortschrittlich-liberalen Label Stax gelernt: sozialpolitische Haltung. In "Bullets In The Sky" attackiert sie den Irrsinn des Irak-Kriegs. "Als junge Mutter kann ich sehr gut nachvollziehen, wie es ist, sein Kind in den Krieg zu schicken." Und auch für die Präsidentschaft Barack Obamas hatte sich Costa per Video-Kampagne ins Zeug gelegt. Passt bei ihrem Faible für afroamerikanische Kultur auch gut ins Bild, wenngleich ihre Unterstützung natürlich rein auf politischer Überzeugung beruht: "Es ist einfach toll, wenn jemand Intelligentes das Land regiert. Da ist es egal, ob er schwarz oder weiß ist." ~ Jens Szameit (teleschau)


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