Kein Herz für Small Talk
Reinhard Mey veröffentlicht "Mairegen"
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Kein Herz für Small Talk
Reinhard Mey veröffentlicht "Mairegen"
11.05.2010 Er wollte nur eine letzte Zigarette vor dem Schlafengehen rauchen. Als Reinhard Meys Sohn Maximilian am 13. März 2009 dabei auf dem Balkon plötzlich zusammenbrach, der von seiner Freundin herbeigerufene Notarzt Herz- und Atemstillstand feststellte und er nach der Reanimation in ein Wachkoma fiel, erschütterte dies "die Familie in ihren Grundfesten". Es ist es mehr als verständlich, dass Deutschlands bekanntester Liedermacher sich und sein neues Album "Mairegen" deswegen nicht öffentlich erklären mag. "Ich passe jetzt nicht in den Rahmen einer lustigen Gesprächsrunde", erklärt Mey auf seiner Homepage, "Ich bin nicht lustig, und ich habe nicht das Herz für Small Talk." Aber zu sagen hatte der 67-Jährige zwar stets viel - ein Dampfplauderer oder Selbstdarsteller war Mey ohnehin nie.
Dafür schon früh ein Mann des geschriebenen und gedichteten Wortes: Am 21. Dezember 1942 in Berlin-Wilmersdorf geboren, bekommt Mey im Alter von zwölf Jahren jedoch zunächst Klavierunterricht, bringt sich selbst Trompete spielen bei, spielt bald nach dem Erhalt seiner ersten eigenen Gitarre 1957 in der Band Rotten Radish Skiffle Guys. Er ist Mitglied eines Folk-Trios, vertont seine ersten Balladen und Gedichte, bekommt erste Auftritte.
Nach Abitur und abgeschlossener Industriekaufmannslehre und noch während er an der Technischen Universität Berlin für das Fach Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben ist, erscheint 1965 seine erste Single. Der Anfang einer Karriere, in deren Verlauf er nicht nur in Deutschland, sondern mit französisch gesungenen Chansons - unter dem Namen Frédérik Mey - auch jenseits des Rheins zum Star wird. Schon 1971 werden seine Texte dort sogar in Schulbüchern abgedruckt.
Überraschend ist diese Tatsache nicht. Klar: In seinem bekanntesten Song "Über den Wolken" widmet sich Mey seiner größten Leidenschaft - er besitzt die Privatpilotenlizenz, ist Privathubschrauberführer und ist zum Kunstflug auf Motorflugzeugen berechtigt. Und trat in den 70er-Jahren immer wieder neben den großen Schlagerstars der Zeit in der ZDF-"Hitparade" auf.
Seine lyrischen, stets genau beobachtenden und gerne (gesellschafts)kritischen Texten machten ihn aber nicht nur dort zu einer Ausnahmeerscheinung. Während Liedermacher-Kollegen wie Ulrich Roski, Schobert und Black oder Hannes Wader ihre Glanzzeiten in den 70er-Jahren feierten, geriet Mey nie in Vergessenheit. Vielleicht auch, weil er sich nie auf eine Rolle festlegen ließ.
Mal setzte er sich humorvoll mit den Alltäglichkeiten des Lebens auseinander, nahm in "Ein Antrag auf Erteilung eines Antragformulars" etwa die übermäßige Bürokratie in Ämter und Behörden aufs Korn. Dann wieder betrachtete er von außen kritisch den Zeitgeist, ein gutes Beispiel: "Die Body-Building-Ballade" von 1988. Mey scheute aber auch nicht die scharfe Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Themen: Mit "Es gibt keine Maikäfer mehr" aus dem Jahr 1974 dürfte ihm einer der ersten deutschsprachigen Songs zum Thema Umweltverschmutzung gelungen sein.
Seine Stimme zu erheben, Gedanken offen auszusprechen und auch einmal den Finger in die Wunden zu legen, ist für Reinhard Mey als Künstler selbstverständlich. Als Privatmensch scheute der dreifache Vater stets die ganz große Öffentlichkeit - und äußerte sich dennoch auch zum Schicksalsschlag, der die Familie letztes Jahr so plötzlich traf. "Ich habe nie ein Geheimnis aus meinem Leben gemacht und alle Hochs und Tiefs über meine Lieder und Äußerungen mit meinen Zuhörerinnen und Zuhörern geteilt", so Mey in einem Statement auf seiner Homepage. "Es ist mir wichtig, das auch jetzt zu tun, mit diesen Zeilen und in einem ausschließlichen und einzigen Gespräch mit Reinhold Beckmann, mit dem ich befreundet bin und dem ich vertraue."
In dessen ARD-Talk-Sendung vom 7. September 2009 sprach der Liedermacher dann ganz offen über das Unglück seines Sohnes, das Hoffen und Bangen am Krankenbett: "Manchmal haben wir das Gefühl, er will etwas sagen. Dann ist er sehr aufgeregt und wir versuchen ihn zu beruhigen und sagen: Max, wir verstehen, was du uns sagen willst, du kannst es jetzt noch nicht ausdrücken, aber es wird einen Tag geben, an dem du uns sagen wirst, was du uns jetzt sagen willst." Er und seine Frau Hella hätten durch den Vorfall "eine neue Aufgabe bekommen", so Mey. "Wir haben noch einmal, im Alter von 66 und 61 Jahren, ein Kind. Und alle Verpflichtungen, alle Kraft und allen Enthusiasmus, als er klein war."
Trotz oder vielleicht auch gerade wegen dieser Verpflichtungen: Reinhard Mey hat immer noch das tiefe Bedürfnis, seine Gedanken und Gefühle mit seinen Hörern zu teilen - wie jetzt auf "Mairegen" nachzuhören ist. Ein ruhiger, nachdenklicher, aber niemals pessimistisch gestimmter Liederzyklus ist sein neues Album geworden, über das er nur so viel verraten will: "Ein Jahr lang haben die Lieder und das Schreiben meinen Tagesablauf mitbestimmt, waren ein Mittelpunkt in meinem Leben. Bei allem war die Sorge um unseren jüngsten Sohn und meine Familie gegenwärtig, das Schreiben, die Musik und die strenge Struktur der Arbeit haben mir Halt gegeben." Mehr sei von ihm jetzt aber nicht zu erwarten, so Mey. Er kehre jetzt "aus dem Musikstudio in die Stille" zurück. Und wolle seine Kraft nur dort einsetzen, "wo ich jetzt wirklich gebraucht werde und 'wohin mein Herz mich trägt'". ~ Stefan Weber (teleschau)
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