Rosenstolz

"Wir wollen kein Sprachrohr sein!"


Rosenstolz auf der ewigen Suche nach dem Glück

Aktueller Artikel im akuma.de Magazin zu Rosenstolz
» Übersicht von Rosenstolz anzeigen

"Wir wollen kein Sprachrohr sein!"

Rosenstolz auf der ewigen Suche nach dem Glück

26.09.2008 "Die Suche geht weiter" für Peter Plate und AnNa R. Seit 17 Jahren sind die beiden nun schon Rosenstolz. Anfangs tingelten sie durch kleine Bars und Kneipen, kein Radiosender wollte sie spielen. Das ist lange her: Mittlerweile sind Rosenstolz eine der erfolgreichsten Bands im deutschen Sprachraum. Mit einer Mischung aus Rock, Chanson und Schlager sangen sie sich fest in die Herzen ihrer Zuhörer. Im Interview sprechen sie über das neue Album, über Tod und Trauer und ihre Qualitäten als Sprachrohr der Schwulen- und Lesbenbewegung.

"Geht es einmal / geht's noch mal" heißt es in "Ich bin mein Haus". Das macht Mut! Ist das auch Eure Maxime?

Rosenstolz - \"

AnNa R.: Naja, dieser Song soll ja nicht anderen, sondern erst einmal einem selber Mut machen. Aber wenn Menschen das so empfinden, dann ist es schön. Ich verstehe das so, dass man für sich selbst verantwortlich ist und das nicht auf andere Leute oder Mächte abwälzen kann. Das hat etwas mit Selbsterkenntnis zu tun. Was nicht heißt, dass man sich nicht helfen lassen kann.

Plate: Du kannst dir tausend Ratschläge einholen. Fragst du zehn Menschen, hast du zehn Meinungen! Aber die finale Entscheidung muss man selbst fällen. Da hilft es, zu sagen: Ich bin mein Haus! Ich werde schon fühlen, was für mich richtig ist.

Ihr macht ja immer ein großes Geheimnis daraus, wer von Euch welchen Text geschrieben hat. Warum eigentlich? Bei einem Gedicht weiß man doch schließlich auch, wer der Verfasser ist!

AnNa R.: Das ist richtig, aber bei einem Gedicht gibt es meistens nur einen Autor. Bei uns wollen wir das lieber offen lassen ... Auch, um uns selbst zu schützen.

Rosenstolz - F

Weil viel Autobiografisches in Euren Liedern steckt?

Plate: Sehr viel, ja! "Ein Morgen im April" ist beispielsweise Ulfs (Ulf Sommer, Produzent der Band, Songwriter und Ehemann von Peter Plate, d. Red.) Mama gewidmet, die 2006 gestorben ist. Es ist klar, dass das nur Ulf geschrieben haben kann - und zwar aus der Sicht eines Kindes. Ansonsten halten wir uns ein bisschen bedeckt. Wir schreiben diese Texte ja nicht, damit die Leute wissen: Aha, so geht es jetzt der AnNa! Die Zuhörer sollen das aus den Liedern herausziehen, womit sie sich am meisten identifizieren können. Es ist doch die Eigeninterpretation, die eigene Fantasie, die das Leben so schön macht. Deswegen fand ich den Deutschunterricht einfach schrecklich. Da wurden 30 Schüler bei einem Gedicht dazu verpflichtet, das Gleiche zu fühlen.

Könnt Ihr Euch problemlos in die Lieder hinein versetzen, die der jeweils andere geschrieben hat? Wie war das bei "Ein Morgen im April"?

Plate: Ulf und ich sind seit 18 Jahren zusammen. Als ich seine Mutter kennen lernte, war sie so alt, wie ich es jetzt bin. Wir haben uns gesehen und uns sofort geliebt. Sie wohnte damals in Jena und kam zu unseren ersten Konzerten nach Berlin. Immer wenn wir in Jena spielten - das waren ja kleine Klubs damals -, schliefen wir bei ihr. Sie machte uns Essen, hängte Plakate auf, schnitt Zeitungsartikel aus. Jetzt ist da eine Lücke. Sie war auch das Familienoberhaupt, italienisch sozusagen.

Fast wie eine Mutterfigur?

Plate: Also in den ersten Jahren - auch ich war mal jung (lacht) - auf jeden Fall. Wir hatten keine Kohle. Sie war dann so mütterlich und dachte: Mein Sohn ist schwul, ...

Rosenstolz - O

AnNa R.: ... dann braucht er bestimmt ganz viel Geld.

Plate: Nein, aber sie wusste: Die Jungs haben kein Geld. Und deswegen machte sie uns praktische Geschenke wie Pullover: Den roten für Ulf, den grünen für Peter.

Eure Songs handeln oft von Trennungsschmerz, zum Beispiel "Blaue Flecken". Ihr seid aber beide - zumindest nach außen - glücklich verheiratet: Könnt Ihr Euch denn da überhaupt hinein versetzen?

AnNa R.: Naja, man hat ja im Laufe seines Lebens schon ein paar Sachen erlebt! Wir waren ja nicht immer verheiratet, also ich zumindest nicht (lacht). Und ich kann mich auch noch ganz gut daran erinnern, wie man sich fühlt, wenn man getrennt ist! Zumal man auch ein gewisses Maß an Fantasie hat und sich vorstellen kann: Was wäre denn jetzt, wenn der geliebte Mensch auf irgendeine Art aus dem Leben entfernt würde? Es ist also klar, dass das nicht alles Momentaufnahmen sind. Das wäre auch hart, dann wären wir ja zwei Jahre lang komplett depressiv gewesen und hätten uns wahrscheinlich schon den Strick genommen. Trotzdem kommen in unseren Songs eigene Gefühle zum Ausdruck.

Peter, Dein Bruder hat mal gesagt: "Das große Leben" ist: Hier stehe ich. Und "Die Suche geht weiter": Jetzt gehe ich ...

Plate: Ja, das fand ich so genial. Ich empfinde es ähnlich, drücke es aber anders aus. "Das Große Leben" war ein Wir-Album und das neue Album ist ein Ich-Album. Es geht um das Durchleben von Trauer und wie man damit umgeht. Es geht aber auch darum, sich selbst in den Arsch zu treten.

"In der Ferne scheint alles schöner" heißt es in "Die Suche geht weiter". Wonach sucht Ihr eigentlich?

AnNa R.: Profan ausgedrückt: Der Weg ist das Ziel. Es geht nicht darum, etwas Bestimmtes zu suchen. Es geht darum, in Bewegung zu bleiben. Zu schauen, was passiert ...

Plate: Der Song an sich ist eigentlich eine Bestandaufnahme. Das ist wie mit dem Scheinriesen von Michael Ende ...

AnNa R.: Ja, genau. Ist es da, sieht man es nicht. Ist es weg, will man es haben.

Der Song "Die Suche geht weiter" beschreibt auch, wie schwer es ist, den Augenblick zu genießen ...

Plate: Ja, oder zu üben, den Augenblick vielleicht doch zu genießen. Und loszulassen! Wenn ich mit meiner 86-jährigen Oma spreche, bestätigt die mir das: "Je älter du wirst, desto schneller vergeht ein Jahr. Auch, wenn es immer noch 365 Tage hat." Ich selbst empfinde das ähnlich. Das ist zwar erschreckend, aber man sollte das Beste daraus machen.

AnNa R.: Ja, vielleicht ab und zu einfach mal kurz anhalten ...

Ihr habt ganz klein angefangen. Seid Ihr durch den Erfolg glücklicher geworden? Lebt es sich leichter?

AnNa R.: Sicher nicht. Wir waren auch ganz glücklich mit unserer Situation, als wir noch erfolglos waren. Wir haben einfach nicht darüber nachgedacht.

Plate: Eine Sache wird schon leichter. Wenn ich mit Anfang 20 eine leicht depressive Stimmung hatte, war das wie ein Weltuntergang. Heute ist das viel leichter, weil ich weiß: Diese Phasen gehen auch vorbei.

AnNa R.: Das hat aber nichts mit Erfolg zu tun, sondern mit Alter.

Ihr hattet auch dieses Jahr wieder einen eigenen Wagen beim Kölner Christopher Street Day. Versteht Ihr Euch so ein bisschen als Sprachrohr einer Bewegung?

AnNa R.: Das ist ein Wort, das ich nicht mag. Jedenfalls nicht in Bezug auf uns.

Plate: Nein, ich mag auch kein Sprachrohr sein. Sicher: Als wir anfingen, war die Gesellschaft ganz anders. Da hat sich viel getan. Wir haben jetzt einen schwulen Bürgermeister in Hamburg, der für mich in der falschen Partei ist. Aber immerhin: Er ist offen schwul und in der CDU. Was ich damit sagen will: Wir alle, wir Schwulen, Lesben und Heteros, wir sind so unterschiedlich, da wäre es vermessen zu sagen: Ich bin schwul, ich bin bekannt und deswegen bin ich ein Sprachrohr. Sehr wohl treten aber Rosenstolz für Toleranz ein. Das ist uns wichtig.

AnNa R.: Es ist doch schön, wenn man nicht mehr ständig darüber reden muss. Richtig schön wäre es, wenn man überhaupt nicht mehr darüber reden müsste.

Wie wichtig ist es für Euch, sich aufeinander verlassen zu können?

Plate: Ganz wichtig. Das ist es, was unsere eher geschwisterliche Beziehung ausmacht. Ich weiß, wenn es hart auf hart kommt, ist AnNa für mich da - privat wie beruflich. Privat war das aber in den letzten Jahren - zum Glück - nicht so notwendig.

Sind denn Eure jeweiligen Partner eifersüchtig auf Euch?

AnNa R.: Auf uns? Ne, das wäre ja sehr albern.

Plate: Ulf war ja von Anfang an dabei und hat genug Selbstbewusstsein, dass er Rosenstolz auch als sein Baby betrachtet. Wenn wir ein Konzert spielen, dann hat er selbst großes Lampenfieber, weil er weiß, dass er uns nicht mehr helfen kann.

Du hattest ja früher Panikattacken vor Konzerten ...

Plate: Ja, nicht nur vor Konzerten. Das war so 1994 / 95, liegt also schon sehr lange zurück. Das ist etwas, was einsam macht, weil man sich nicht mehr unter Leute traut. Ich hatte oft das Gefühl, ich müsste mich übergeben, würde keine Luft mehr kriegen, oder mir würde jemand auf die Kehle drücken. Zum Glück kann man das therapieren. Mir war wichtig, Freunde zu haben, mit denen man darüber spricht. Jetzt hält sich die Nervosität vor Konzerten zum Glück in normalen Bahnen. ~ Philip Mukherjee (teleschau)


Interviews, Stories, Meldungen und CD-Kritiken zu Rosenstolz

"Wir wollen kein Sprachrohr sein!"

Rosenstolz auf der ewigen Suche nach dem Glück
"Wir wollen kein Sprachrohr sein!"

"Die Suche geht weiter" für Peter Plate und AnNa R. Seit 17 Jahren sind die beiden nun schon Rosenstolz. Anfangs tingelten sie durch kleine Bars und Kneipen, kein Radiosender wollte sie spielen. Das ist lange her: Mittlerweile sind Rosenstolz eine der erfolgreichsten Bands im deutschen Sprachraum. Mit einer Mischung aus Rock, Chanson und Schlager sangen sie sich fest in die Herzen ihrer Zuhörer. Im Interview sprechen sie über das neue Album, über Tod und Trauer und ihre Qualitäten als... mehr »


Weitere Meldungen zu Rosenstolz


CD-Kritiken zu Rosenstolz-Alben