"Lieber belächelt als bemitleidet"
Norbert Rier regiert mit den Kastelruther Spatzen seit über 25 Jahren die Volksmusikszene
Aktueller Artikel im akuma.de Magazin zu Norbert Rier
» Übersicht von Norbert Rier anzeigen
"Lieber belächelt als bemitleidet"
Norbert Rier regiert mit den Kastelruther Spatzen seit über 25 Jahren die Volksmusikszene
10.04.2009 Noch ein paar Tage, dann geht es zurück nach Kastelruth. Zurück in die Südtiroler 6.000-Seelen-Gemeinde bei Bozen, die jeder kennt, ob er nun will oder nicht. Norbert Rier ist durchaus bewusst, dass er und seine Kastelruther Spatzen ein Wirtschaftsfaktor für ihre Heimat sind: "Die Region wird mit unserer Musik verbunden, wir dafür mit einer schönen Gegend. Egal, wie die Leute zu uns stehen, von Kastelruth haben sie schon gehört", erklärt der 48-Jährige schmunzelnd. Seit mehr als 25 Jahren sind er und seine sechs Mitstreiter die wohl erfolgreichste Werbekampagne, die ein Dorf nur haben kann.
Herr Rier, wie definieren Sie eigentlich Volksmusik?
Nobert Rier: Wie der Name schon sagt: Musik fürs Volk, für jedermann.
Aber nicht jedermann kann sich mit Volksmusik anfreunden.
Rier: Natürlich sind Geschmäcker verschieden. Aber ich denke, jede Art von Musik ist gut, wenn sie nur gut gemacht wird. Für welches Genre sich ein Musiker auch entscheidet, wichtig ist, dass er mit ganzem Herzen dabei ist und voll hinter dem steht, was er tut.
Wie genau würden Sie das bezeichnen, was Sie tun - als Volksmusik oder volkstümlichen Schlager?
Rier: Eher als volkstümlichen Schlager. Mit reiner Volksmusik verbinde ich Harfe, Zitter, Hackbrett und böhmische Lieder. Aber mir gefällt die Schubladeneinordnung sowieso nicht.
So stört es Sie also auch nicht, dass in Volksmusiksendungen immer mehr Schlagersänger auftreten?
Rier: Nein, denn so sieht das Publikum, dass es keine Abgrenzungen gibt. Sicherlich passt eine Rockband nicht unbedingt ins "Musikantenstadl", aber ansonsten macht die Abwechslung das Ganze doch interessanter.
Sie sind mit den Kastelruther Spatzen nun seit über 25 Jahren im Geschäft. Konnten Sie in dieser Zeit gravierende Veränderungen in Ihrem Metier feststellen?
Rier: Fast jeder versucht heutzutage, seine Lieder furchtbar professionell klingen zu lassen. Aufnahmen werden zu stark bearbeitet, Lieder werden überproduziert. Doch meist stellen die Interpreten und Produzenten am Ende fest, dass das Normale bei den Menschen am besten ankommt.
Patrick Lindner beschwerte sich vor einigen Jahren, dass in der Volksmusikszene kaum noch natürliche Instrumente zum Einsatz kommen.
Rier: Es gab eine Zeit, in der einige Künstler - unter anderem Patrick Lindner - meinten, der volkstümliche Schlager sei nicht mehr gut genug ...
... und begannen, Swing-Platten aufzunehmen ...
Rier: ... oder eine Klassik-CD, Hauptsache mit "höherem Niveau". Mittlerweile sind sie auch wieder zurück in dem Bereich, in dem sie glaubwürdig klingen. Man ist es dem Publikum schuldig, auf dem Boden zu bleiben.
Kennen Sie ein Rezept dafür?
Rier: Ein sehr einfaches: Man darf sich nicht einbilden, etwas Besonderes zu sein.
Ist das der Grund, warum Ihnen Ihre Fans seit Jahren die Treue halten?
Rier: Ich glaube schon, dass es einen Teil unseres Erfolges ausmacht, dass wir Spatzen noch immer in unserem Heimatdorf wohnen. Keiner von uns ist abgeschirmt oder unnahbar, wir sind ganz normale Menschen.
Es kommt also durchaus vor, dass Fans plötzlich vor Ihrer Tür stehen?
Rier: Ja, unser Zuhause ist inzwischen ein kleiner Wallfahrtsort. Ich kann mich gut in die Lage der Leute versetzen. Wenn man für jemanden schwärmt, sei es nun Musiker oder Sportler, möchte man einen Blick hinter die Kulissen werfen. Sie wollen sehen, wo wir leben und ob wir wirklich so sind, wie wir uns geben.
Heimatverbunden und bodenständig.
Rier: Richtig, denn diese Eigenschaften machen einen echten Südtiroler aus. Und in der Regel stellen die Besucher fest, dass ich in meiner Freizeit auf meinem Hof genauso hart arbeite wie alle anderen auch.
Wird diese Nähe zum Publikum nicht manchmal zu viel?
Rier: Sicher, gerade, wenn ich mit meiner Familie unterwegs bin oder viel um die Ohren habe, kann das sehr anstrengend sein. Aber die meisten wollen nur einen kurzen Händedruck, ein Foto und ein Autogramm - wenn die Leute danach glücklich sind, entschädigt das für vieles.
Apropos anstrengend: Wie schafft man es, sich gegenseitig nicht auf die Nerven zu gehen, wenn man seit mehr als 25 Jahren zusammenarbeitet?
Rier: Unsere Taktik, maximal fünf Tage am Stück zu verreisen, hat sich bewährt. Zuhause gehen wir unsere eigenen Wege. Auch auf Tour achten wir darauf, nicht ständig aneinanderzuhängen, uns genügend Freiräume zu lassen. Doch wichtiger ist, dass wir uns gegenseitig vertrauen, uns so akzeptieren, wie wir sind und einander Respekt entgegenbringen.
Dennoch gab es zwei Besetzungswechsel in der Historie der Spatzen.
Rier: Natürlich war es schwer, Ersatz für Oswald Sattler und Andreas Fulterer zu finden, aber wir respektierten ihre Entscheidung, allein weitermachen zu wollen. Man ist freiwillig in der Gruppe, niemand ist vertraglich gebunden. Wir Südtiroler legen großen Wert darauf, dass noch ein Wort gilt, ein Handschlag, und das nicht alles per Rechtsanwalt geregelt wird - wie man es leider oft von anderen hört.
Welche Stationen Ihrer Karriere sind Ihre persönlichen Höhepunkte?
Rier: Da gab es hingegen einige: Als wir unsere erste Aufnahme machten und warteten, dass die Kassette auf den Markt kommt. Unsere erste Goldene Schallplatte zwei Jahre später war auch etwas ganz Besonderes. Oder der Sieg beim Grand Prix der Volksmusik, den wir 1990 für Deutschland holten.
Haben Sie als Experte eigentlich eine Erklärung dafür, warum Deutschland den Grand Prix der Volksmusik schon seit 13 Jahren nicht mehr gewinnen konnte?
Rier: (lacht) Tja, seit Südtirol teilnimmt, ist die Konkurrenz einfach zu stark. Scherz beiseite, ich weiß nicht, warum Deutschland in den letzten Jahren nicht punkten konnte. Die Entscheidung des Publikums ist schwer vorhersehbar - glücklicherweise, sonst wäre es doch langweilig.
Neben einem Sieg beim Volksmusik-Grand-Prix räumten die Kastelruther Spatzen bereits jede erdenkliche Auszeichnung ab - allein den Echo bereits zwölf Mal. Bedeuten solche Preise noch etwas, wenn man sie beinah jährlich bekommt?
Rier: Auf jeden Fall. Viele meinen, es sei ganz logisch, Preise zu gewinnen, aber logisch ist überhaupt nichts. Es steckt viel harte Arbeit hinter jedem Album und man ist jedes Mal froh, wenn diese honoriert wird. Wir wissen dadurch, dass wir noch immer auf dem richtigen Weg sind.
Bei Veranstaltungen wie dem Echo treffen Sie auch auf Kollegen aus dem Rock- und Popbereich. Wie reagieren die auf die Kastelruther Spatzen?
Rier: Wir sind immer wieder positiv überrascht, dass die großen Künstler uns kennen und respektieren. Mit den Toten Hosen kommen wir sehr gut aus, und kürzlich gratulierten uns Rammstein zu unseren Erfolgen. Das sind sehr ruhige, nette und natürliche Kollegen, wir waren sehr beeindruckt.
Sind das Ausnahmen oder die Regel?
Rier: Natürlich gibt es auch andere. Meist sind es die Leute, die selbst nichts zuwege bringen und durch Sprüche davon ablenken müssen. Wir erlebten schon oft, wie Sänger in einem Jahr hochgejubelt wurden und im nächsten Jahr schon wieder verschwunden waren. Beständiger sind erfahrungsgemäß die, die langsam wachsen und nicht über Nacht groß rauskommen. Und die haben auch Respekt vor Kollegen.
Gibt es richtige Freundschaften im Musikbusiness?
Rier: Freundschaften müsste man pflegen, und dafür fehlt meist die Zeit. Man telefoniert mal miteinander und trifft sich zu Fernsehauftritten, doch ansonsten geht jeder seinen eigenen Weg. Ich käme nie auf die Idee, Kollegen durch den Dreck zu ziehen, aber auch die Volksmusikszene ist davor nicht gefeit. Erst umarmen sie dich, dann ziehen sie hinter deinem Rücken über dich her. Meist sind solche Geschichten mit Neid verbunden. Da muss man cool bleiben.
Die Volksmusikszene wird ja oft belächelt ...
Rier: Ich werde lieber belächelt als bemitleidet. Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich hart erarbeiten. ~ Annekatrin Liebisch (teleschau)
Interviews, Stories, Meldungen und CD-Kritiken zu Norbert Rier
"Lieber belächelt als bemitleidet" Norbert Rier regiert mit den Kastelruther Spatzen seit über 25 Jahren die Volksmusikszene
Noch ein paar Tage, dann geht es zurück nach Kastelruth. Zurück in die Südtiroler 6.000-Seelen-Gemeinde bei Bozen, die jeder kennt, ob er nun will oder nicht. Norbert Rier ist durchaus bewusst, dass er und seine Kastelruther Spatzen ein Wirtschaftsfaktor für ihre Heimat sind: "Die Region wird mit unserer Musik verbunden, wir dafür mit einer schönen Gegend. Egal, wie die Leute zu uns stehen, von Kastelruth haben sie schon gehört", erklärt der 48-Jährige schmunzelnd. Seit mehr als 25... mehr »