Von wegen Friede, Freude, Eierkuchen ...
Hartmut Engler spricht über seinen Absturz, wiederentdeckten Enthusiasmus und seine neue Beziehung
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Von wegen Friede, Freude, Eierkuchen ...
Hartmut Engler spricht über seinen Absturz, wiederentdeckten Enthusiasmus und seine neue Beziehung
04.09.2009 "Wünsche" nennt die schwäbische Band Pur ihr neues Album. Gut, drei Jahre sind seit dem Vorgänger "Es ist wie es ist" vergangen. Das erklärt aber nicht das ungewohnt große Medienecho, das über Pur hereinbricht. Denn nicht nur die Yellow- und Boulevardpresse stürzen sich auf Sänger Hartmut Engler & Co, sondern dieses Mal auch Tageszeitungs-Feuilletonisten und Redakteure von Musikmagazinen mit amtlichem Coolnessfaktor wie "Spex". Dass Englers Krise und Absturz letztes Jahr die Glaubwürdigkeit seiner Person erhöhten, das zeigt die Rezeption seiner tiefgründigen Texte durch die Presse. Dass Engler selbst völlig wiederhergestellt ist, das beweist die knackige, extrem eingängige Musik. Und der Meister selbst, der schlank und braun gebrannt zum Interview erscheint - und sich extrem charmant und aufgeräumt gibt.
Es war zu lesen, dass Du schon seit langer Zeit nicht mehr so begeistert über ein Album warst wie jetzt bei "Wünsche". Warum?
Hartmut Engler: Ich kann mich noch an das Gefühl erinnern, als wir am Anfang unserer Musikkarriere standen. Immer wenn wir etwas nur halb fertig hatten, waren wir so begeistert, dass wir es allen Freunden und Verwandten gleich als Demo und unfertig vorspielen wollten, nach dem Motto "Hört mal, das ist so ein Knaller!" In den letzten Jahren entwickelte sich das dann zu einem normalen Arbeiten. Wir trafen uns, machten Musik und waren zufrieden. Aber dieser ganz große Enthusiasmus, der kam erst jetzt wieder.
Du meinst, es hatte sich vorher Routine eingeschlichen?
Engler: Nein, nicht Routine, aber vielleicht zu wenig Konzentriertheit. Durch meine Fernbeziehung war ich ständig zwischen der Schweiz, meinem zweiten Wohnsitz Mallorca und meiner Heimat Deutschland unterwegs. Oft war ich mit dem Kopf woanders. Durch die Trennung letztes Jahr hatte ich die Zeit, ein Jahr lang daheim zu sein und mit Ingo von Anfang an zu arbeiten. Er hatte eine Idee, ich kam gleich dazu, ich arbeitete an der Textstruktur, so ging es intensiv hin und her.
Für Euer Video zur Single "Irgendwo" habt Ihr Euch in historische Kleidung geworfen. Ein User auf Eurer Webseite meinte dazu, dass es das dämlichste Video des Jahres sei. Wieso habt Ihr Euch verkleidet?
Engler: (lacht) Es ist so, dass wir fast alle ziemliche Modemuffel sind. In Bietigheim-Bissingen, wo wir wohnen, kann man auch in der Jogginghose zum Bäcker gehen, deshalb kümmern wir uns wenig um Klamotten. Aber jedes Mal, wenn ein neues Album herauskommt, heißt es: Was ziehen wir an? Kleidung ist ja ein Statement. Will man im schicken Anzug oder im rockigen Jeansoutfit antreten? Zuerst kam der Entschluss, fürs Fotoshooting nicht weit wegzufliegen, sondern auf die Schwäbische Alb zu gehen, weil's da auch schön ist. Vonseiten des Fototeams kam dann der Vorschlag, in alte Klamotten zu schlüpfen. Ich fand das gut, die Kleiderfrage war vom Tisch, wir konnten so aussagen, dass es uns nicht so wichtig ist, was wir anhaben. Und ich fühlte mich in den Sachen wie in einem Jules-Verne-Buch!
Letztes Jahr rauschtest Du durch den Blätterwald: Krise, Alkoholproblem, Depression ... Seltsamerweise hat kein einziges Presseorgan Häme über Dich ausgeschüttet, es war eine Menge Solidarität zu spüren, und auch Mitleid. Und nun hast Du plötzlich Fans in den Feuilletons und sogar bei "Spex". Meinst Du, dass Du jetzt glaubwürdiger wirkst?
Engler: Ich habe natürlich nun ein bisschen mehr zu erzählen als vorher, ich habe ein heftiges Jahr hinter mir. Wenn ein Künstler "gelitten" hat, hat er hinterher immer viel zu erzählen.
Naja, so mancher Schlagerstar leidet vielleicht auch, bekommt aber trotzdem nicht diese Aufmerksamkeit ...
Engler: Das liegt aber eher daran, dass viele Schlagersänger ihre Texte nicht selbst schreiben. Pur sind durch und durch authentisch, es gibt nichts, was wir nicht selbst gemacht haben. Deshalb hat alles, was wir machen, eine Wirkung nach außen. Wir haben uns selbst bei den Leuten, die keine Fans von uns waren, eine gewisse Glaubwürdigkeit erarbeitet. Sogar die, die unsere Musik wirklich nicht mochten, haben nun einen gewissen Respekt vor uns. Klar, ich kriege normalerweise gerne einen drauf, Motto: "Die Gutmenschen aus Bietigheim". In der Krise aber haben mir viele Journalisten Respekt gezollt, sie dachten vielleicht: "Schau an, der hat ja auch Ecken und Kanten und ist kein Friede-Freude-Eierkuchen-Mensch. Auch er hat sein Päckchen zu tragen."
Deshalb sind auch so wenige Liebeslieder auf dem Album ...
Engler: Genau. Außer dem letzten Lied, das kurz vor Torschluss hinzukam. "Der geschenkte Tag" ist das einzige wirklich echte Liebeslied. Weil sich in meinem Leben eine wunderschöne Wendung ergeben hat!
Womit Deine neue Freundin Katrin gemeint ist?
Engler: Ja, wir kennen uns schon ein paar Monate, aber ich habe das sehr privat gehalten. Ich wollte nicht damit in die Medien. Jetzt, da wir durch das Album sowieso in den Medien sind, rede ich auch offen darüber, denn so kann ich das steuern. Mir geht es wunderbar! Und lustigerweise haben sich auch die Presseleute mitgefreut!
Es hat ja auch so etwas Ehrliches, Katrin ist Sekretärin und kein Supermodel, Ihr habt Euch bei einem Konzert kennengelernt, nicht bei einem Red-Carpet-Ball. Was für ein Konzert war das?
Engler: Bei David Hanselmann. Er ist ein alter Bekannter, war früher unser Backing-Vokalist. Es war ein kleines Konzert auf einer Burg bei uns im Schwabenländle. Katrin erkannte mich zwar, aber weil wir als Pur daheim so ein normales Leben führen, gibt es das Gefühl, ein Star zu sein, nicht. Ich treffe mich nie mit Promis im privaten Bereich. Und wenn ich nicht gerade selbst in eine Charity-Aktion involviert bin, trifft man mich auch nicht auf den wichtigen Partys, obwohl ich eingeladen werde. Bei mir wühlen auch keine Paparazzi in der Mülltonne. Nur dass ich letztes Jahr in einer Klinik für Burn-out-Syndrom war - wie man jetzt Depressionen nennt. Und das bekam die Presse heraus.
Wie half man Dir dort?
Engler: Mit Gesprächs- und Musiktherapie. Es war wie bei einer Kur. Ich durfte auch in die Stadt gehen und so.
Wie sieht eine Musiktherapie für einen Musiker aus?
Engler: Das war eines der wenigen Male, dass ich damals gegrinst habe. Mir ging es ja nicht gut, ich hatte ein berufliches Tief und die Trennung hinter mir. Aber als sie mich in die Musiktherapie schickten, sagte ich: Hey, Leute, ich bin Musiker! Das hat dort aber niemanden interessiert. Denn bei der Musiktherapie soll man seine Gefühle sozusagen auf die Klaviertastatur hämmern und trommeln, das soll gar nicht schön klingen. Es hat mir sehr geholfen, es kamen Dinge heraus, von denen ich gar nicht wusste, dass sie in mir drin waren!
Kurz darauf habt Ihr gleich das riesige Charity-Konzert in Bietigheim gegeben, vor 17.000 Fans, und Ihr habt 330.000 Euro gesammelt. Tat es Dir gut, gebraucht zu werden?
Engler: Nach dem Klinikaufenthalt fühlte ich mich einfach wieder erholt. Ich fing auch gleich an, wieder mit Ingo zu arbeiten. Und dieses Konzert gaben wir für acht verschiedene Organisationen, die es bei uns im Umkreis gibt. Wie etwa eine Diakonie-Station. Damit wir sehen können, wofür das Geld verwendet wird, besuchte ich die Station auch öfter. Und da lernte ich Frau Schneider kennen ...
... die Du prompt in einem Song verewigt hast ...
Engler: Ja, sie ist demenzkrank, spielt aber Halma wie keine Zweite. Sie spielt fies und gewinnt immer! Ich brachte meine Herbstnachmittage damals, weil ich mehr Zeit hatte, für die Betreuung von Demenzkranken auf: Musik machen, spielen, und so weiter. Da mein Vater spät in seinem Leben auch dement war, war mir das nicht fremd. Frau Schneider konnte sich Woche für Woche nicht daran erinnern, wer ich bin, aber nach einigen Nachmittagen dort wusste sie immerhin, dass wir schon Halma miteinander gespielt hatten, und dass ich immer verliere. Aber sie musste bei jedem zweiten Zug fragen, welche Farbe sie hat! In ihr habe ich meine Meisterin im Halma gefunden! Das alles tat mir gut. Das machte ich alles für mich. Ich fühlte mich besser und ging immer mit einem guten Gefühl heraus.
Versuchst Du inzwischen nach all Deinen Erlebnissen auch gesünder zu leben?
Engler: Ich habe meine Ernährung die letzten Jahre schon umgestellt. Ich esse vormittags immer ein riesiges Müsli, mit allem drin! Selbst zusammengestellt, jeden Tag anders, mit frischen Früchten, Joghurt, Kernen, Flocken, Nüssen. Dann esse ich erst abends wieder, da erlaube ich mir aber alles, was mir schmeckt, auch mal eine Pizza oder Grillfleisch. Ich trinke auch hin und wieder mal Bier oder Wein dazu. Aber aus Gründen der Gesundheit und wegen meiner Erfahrung letztes Jahr habe ich den Alkohol natürlich deutlich reduziert. Da ich in der Woche 50 Kilometer jogge, darf ich mir abends auch etwas gönnen, finde ich. Aber eben alles in Maßen. Ich habe viel über mich gelernt ...
50 Kilometer! Da bist Du auf Tour gut fit!
Engler: Stimmt! Ich trug mal spaßeshalber meine Pulsuhr auf der Bühne, um zu sehen, wie sportlich das ist! Nach zweieinhalb Stunden hatte ich genauso viel Kalorien verbrannt, wie nach 75 Minuten joggen!
Dann wünsche ich Dir noch gute Gesundheit für Eure Tournee im Herbst, Ihr wagt Euch ja wieder in die ganz großen Hallen ...
Engler: Schon, aber wir gestalten die Tour ganz gemütlich, immer mit ein paar Tagen dazwischen. So bleibt genug Zeit für die Familie und für meine zwei "Katzen" (eine davon ist echt, mit der anderen ist Freundin Katrin gemeint, die bei ihm wohnt, die Red.). Und für die Kinder - zu meiner Ex-Frau und den Kids habe ich ja auch immer noch ein sehr gutes Verhältnis.
Pur auf Deutschland-Tournee
25.11., Halle / Westfalen, Gerry Weber Stadion
27.11., München, Olympiahalle
28.11., Stuttgart, Schleyerhalle
29.11., Karlsruhe, Europahalle
01.12., Bremen, AWD Dome
02.12., Braunschweig, Volkswagenhalle
03.12., Hamburg, Color Line Arena
05.12., Hannover, TUI Arena
06.12., Berlin, O2 Arena
07.12., Frankfurt, Festhalle
09.12., Köln, Lanxess Arena
10.12., Köln, Lanxess Arena
11.12., Dortmund, Westfalenhalle
12.12., Dortmund, Westfalenhalle ~ Kati Hofacker (teleschau)
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