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Akuma exklusiv: Pauker im Interview


"Wenn ich kein Lampenfieber mehr habe, bin ich tot"

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Akuma exklusiv: Pauker im Interview

"Wenn ich kein Lampenfieber mehr habe, bin ich tot"

05.05.2010 Was viele nicht wissen: "Paucker" ist nicht nur Sänger und Songwriter seiner gleichnamigen Band, sondern auch sein eigener Labelchef bei Monohausen Records.

Darüber hinaus arbeitete er bereits mit Thomas D (Die fantastischen Vier) zusammen, und auch Joy Denalane holte ihn sich als E-Bassist und Backgroundsänger ins Studio.

Der Veröffentlichung des neuen Albums "Miserable Junkie" (VÖ 05.03.2010), folgte eine erfolgreiche Clubtour durch Deutschland. Mit Akuma sprach der junge Künstler unter anderem über Klischees, Religion, und "Zukunftsmusik":

Akuma: Dein Album erschien am 5. März diesen Jahres und trägt den Titel "Miserable Junkie". Da liegt die Frage nach Deinem Selbstbewusstsein und dem eigenen "Suchtverhalten" nahe. Würdest Du Dich als suchgefährdeten, labilen Menschen bezeichnen?

Paucker: Suchtgefährdet ja, labil eher nein, soweit ich das beurteilen kann. Der "Miserable Junkie", das "armselige Würstchen", ist auch eher im übertragenen Sinne gemeint: Die Textzeile "there she goes forever, wearing out another miserable junkie" (There she goes) stand Pate für den Titel. Ich meine, dass in jedem von uns ein Wesen steckt, welches sich durch den Umgang und die Bewertung von außen, sprich anderen Menschen, abhängig macht, und dementsprechend handelt. Dieser innere Junkie macht uns unfrei, weil es uns Dinge tun lässt, die unüberlegt und eitel sind. Aber Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.

Akuma: Dein Song "God Has Gone On Holiday" ist relativ kritisch gegenüber Religionen. Was war Deine Motivation den Song zu schreiben? Hast Du negative Kritik von religiösen Menschen einstecken müssen? Wie religiös/gläubig ist Paucker selbst?

Paucker: Der Song ist religions- und gesellschaftskritisch. Religionen sind ja auch ein sehr einflussreiches gesellschaftliches Phänomen. Ich habe den Song geschrieben, weil ich mit großer Sorge den Reflex in allen großen Kirchen und bei sehr vielen "frommen" Menschen beobachte, Handlungen und Sichtweisen nach den jeweiligen Kirchen-Dogmen auszurichten, statt das Gehirn einzuschalten. Auf das Christentum übertragen: Die Bibel wird als Niederschrift Gottes betrachtet und daher in keinster Weise kritisch analysiert oder gar in einen zeitgeschichtlichen Kontext gesetzt. Sie sogar regelrecht wörtlich zu nehmen ist meiner Meinung nach gefährlich und sinnlos, die Bibel wurde von Menschen geschrieben, von Menschen zensiert und von Menschen übersetzt, und das sehr fehlerhaft. Sie ist ein Machtinstrument und hat Millionen Menschen das Leben gekostet. Die Verantwortung für das Tun wird einfach auf den Willen eines übergeordneten Wesens abgewälzt, alles Gottes Plan. Ich bin nicht religiös, und kein Mitglied einer Kirche, und die Vorstellung das wir ein und nur ein Leben zur Verfügung haben, erschreckt mich überhaupt nicht. Es ist lang genug, um etwas Gutes zu bewegen. Für mich ist nach diesem Leben Feierabend. Aber Anfeindungen hat es wegen "God has gone on holiday" noch nicht gegeben.

Akuma: Dass Du ein großer Beatles-Liebhaber bist und bereits in jungen Jahren mit deren Musik in Berührung kamst, ist bekannt. Wie würdest Du Deinen Musikstil, der recht vielschichtig - um nicht zu sagen fast "schizophren-facettenreich" ist - den Menschen beschreiben, die Dich und Deine Songs noch nicht kennen?

Paucker: "Schizophren-facettenreich", das gefällt mir! Ich mache 60er-lastigen schizophren-facettenreichen Indiepop.

Akuma: Auf dem Album gibt es den ein oder anderen sehr melancholischen Song. "Little Princess" beispielsweise. Sind Deine Texte zu 100% authentisch, dreht sich alles um reel Erlebtes oder bist Du jemand, der auch "Geschichten" erzählt oder Erlebnisse Anderer in seinen Songs verarbeitet?

Paucker: Ich schreibe entweder autobiographisch, oder über etwas was in meiner unmittelbaren Umgebung erlebt wird. Das braucht zwar etwas Mut, ist aber dafür echt. Das Leben hält wirklich genug Geschichten für eine ganze Menge Alben bereit, ich brauche keine fiktiven Inhalte zu bemühen.

Akuma: Wie schwierig ist es für Dich, plötzlich die "erste Geige", also der alleinige Frontmann, auf der Bühne zu sein?

Paucker: Auf jeden Fall gewöhnungsbedürftig... Aber wahnsinnig spannend. Ich war am Anfang sehr überrascht, wieviel Einfluss man als Frontsänger auf die Energie der Band und die Laune des Publikums nehmen kann. Allerdings gibt es für mich keine Regel, an die ich mich halte. Ich versuche mich in diese Rolle und das Konzert hinein fallen zu lassen, mache mir auch wenig Gedanken über Ansagen oder so, es ist ein tolles Gefühl wenn alles einfach fließt... Das gelingt aber nicht jeden Abend.

Akuma: Als Musiker standest Du recht früh auf der Bühne. Bist Du da vor äußerem Druck, Erwartungshaltungen oder Lampenfieber gefeit? Oder befällt auch Dich sowas noch?

Paucker: Da ist er wieder, der "Miserable Junkie". Natürlich bin ich davor nicht gefeit. Wenn ich kein Lampenfieber mehr habe, bin ich tot. Allerdings behindert mich das nicht bei der Performance. Eher wirkt es wie ein Aufputschmittel! Den größten Druck macht sich jeder Künstler ohnehin selbst... Schwierig ist es manchmal, wenn die ganze Family vor der Bühne steht.

Akuma: Wie gehst Du mit Kritik zu Deiner Musik um und wie mit Lob? Was ist schwerer anzunehmen?

Paucker: Ich nehme alles auf, aber mit einer gesunden Distanz. Wenn einer schreibt, das Album sei innovativ, temporeich, klingt aber sche*ße... Und der andere, es sei altmodisch und lahm, klingt aber dafür gut... Was soll man dann annehmen? Vieles relativiert sich einfach. Dennoch freue ich mich über (natürlich vor allem positive) Kritik, und wenn es etwas daraus zu lesen gibt, dann nehme ich das gerne an. Wirklich zu Herzen nehme ich mir Kritik von meinen engsten Freunden und meiner Familie.

Akuma: Gibt es einen Herzenswunsch, den Du hegst? Etwas was Dir besonders wichtig ist, etwas was Du unbedingt erreichen willst?

Paucker: Mir fällt da eine ganze Menge ein... Aber um hier kein Riesen-Fass aufzumachen: Ich wünsche mir, eines Tages ein Großvater zu sein. Am Besten vielfach.

Akuma: Die Mitglieder Deiner Band sind nicht "nur Musiker", sondern langjährige Freunde von Dir. Gibt es auch mal Auseinandersetzungen? (Immerhin wohnt ihr zusammen, macht Musik zusammen und geht gemeinsam auf Tour...)

Paucker: Klar, ab und zu rappelts im Karton. Aber wir gehen insgesamt sehr respektvoll miteinander um, daher halte ich meine Band für ein sehr stabiles Konstrukt. Musikalisch sind wir uns ohnehin meist einig. Und jeder darf solange feiern, wie er will, solange er am nächsten Morgen um 10.00 Uhr am Bus steht.

Akuma: Gibt es zeitgenössische Musiker/Künstler, zu denen Du aufsiehst?

Paucker: Etliche. Beck und die Eels auf jeden Fall. Gerade habe ich die Franzosen Gush entdeckt, genauso wie den Schweden Salem al Fakir. Alles unglaubliche Künstler, man kann irre viel von ihnen lernen.

Akuma: Glaubst Du, dass es zwingend notwenig ist als Künstler, mit sich zu hadern oder zu "leiden", um gute Songs schreiben zu können oder ist das ein romatisches Klischee? Wie ist es bei Dir?

Paucker: Ja und nein. Melancholie bietet einiges kreative Potential, der Blues hat es schon in den 50ern gezeigt. Allerdings gibt es auch Künstler, die in depressiven Phasen überhaupt keinen Output haben, oder ganz aufhören. Ich selbst habe mit "Miserable Junkie" einiges aufgearbeitet und kann behaupten, dass das Klischee auf mich passt. Ich denke, das ist sehr individuell.

Akuma: Aus was ziehst Du als Songschreiber Deine größten Inspirationen?

Paucker: Ich kann nur schreiben, wenn ich berührt werde. Die eigene Emotion zu lesen, ist eine anstrengende, aber sehr ergiebige Inspirations-Technik. Wut, Liebe, Kummer, Leidenschaft, Ekstase... Je stärker das Gefühl, desto facettenreicher der Text.

Akuma: Du gehst langsam auf die magischen 30 Lenze zu. Denkst Du bereits an Familie, Haus und Hof?

Paucker: Ich kann an nichts anderes mehr denken :). Ich freue mich auf die Dreißiger, alles andere macht ja auch keinen Sinn. Und einen Hof möchte ich auch, und zwar mit Tieren und Gemüse auf dem Feld, Apfelbäumen und Kindern auf der Schaukel. Ich bin eben ein Hippie.

Akuma: Wie geht man als Musiker eigentlich mit weiblichen Fans um? Wie ist Dein Verhältis zum Publikum? Bist Du eher distanziert oder sieht man Paucker auch nach dem Konzert noch mit Fans und Publikum plaudern?

Paucker: Ich gehe immer sofort nach der Show nach vorne und quatsche mit den Leuten, egal ob Männlein oder Weiblein. Manchmal verkaufe ich auch ein paar Platten selbst. Mir ist der direkte Kontakt sehr wichtig, ich sammle auf diese Art auch immer wieder neue Geschichten, und die Zuhörer kommen gerne wieder. In den Bandbus dürfen allerdings nur die Mädchen.

Akuma: Was stört Dich als Musiker am meisten innerhalb der Musikindustrie?

Paucker: Ach du lieber Himmel, wo soll ich da anfangen? Tu mir das nicht an. Ich mache Musik und veröffentliche auf meinem eigenen Label. Das ist meine Industrie, der Rest spielt für meine Arbeit keine Rolle.

Akuma: Was dürfen wir zukünftig von Paucker erwarten?

Paucker: Mehr Touren, mehr Alben. Ich möchte spätestens im Herbst 2011 wieder ein Album bringen und natürlich damit auf Tour gehen. Bis dahin gibt es ja noch die Paucker Pods auf youtube.com/pauckerpod.

Akuma: Lieber Paucker, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Dir für "Miserable Junkie" und die anvisierten Enkel viel Erfolg!

Paucker: Es war mir ein Vergnügen!

"Miserable Junkie" - Trackliste

01. Sophie

02. Corny Song

03. No No No

04. God Has Gone On Holiday

05. That's Why

06. I Will Pay The Breakfast

07. Not A Nightmare

08. Little Princess

09. Everyone Knows It

10. There She Goes

11. How It Ends

12. Again
~ Katina Kampardina (akuma)


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