"Rock'n'Roll ist kein Roomservice"
Eine schwere und dennoch schöne Geburt: Reamonn veröffentlichen ihr fünftes Album
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"Rock'n'Roll ist kein Roomservice"
Eine schwere und dennoch schöne Geburt: Reamonn veröffentlichen ihr fünftes Album
07.11.2008 So richtig oft gibt es solch hausgemachte Karrieren wie die von Reamonn nicht. Seit neun Jahren und dem Überhit "Supergirl" platziert die deutsche Band um den irischen Sänger Rea Garvey jedes Album verlässlich in den Top Ten. Das wird auch mit dem fünften, schlicht "Reamonn" betitelten nicht anders sein. Und ihr anhaltender Erfolg ist vielleicht auch mit einer gewissen Bodenständigkeit zu erklären. Sänger Rea Garvey spricht längst perfekt Deutsch. Und wie ein Millionär sieht er auch nicht aus. Eher wie ein Rockmusiker, der weiß, dass er mal Tellerwäscher war. Und im Interview wird klar: Er ist auch jemand, der gerne Klartext redet. Aber auch breit grinsend Anekdoten erzählt.
Euer neues Album heißt einfach nur "Reamonn". Warum trägt das Kind denn jetzt Euren Namen?
Rea Garvey: Die zwei Jahre, die die Arbeit an "Reamonn" dauerte, habe ich wie eine Schwangerschaft erlebt. Du willst, dass es fertig wird, raus kommt. Meine Schwester ist gerade schwanger und eine Woche über dem Termin, und ich habe zu ihr gesagt: Ich weiß genau, was du fühlst.
Warum war es denn so eine schwere Geburt?
Garvey: Es war eine harte Platte mit vielen schlechten Momenten. Manche Lieder wurden dreimal aufgenommen, da denkst du ans Aufgeben, fragst dich: Wo führt das hin? Tatsächlich habe ich versucht, mich hinzustellen wie ein Kind, um das zu überleben, nur zu sehen, was gerade ansteht. So wie meine dreijährige Tochter, die brachte mir Klarheit.
Sicherlich gab es auch Momente, in denen Du nicht wie ein Kind reagiert hast.
Garvey: Wenn ich etwas unbedingt will, muss das passieren, sonst bin ich ziemlich aggressiv. Es gab zum Beispiel Unstimmigkeiten beim Mix. Und dann frage ich mich schon: Warum kämpfe ich so hart, wenn der letzte Schritt nicht funktioniert?
Produziert in Berlin, Los Angeles und im kanadischen Vancouver. Das klingt fast ein wenig nach Urlaub.
Garvey: In Vancouver Urlaub, ja. Scheiße (lacht), das kann man sich nicht vorstellen, wie übel die Straße war, die zum Studio führte. Es wimmelte dort von Drogenabhängigen und halb toten Menschen, die ihre Pipes geraucht haben, wenn du um vier Uhr morgens aus dem Studio kamst. Vancouver ist eine schöne Stadt, aber immer wenn ich dran denke, habe ich diese Straße im Kopf. Trotzdem war die Aufnahmezeit sehr gut. Als ich aus dem Flieger stieg, kam mir Elvis Costello entgegen. Ich dachte mir, wenn das kein fucking Zeichen ist.
War es in Los Angeles wenigstens sonniger?
Garvey: Da ist alles anders, einmal stand plötzlich Ed Harris, der Schauspieler, neben mir im Studio. Aber überwiegend hatte ich Augen für das Chaos, du hast so viel um die Ohren, denkst, es muss doch mal vorbei sein. Aber wenn das erste Lied aus dem Ofen kommt, weißt du, was du geschafft hast. Du musst Schwierigkeiten überstehen. Rock'n'Roll ist kein Roomservice.
Gab es denn auch mal angenehme Umstände?
Garvey: In Italien bei unserer zweiten Platte. Da sind wir "in uns gegangen" (lacht), wollten Tiefgang. Doch Italien war zu schön, gutes Essen, guter Wein. Deswegen gibt es, glaube ich, so wenig große Künstler aus diesem Land. Man sollte schon im Studio bleiben wollen.
Warum wolltest Du eigentlich nicht in Irland bleiben?
Garvey: Ich hatte sieben Schwestern, war der Drittälteste.
Das klingt doch nach Großfamilienidyll ...
Garvey: Das kannst du vergessen. Als ich eine Zusage von der Universität in Dublin bekam, saß ich zwei Stunden später im Zug. Ich wollte die Welt erleben, Frauen sehen, machen, was ich will. Das geht nicht, wenn du zu Hause wohnst und 17 bist. Ich habe vier Jahre lang an der Universität Partys geschmissen, wurde dreimal verhaftet, es war eine tolle Zeit. Fehler machen bringt dich weiter. Und bis 25 hat ein Mann Zeit, alles falsch zu machen: Tu das, was du dir nicht zutraust.
Was bewahrt Dich bei steigendem Erfolg vor Größenwahn und davor, Dir zu viel zuzutrauen?
Garvey: Ich will besser werden, finde hohe Erwartungen anderer in Ordnung. Druck muss da sein. Ist nur die Frage, wie lange man es aushält. Es gibt genug Bands, die es irgendwann nicht mehr packen. Ich kann mir vorstellen, nach diesem Album ein Jahr keine Musik zu machen. Denn wenn du bei einer Zitrone drückst, loslässt und noch einmal drückst, kommt viel Saft heraus, wenn du nur drückst, kommt nichts. Es geht mir ums Genießen, Loslassen und zurückkommen, wenn du wieder Bock drauf hast. Bei den letzten Shows hast du keine Lust mehr, wenn du drei Jahre auf Tour warst. Ich hoffe, dass das Publikum das nicht merkt. Irgendwann ist die Zeit vorbei, auch für manche Songs.
26 Wochen haftete Eure Single "Supergirl" 2000 in den Charts. Was empfindest Du, wenn Du sie jetzt im Kaufhaus hörst?
Garvey: Dann freue ich mich. Wenn wir das hören, frage ich meine Tochter, wer das ist - und dann kommt "Dadda" (lacht). Ich bin Musiker, davon habe ich geträumt, ich stand mit zwölf auf einer Bühne mit einer pinken Elektrogitarre, die ich nicht spielen konnte. Die Bühne war und ist für mich alles.
Trotzdem ist für Dich eine Pause vorstellbar.
Garvey: Absolut, hundertpro und ich freu mich auch drauf. Jetzt genieße ich die Platte. Wir haben nie lange genossen, hatten immer gleich das nächste Ziel im Auge, standen für neue Songs im Studio. Das wollen wir jetzt bewusst wahrnehmen.
Wie viel Angst hattest Du, als Du vor zwei Jahren an den Stimmbändern operiert wurdest?
Garvey: Bei der ersten Operation war ich noch nervös, die zweite verlief gut. Nach 15 Jahren ist das normal, wie bei einem Fußballer eben mal das Knie ausfällt. Ich bin Musiker und wenn ich meine Stimme verliere, bin ich immer noch Musiker. Ich glaube an Gott und hatte weniger Angst als meine Frau. ~ Claudia Nitsche (teleschau)
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