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"Wir wollen keine Rockstars sein!"


R.E.M. veröffentlichen ihre ersten drei Alben als "Deluxe"-Editionen

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"Wir wollen keine Rockstars sein!"

R.E.M. veröffentlichen ihre ersten drei Alben als "Deluxe"-Editionen

14.07.2010 Der Legende nach gaben die buschigen Augenbrauen von Bill Berry den Ausschlag. Denn richtig sympathisch, erklärten die Mitglieder von R.E.M. später, fanden sich die beiden befreundeten Pärchen, Sänger Michael Stipe und Gitarrist Peter Buck auf der einen, sowie Bassist Mike Mills und Schlagzeuger Bill Berry auf der anderen Seite anfangs nicht. Doch für einen Auftritt auf der Geburtstagsfeier einer gemeinsamen Freundin raufte man sich am 5. April 1980 dennoch zusammen. Dass sich aus dieser Zweckgemeinschaft eine langlebige Freundschaft entwickeln, der Formation der Aufstieg zur weltweit gefeierten Rockband gelingen würde, ahnte und vor allem plante damals niemand. An die frühen Karriereschritte von R.E.M. erinnern nun "Deluxe"-Ausgaben ihrer ersten drei Alben.

"Sie sind mit ihrem Erfolg wie Heilige klargekommen" - Wenige Monate vor seinem Tod überschlug sich Kurt Cobain im "Rolling Stone"-Interview mit bewundernden Worten für die Band aus Athens im US-Bundesstaat Georgia. Denn R.E.M. begegneten dem überwältigenden Zuspruch zu ihren Alben "Out Of Time" (1991) und "Automatic For The People" (1992) und den darauf enthaltenen Hits "Losing My Religion", "Man On The Moon" und "Everybody Hurts" tatsächlich vergleichsweise unaufgeregt. Aber schließlich konnte das Quartett zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine zehnjährige Bandgeschichte zurückblicken. Viel wichtiger aber: In den ersten Jahren ihrer Karriere hatten R.E.M. langsam, aber stetig - und niemals mit Blick auf Verkaufszahlen - einen Karriereschritt nach dem anderen unternommen.

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An ein Leben als Rockmusiker wollte die Band anfangs ohnehin nicht glauben: "Die Vorstellung, so etwas länger als ein, zwei Jahre zu machen: absurd!", so Mike Mills, "Wir haben uns das damals ausgerechnet: Wenn wir einen Monat lang in Athens auftreten würden, könnten wir ein paar hundert Dollar verdienen - genug für die Miete. Und alle paar Monate oder so hätten wir dann eine Single oder sogar eine EP herausbringen können." Folglich begaben sich R.E.M. nach ersten erfolgreichen Auftritten in ihrer Heimatstadt im Sommer 1980 auf "Ochsentour": Sie spielten fast zwei Jahre lang in schäbigen Hähnchen-Imbissen, musikalisch konservativen Biker-Bars, familiären griechischen Restaurants und kleinen, verrauchten Clubs. Und erfüllten sich ihren Traum - die Aufnahme einer Single: "Radio Free Europe".

Die erste Pressung von 1.000 Exemplaren schickten R.E.M. an College-Radio-Stationen im ganzen Land - ein Schachzug, der seine Wirkung nicht verfehlte: Für die DJs der unabhängigen Sender wurde "Radio Free Europe" zu einer Art Erkennungsmelodie. Die Single begründete aber auch musikalisch eine neue Ära: Zwischen dem in den USA den Äther dominierenden Classic- und Erwachsenen-Rock und kommerziell erfolgreichem New Wave/Pop, zwischen den letzten Ausläufern des britischen Punk und Postpunk, entwickelte hier eine amerikanische Band eine neue, ureigene Sprache. Im wahrsten Sinne des Wortes: An der Enträtselung von Michael Stipes leicht vernuschelten gesungenen und schwer verschlüsselten Texten bissen sich Fans wie Kritiker die Zähne aus.

Dennoch: Die Band fand immer mehr Zuspruch, Kritiker überschlugen sich mit Lob. Und so unterzeichnete das Quartett im Mai 1982 den Plattenvertrag mit IRS Records, im April des folgenden Jahres erschien mit "Murmur" (inklusive einer Neuaufnahme von "Radio Free Europe") das Debütalbum der Band. Dort definierten R.E.M. endgültig ihren Sound, der später als "College Rock" bezeichnet werden sollte: Peter Bucks wohlig klinge(l)ndes Spiel erinnerte an 60er-Jahre-Folkrock (der Rolling Stone titulierte R.E.M. als "die Neffen der Byrds"), was hauptsächlich an seiner Rickenbacker-Gitarre lag - einem Modell, das auch Byrds-Kopf Roger McGuinn einst verwendete. Mike Mills hingegen lieferte keine klassischen Bassläufe ab, sondern spielte stattdessen lieber Melodielinien nach. Dazu Stipe, der charismatische Kryptiker und Bill Berry, der - wie der Sänger einst behauptete - durch sein unaufgeregtes Schlagzeugspiel den "Laden zusammenhielt".

Und tatsächlich sorgte hauptsächlich ihr Sound für Aufruhr und großes öffentliches Interesse: Nachdem sich "Murmur" auf Platz 26 in den amerikanischen Albumcharts platziert hatte, folgten diverse mediale Verpflichtungen. Vor den Vermarktungsstrategien ihrer Plattenfirma graute der Band jedoch von Anfang an. Zum Videodreh, einem Auftritt in David Lettermans "Late Night Show" und einigen Auftritten im Vorprogramm von The Police ließ sich die Band nur widerwillig überreden. Auch musikalisch ließ sich auf den beiden folgenden Alben, dem stilistisch vielseitigen "Reckoning" (1984) und dem düster-psychedelischen "Fables Of The Reconstruction" (1985) keinerlei Anbiederung erkennen.

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Der unabhängige Geist der frühen R.E.M. ist nun auf den "Deluxe"-Editionen der Alben nachzuhören, sowohl "Murmur" als auch "Reckoning" enthalten dabei jeweils einen bislang unveröffentlichten Konzertmitschnitt auf einer Bonus-CD. Die überarbeitete Boxset-Version von "Fables Of The Reconstruction" hingegen punktet mit den unveröffentlichten "Athens Demos" als Zugabe. Die ersten drei Alben machen aber vor allem eines deutlich: Hier agierte eine Band mit unerschütterlichem Eigensinn jenseits aller Karriereplanungen, was später auch Stars wie Eddie Vedder bewunderten: "Ihre Haltung, ihre Einstellung der Industrie gegenüber - diese Sachen haben mehr Bands geprägt, als sie (R.E.M., Anm. d. Red.) sich das überhaupt vorstellen können", erklärte der Pearl-Jam-Sänger in einem Interview. Dass aus der Band, die anfangs stets mit Aussagen wie "Wir wollen keine Rockstars sein!" auffiel, dennoch Rockstars wurden, ist sicher einer der schönsten Ironien der Rockmusikgeschichte. ~ Stefan Weber (teleschau)


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